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Main-Spessart
Bauboom vorerst vorbei: Sind die Häusle-Bauer in Main-Spessart auf dem Rückzug?
Steigende Preise, hohe Zinsen, Lieferengpässe – wie wirken sich die unsicheren Zeiten auf die Baubranche aus? Und nehmen Bauplatz-Anfragen in den Gemeinden ab?
Ausgebremst: Immer weniger private Bauwillige gehen das Risiko eines Haus- oder Wohnungsbaus ein. Im Bild ein Bauprojekt der Firma Siegler-Bau aus dem Jahr 2022, eine Wohnanlage in Sendelbach.
Foto: Siegler | Ausgebremst: Immer weniger private Bauwillige gehen das Risiko eines Haus- oder Wohnungsbaus ein. Im Bild ein Bauprojekt der Firma Siegler-Bau aus dem Jahr 2022, eine Wohnanlage in Sendelbach.
Lucia Lenzen
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:18 Uhr

Deutschlandweit ziehen immer mehr Bauwillige die Reißleine: Bereits im Oktober 2022 meldete das ifo-Institut München auf Grundlage seiner regelmäßigen Umfragen, dass bundesweit immer mehr Aufträge im Wohnungsbau storniert werden. Ist die Stornierungswelle bis nach Main-Spessart gerollt? Eine Umfrage bei Bauunternehmern und Bürgermeistern in der Region.

"Stornierungen direkt haben wir noch nicht. Aber wir merken: Die Nachfrage lässt deutlich nach. Es kommen weniger Neukunden", sagt Michael Löffler, Geschäftsführer bei Redelbach-Bau aus Marktheidenfeld. Spürbar sei das in allen Geschäfts-Bereichen. Noch läuft die Branche auf Vollgas, was auch daran liegt, dass viele Abschlüsse meist noch aus 2021 stammten. Wer hier einen Festpreis vereinbart hat, dem konnte 2022 nicht viel passieren.

Auslaufen der KfW-Förderung 

Doch wer jetzt erst anfängt zu rechnen, hat mit wesentlich höheren Zahlen zu tun. Löffler sieht vor allem drei Aspekte, die abschrecken: Das hohe Zinsniveau, die hohen Materialkosten sowie der Wegfall von wertvollen Fördertöpfen. So ist die Förderung für den KfW-55-Standard für Neubauten Ende Januar 2022 ausgelaufen. Die neuen Kriterien, die es zu erfüllen gilt, um eine Förderung für einen Neubau zu bekommen, seien hingegen so hoch, dass sie keiner mehr in Anspruch nehme. 

Noch haben Main-Spessarts Bauunternehmen, wie hier im Bild eine Baustelle von Redelbach-Bau aus Marktheidenfeld in Erlabrunn, gut zu tun. Aber die Neu-Anfragen lassen nach. 
Foto: Michael Löffler | Noch haben Main-Spessarts Bauunternehmen, wie hier im Bild eine Baustelle von Redelbach-Bau aus Marktheidenfeld in Erlabrunn, gut zu tun. Aber die Neu-Anfragen lassen nach. 

Dazu kommt: Anfang Januar liegen die Bauzinsen bei etwa 4 bis 4,5 Prozent pro Jahr. "Im Vergleich zu den Vorjahren, wo das Zinsniveau bei rund einem Prozent lag, ist das mehr als das Vierfache an Belastung", so Löffler. Dazu komme, dass die Banken mittlerweile ein hohes Maß an Eigenkapital voraussetzten. 

Besorgt ist Löffler als Bauunternehmer aufgrund der Entwicklungen derzeit nicht. Aber er mache sich Gedanken, wie sich das Unternehmen aufstellen will die kommenden Jahre: Weniger Risiko, mehr Sicherheit. "Wenn ich jetzt zehn Wohnungen baue, werde ich nicht bereits anfangen zu bauen, wenn erst drei verkauft sind." Von Seiten der Regierung wünscht er sich wieder attraktivere Förderprogramme und Anreize für Investoren, zum Beispiel höhere Abschreibungen. 

"Der private Wohnungsbau-Markt ist tot"

Ähnliches bestätigt Johannes Siegler, Geschäftsführer bei Siegler-Bau aus Lohr. Er formuliert es noch ein Stück drastischer: "Der private Wohnungsbau-Markt ist so gut wie tot", sagt er. "Kein Wunder, wenn ich mir das Geld für vier Prozent von der Bank holen muss. Wer kann sich das noch leisten? Niemand."

Vor allem ärgert ihn, dass die Regierung derzeit alles tue, um den Markt weiterhin unten zu halten.  "Mit dem Auslaufen der KfW-Förderung geht auch nachhaltiges Bauen wieder zurück. Das ist völlig kontraproduktiv", so Siegler. 

Dazu kommen die teils explodierenden Preise im Materialsektor, durch die in die Höhe geschossenen Energiekosten. So habe sich der Betonpreis allein zum Jahreswechsel nochmal um 30 Prozent gesteigert, auch Bau-Stahl hat sich in den vergangenen zwei Jahren verdoppelt.  

Steigende Mieten sind absehbar

Wie stark der Markt stagniert, spürt das Unternehmen bei zwei Projekten: eine geplante Wohnanlage mit 35 Wohnungen und eine mit 69 Wohnungen, bei denen die Aufträge schon in den Büchern waren, wurden auf unbestimmte Zeit verschoben, weil der Verkauf nicht läuft. "Das macht uns als Baufirma immens Probleme", so Siegler. 

Um sich für die Zukunft gut aufzustellen, hat das Lohrer Unternehmen seinen Fokus bereits seit Monaten auf gewerbliche Bauten gerichtet. Hier sei die Investitionsbereitschaft zwar gesunken, aber nicht so extrem. Seine Prognose: Durch die Bauflaute wird sich vieles auf den Mietmarkt konzentrieren. Und hier wird es voll und teuer werden. 

Die Materialpreise schwanken: Nachdem sich der Holzmarkt wieder entspannt hat, sind die Preise für Zement gestiegen (Symbolbild). 
Foto: Thinkstock | Die Materialpreise schwanken: Nachdem sich der Holzmarkt wieder entspannt hat, sind die Preise für Zement gestiegen (Symbolbild). 

Bekommen Städte und Gemeinden ihre Baugrundstücke noch verkauft?

Wie aber sieht es konkret in den Städten und Gemeinden aus? Geben Bauwillige ihre Grundstücke bereits zurück? Finden sich noch genügend Familien, um neu ausgewiesene Baugrundstücke voll zu kriegen? 

Ernüchternd zumindest fiel 2022 die Bilanz bei der Vergabe der Bauplätze im neuen Sendelbacher Baugebiet südlich der Steinfelder Straße aus, wie bereits berichtet. Nach Abschluss eines Vergabeverfahrens hat die Stadt Lohr für gerade einmal ein Drittel der 24 ihr gehörenden Bauplätze Käufer gefunden. Stand heute sind davon vier Bauplätze notariell beurkundet. Der Termin zur Beurkundung des 5. Bauplatzes sei nächste Woche, bestätigt Pressesprecherin Melanie Most. Bei der Stadt Lohr stehen nun Überlegungen im Raum, wie es Interessenten erleichtert werden könne, ein Grundstück in Sendelbach zu erwerben. Allerdings stünden hierzu noch abschließende rechtliche Prüfungen aus, so Most. 

Dabei war das Interesse zunächst groß. Im Herbst 2021 meldete die Stadt 92 Nachfragen nach Bauplätzen, die meisten für das Baugebiet in Sendelbach. Doch als die Stadt ein halbes Jahr später das Vergabeverfahren startete, blieb die Bewerberschwemme aus. Erst nach einer Verlängerung der Bewerbungsfrist hatten sich schließlich 50 Interessenten gemeldet.

Marktheidenfeld: Rückzug auch im gewerblichen Bereich

Auch in Marktheidenfeld entstehen derzeit neue Baugebiete. Im Stadtteil Altfeld sind 41 Baugrundstücke geplant. Laut Pressesprecher Marcus Meier sind die Anfragen nach Wohnbauplätzen 2022 leicht zurückgegangen. Sein Grundstück zurückgegeben habe aber noch kein Bewerber. Möglich wäre das allerdings. "Wenn sich ein Käufer entscheidet, doch nicht zu bauen, kann er das Grundstück meist an die Stadt zurück übertragen", so Meier. Hierbei fallen aber Notar- und Grundbuchgebühren an, die der Käufer zu tragen hat. Und wie sieht es bei den Marktheidenfelder Gewerbegrundstücken aus? Einige wenige hätten ihr Interesse an Gewerbegrundstücken zurückgezogen, erläutert Meier.  

2019 gab es den Spatenstich für den Gewerbepark 'Söllershöhe' in Marktheidenfeld-Altfeld. Anfang 2023 ist das Interesse an Gewerbegrundstücken eher verhalten. 
Foto: Joachim Spies | 2019 gab es den Spatenstich für den Gewerbepark "Söllershöhe" in Marktheidenfeld-Altfeld. Anfang 2023 ist das Interesse an Gewerbegrundstücken eher verhalten. 

VG-Marktheidenfeld: Deutlicher Rückgang der Baugenehmigungen spürbar

Florian Hörning leitet das Bauamt der Verwaltungsgemeinschaft Marktheidenfeld, die sich um die Gemeinden Birkenfeld, Bischbrunn, Erlenbach, Esselbach, Hafenlohr, Karbach, Roden, Rothenfels und Urspringen kümmert. Tatsächlich gibt es derzeit in der Gemeinde Esselbach den Fall, dass ein Bauherr sein Grundstück wieder zurückgeben möchte. Ansonsten sei es aber diesbezüglich ruhig. Was wohl auch daran liegt, dass im vergangenen Jahr fast keine gemeindlichen Baugrundstücke verkauft wurden.

Was er bestätigt, ist, dass die Baugenehmigungen allgemein zurück gehen. "Vor 20 Jahren hatten wir noch über 230 pro Jahr, letztes Jahr waren es noch 109", so der Bauamtsleiter. Dagegen steht der Trend, dass sich Bestandsimmobilien sehr gut verkaufen. "Selbst marode Objekte gehen noch gut weg", so Hörning. Hauptsache, man könne erst einmal darin wohnen, saniert werde dann im Zweifelsfall später. 

Partenstein: Nachfrage ging seit 2020 gen Null

In Partenstein können Bauwillige zukünftig eines von 35 Bauplätzen im Wohngebiet Scholzenfeld II erwerben. "Als das Baugebiet ins Gespräch kam, war die Nachfrage sehr hoch", erläutert Bürgermeister Stephan Amend. Seit 2020 sei die Nachfrage allerdings gen Null gegangen. Als Gründe nennt er das schlecht abschätzbare Zeitfenster für die Verwirklichung des Baugebietes, Corona und den Ukrainekonflikt.

"Ich nehme an, dass sich über die Hälfte der Interessenten mittlerweile anders orientiert hat", so Amend. Denn gebaut wurde trotzdem: Allerdings nicht auf der grünen Wiese, sondern im Ort. Da wurde an, um- oder auch mal neugebaut. "Das war ein positiver Nebeneffekt damals", so Amend. Sorge, dass er seine Grundstücke nicht los bekommt, hat Amend nicht. Kleiner werden soll das Bauland auf jeden Fall nicht. "Die Größe, die wir angedacht hatten, ist überschaubar."

Bauen ja oder nein: Bauwillige überlegen sich mittlerweile sehr genau, ob sie sich das Eigenheim noch leisten können.
Foto: Lucia Lenzen | Bauen ja oder nein: Bauwillige überlegen sich mittlerweile sehr genau, ob sie sich das Eigenheim noch leisten können.

Karsbach: Nachfrage von zwei, drei Familien

Auch in Karsbach ist die Nachfrage nach Bauplätzen zurückgegangen. "Wir haben derzeit zwei, drei Familien, die gerne kurzfristig bauen würden, mehr nicht", erläutert Bürgermeister Martin Göbel.  Allerdings stehen in der Gemeinde derzeit auch keine offenen Bauplätze zur Verfügung. Allerdings habe sich bei Bauplätzen, die bisher in Privathand waren, viel getan: Weil sich ihre Besitzer doch zum Verkauf entschlossen, reduzierte sich ihre Zahl von 80 Parzellen auf die Hälfte. "Sobald es möglich ist, wollen wir auch wieder Bauland ausweisen", so der Bürgermeister. 

Gössenheim: Bauplatzpreise vergleichsweise günstig

In Gössenheim soll es im Februar losgehen mit dem Verkauf der Grundstücke im Baugebiet "Eichenau-Homburgstraße". 13 stehen hier zur Verfügung. Auf der Liste der potentiellen Bauwilligen hat Bürgermeister Klaus Schäfer über 40 Interessenten. "Bei dem ein oder anderen hat man schon gemerkt, dass er sich angesichts der Lage schwerer tut", erläutert der Bürgermeister. Sorgen, dass zu viele einen Rückzug machen, hat er aber nicht. Einen Grund dafür sieht er auch in den immer noch günstigeren Bauplatzpreisen im Vergleich zu den Städten. 

 
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  • R. R.
    Es muss nicht immer Neubau auf der grünen Wiese sein. Modernisierung und energetische Sanierung von Bestandsbauten mit geeigneter Förderung schafft ebenfalls Wohnraum. Und reduziert Leerstände und die weitere Ausbreitung von "Donut-Siedlungen" und Flächenversiegelung.
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  • N. B.
    Alles wird teurer, jeder versucht den kleinen Mann/Frau wie eine Rupfgans auszunehmen. Natürlich dürfen da die Banken nicht fehlen. Guthaben Zinsen für's Gesparte, maximal 0,3% aber die Bauzinsen von ca. 1,5% auf über 4% anheben. Ich nenne sowas....... Nein, sonst wird mein Kommentar gesperrt.
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  • M. R.
    Tja, wie will die Ampel auch nur ansatzweise ihr Versprechen von 400.000 neuen Wohnungen halten wenn sie alles, aber auch alles daran setzt den bestehenden Markt kaputt zu machen?

    Und der Versuch mit "Fit for 55" den Klimaschutz im Wohnbereich zu perfektionieren wird dazu führen, dass sich noch weniger Wohnungen, geschweige denn Häuser leisten können!

    Wir sollten uns auf das machbare konzentrieren statt immer nur Utopien hinter her zu rennen!
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  • m. w.
    Guter Rat an die Bauwilligen,Ärmel hoch krempeln,Finger schmutzig machen über viel Eigenleistung und nicht alles und zwar sofort haben wollen.
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