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Marktheidenfeld/Kredenbach
Demenzerkrankte leben in WGs in Kredenbach und Marktheidenfeld wie in einer großen Familie
In ambulant betreuten Demenz-WGs können betroffene Menschen gemeinsam leben. Dort wird versucht, die Fähigkeiten der Erkrankten möglichst lange zu erhalten und sie selbst bestimmt leben zu lassen.
In der Demenz-WG in Kredenbach werden die Bewohnerinnen und Bewohner ambulant betreut und können mit anderen betroffenen Menschen zusammen leben.
Foto: Dorothea Fischer | In der Demenz-WG in Kredenbach werden die Bewohnerinnen und Bewohner ambulant betreut und können mit anderen betroffenen Menschen zusammen leben.
Dorothea Fischer
 |  aktualisiert: 14.02.2024 22:14 Uhr

Sie liebt Zimmerpflanzen. Schon damals, als sie sich um den großen Haushalt und die Kinderschar gekümmert hat, hegte und pflegte sie liebevoll das Grün auf der Fensterbank. Auch jetzt wässert sie ihre Pflanzen täglich, meistens sogar mehrmals täglich. Das ist zu viel des Guten, sie ertrinken. 

Wenn Judith Geis von ihrer Mutter erzählt, schmunzelt sie über deren Verhalten. Doch sie weiß, dass das zum Krankheitsbild gehört. Die 92-Jährige hat Demenz. Diese beeinträchtigt das tägliche Leben, etwa durch Gedächtnisverlust. "Meine Mutter liebt Zimmerpflanzen, sie vergisst aber, wann sie sie zuletzt gegossen hat," erzählt Geis.

Sie ist Sprecherin der Angehörigen einer ambulant betreute Wohngemeinschaft (WG) für Demenzerkrankte in Marktheidenfeld. Dort wohnen Betroffene, die nicht mehr zu Hause betreut werden können.

Wohngemeinschaften für Demenzerkrankte in Kredenbach und Marktheidenfeld

"Man merkt, dass es hier wie in einer Familie ist", fasst Heiko Blaul die Stimmung im Haus in Kredenbach zusammen. Er hat dort 2007 die erste Demenz-WG im Raum Marktheidenfeld initiiert. Im Jahr 2018 folgte die WG im Marktheidenfelder Stadtgebiet. In und um Marktheidenfeld gibt es nur diese beiden Demenz-WGs. Die frühere Wohngemeinschaft in Trennfeld wurde vor kurzem geschlossen.

"In einem Heim ist keine Zeit für den Einzelnen. Das ist hier anders", sagt Geis. Die Mitarbeiterinnen würden das übermäßige Wässern der Zimmerpflanzen ihrer Mutter akzeptieren, ihr die Beschäftigung nicht nehmen. Im Gegenteil: "Sie bringen sogar neue Pflanzen von zu Hause mit." Das Besondere an der Form der Unterbringung in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft ist, dass man versucht, die Fähigkeiten der Erkrankten möglichst lange zu erhalten.

Die Möbel für ihre Zimmer bringen die Bewohnerinnen und Bewohner der Demenz-WGs selbst mit. Sie sind bestückt mit persönlichen Erinnerungsstücken.
Foto: Dorothea Fischer | Die Möbel für ihre Zimmer bringen die Bewohnerinnen und Bewohner der Demenz-WGs selbst mit. Sie sind bestückt mit persönlichen Erinnerungsstücken.

Diese Form der ambulanten Betreuung ist für die Bewohnerinnen und Bewohner nicht teurer als ein Platz in einem Seniorenheim, berichten Thoralf Jurtz vom PflegeExpress aus Holzkirchen (Lkr. Würzburg) und die Angehörigen von Betreuten in den Demenz-WGs in Kredenbach und Marktheidenfeld. Doch sie sind sich einig, dass solche Wohnformen im Alter vom Staat besser gefördert werden sollten.

Personal muss im Umgang mit Demenzerkrankten geschult sein

Je nachdem, zu was die Bewohnerinnen und Bewohner noch fähig sind, kochen sie gemeinsam Marmelade ein, jäten Unkraut im Garten oder spielen Mensch-ärgere-Dich-nicht. Oder sie sitzen einfach nur am Tisch und plaudern. Für Heimeligkeit sorgen die mitgebrachten Möbel und persönlichen Gegenstände der Bewohnerinnen und Bewohner.

Am längsten lebt die Mutter von Annette Hauck in der Kredenbacher Demenz-WG. Seit sie vor zwölf Jahren dort eingezogen ist, schreitet der Verlauf der Krankheit immer weiter fort.  Daran lässt sich nichts ändern. Doch Angehörige und Mitarbeiterinnen würden das Leben der Erkrankten so angenehm wie möglich gestalten, so Hauck.

"Man muss die demenzkranken Bewohner so akzeptieren, wie sie sind. Schimpfen hilft da nichts."
Heiko Blaul, Vermieter der Demenz-WG in Kredenbach

Das Personal, das in einer Demenz-WG arbeitet, muss im Umgang mit den Erkrankten geschult sein. "Man muss die demenzkranken Bewohner so akzeptieren, wie sie sind. Schimpfen hilft da nichts", sagt Heiko Blaul. Das Wichtigste sei es, Geduld zu haben, ergänzt Hannaske.

Je nachdem, was noch möglich ist, helfen die Bewohnerinnen und Bewohner der Demenz-WGs in Kredenbach und Marktheidenfeld bei der Hausarbeit oder finden Anregung in einfachen Spielen. (Archivbild)
Foto: Sven Hoppe/dpa | Je nachdem, was noch möglich ist, helfen die Bewohnerinnen und Bewohner der Demenz-WGs in Kredenbach und Marktheidenfeld bei der Hausarbeit oder finden Anregung in einfachen Spielen. (Archivbild)

Birgit Hannaske sagt: "Hier sind die Vorlieben der Bewohner bekannt, ihre individuellen Bedürfnisse werden berücksichtigt." Als Beispiel nennt sie die Routinen bei der Zahnpflege. Wenn die Bewohnerinnen und Bewohner von ihrem ersten Tag an in die Alltagsroutine der WG eingebunden werden, dann tut ihnen das gut, weiß Heiko Blaul. Die Mutter von Judith Geis zum Beispiel schält gerne Kartoffeln.

Angehörige sind eine der tragenden Säulen im Konzept Demenz-WG

Neben dem Vermieter und dem Pflegedienst sind die Angehörigen die dritte Säule des Konzepts Demenz-WG. Anders als in Pflegeheimen ist ihre Unterstützung notwendig. Das beginnt bei Besuchen und kleinen Gefälligkeiten wie der Dekoration des Hauses, bis hin zu festen Aufgaben bei der Müllentsorgung oder der Gartenarbeit.

"Ich habe Bekannte, die haben ihre Angehörigen lieber ins Heim gebracht, als sie hörten, was sie in der WG leisten müssten", so Annette Hauck. Jeder der Angehörigen tut das, was er am besten kann. Annette Hauck etwa bringt momentan wöchentlich einen Blechkuchen mit in die Demenz-WG, um die Küchenkraft zu entlasten.

Informationen für Pflegende, Vermieter und Pflegedienste bietet die Beratungsstelle für ambulant betreute Wohngemeinschaften in München unter Tel.: (089) 20189857, E-Mail: kontakt@ambulant-betreute-wohngemeinschaften.de

15 Jahre Demenz-WG Kredenbach

Heiko Blaul aus Kredenbach hatte Angehörige, die an Demenz erkrankten; sein Großvater musste im Pflegeheim untergebracht werden. Doch dort war wenig Zeit für die Betreuung. Blaul suchte nach einer Alternative. Er stieß auf das Konzept ambulant betreuter Wohngemeinschaften.
Er beriet sich mit Marianne Tschammer, damalige Leiterin der ökumenischen Sozialstation St. Elisabeth. Gemeinsam mit Familie Heißwolf aus Kredenbach entwickelten sie ein umsetzbares Projekt. Blaul baute das Gebäude, das seit dem Jahr 2007 einer privaten Wohngemeinschaft von zehn Demenzkranken eine dauerhafte Unterkunft gewährt.
Insgesamt wohnten hier seitdem 56 Menschen mit Demenz. Die Sozialstation St. Elisabeth beteiligte sich von Anfang an bis März dieses Jahres mit einem 24-Stunden-Dienst. Seit April kümmert sich der PflegeExpress aus Holzkirchen (Landkreis Würzburg) um die Bewohnerinnen und Bewohner.
Momentan sind in Kredenbach sechs von zehn Plätzen besetzt. In der Einrichtung in Marktheidenfeld ist derzeit kein WG-Zimmer frei.
Quelle: dfi
 
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  • gabcht20581207
    Grossartig ist dieses Konzept.
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