
In der ersten Pandemiewelle im vergangenen Frühjahr hatte Main-Spessart Glück. Es gab wenige Covid-19-Fälle, nur sechs Menschen starben und lediglich in einem Alten- und Pflegeheim, der Karlstadter Heroldstiftung, gab es einen kleinen Ausbruch. Ganz anders verhielt es sich bekanntlich im November und Dezember, als Main-Spessart zum Hotspot wurde, als es massive Ausbrüche in zehn Heimen und 155 Todesfälle in Zusammenhang mit dem Coronavirus gab.
Nur in vier der 15 Alten- und Pflegeheime im Landkreis gab es keine Infektionen unter den Bewohnern. Eine Frage, die sich aufdrängt, ist: Warum kamen manche Heime glimpflich davon? Haben sie irgendetwas anders gemacht oder war es schlicht Glück?
Erste Corona-Ausbrüche in Altenheimen kamen bei niedriger Inzidenz
Bis Oktober schien es, als wäre Main-Spessart irgendwie gefeit gegen das Coronavirus. Dann steigen die Zahlen zunächst langsam, aber sicher. Am 25. Oktober liegt der Sieben-Tage-Inzidenzwert bei 38, die Ampel im Landkreis springt auf "Gelb". Am 28. Oktober meldet das Landratsamt bei einem Sieben-Tage-Inzidenzwert von 50,7 – die Corona-Ampel leuchtete inzwischen "rot" – 79 aktuell Infizierte und 818 Menschen in häuslicher Quarantäne. Einen Tag später dann wird ein positiv getesteter Bewohner aus dem Kreisseniorenzentrum Gemünden gemeldet – der erste Coronafall in einem Altenheim seit dem Frühjahr. Der Rest ist bekannt: Bei Reihentestungen finden sich zahlreiche weitere Infizierte, Schlag auf Schlag folgt ein Heim nach dem anderen.
Der Inzidenzwert zu Beginn der Ausbrüche in den Heimen ist deshalb interessant, weil Landrätin Sabine Sitter in einem Pressegespräch im Januar erklärt hat, dass die vergleichsweise niedrige Inzidenz von 50 beim ersten Coronaausbruch in einem Main-Spessarter Altenheim im Herbst mit dafür verantwortlich war, dass es zu den massiven Ausbrüchen hat kommen können. Woanders, etwa im Landkreis Bad Kissingen, sei man aufgrund höherer Zahlen und aufgrund schlechter Erfahrungen im Frühjahr wohl vorsichtiger gewesen, so Sitter. Erst nach den Ausbrüchen in Main-Spessart waren bayernweit striktere Maßnahmen in Alten- und Pflegeheimen veranlasst worden. Reihentests hätten die Heime aber schon vor den Ausbrüchen machen können, sagte die Landrätin. Sie seien aber ebenso unterblieben wie etwa eine flächendeckende FFP2-Maskenpflicht.
Womöglich Zusammenhang zwischen der Fallzahl und Schutzvorkehrungen
Hätten solche Maßnahmen aber überhaupt etwas gebracht? Die Redaktion hat drei Heime im Landkreis, die keine oder nur wenige Coronafälle unter den Bewohnern hatten, angefragt, welche Sicherheitsvorkehrungen bei ihnen in den entscheidenden Monaten Oktober, November und Dezember galten. Die Antworten lassen darauf schließen, dass es womöglich einen Zusammenhang zwischen der Zahl der Fälle und der Schärfe der Maßnahmen gibt.

Das Haus "Lohrtal" des Altenheimbetreibers BeneVit in Frammersbach zählt mit 54 Pflegeplätzen zu den kleineren Heimen im Landkreis. Kleinere Einrichtungen haben es durch weniger Besucher und Mitarbeiter natürlich etwas leichter als größere. Auch das mag dazu beigetragen haben, dass dort bisher weder ein Bewohner noch ein Mitarbeiter positiv getestet wurde. Aber das allein scheint es nicht gewesen zu sein. Heimleiterin Claudia Junge berichtet, dass sie seit etwa Mitte Oktober Schnelltests bei Bewohnern und Mitarbeiter durchführten, anfangs einmal die Woche. Vorgeschrieben sei das noch nicht gewesen. "Ich weiß, wir haben sehr früh angefangen."
Komplett-Schutzausrüstung für Besucher in Frammersbach
Hinzu kam: Seit September mussten alle, die näher als eineinhalb Meter an Bewohner herankamen, etwa Besucher, Therapeuten und Ärzte, Schutzkleidung wie im OP tragen, soll heißen: Schutzkittel, Handschuhe und anfangs medizinische Masken, seit November/Dezember FFP2-Masken. "Wir waren mit allem ein bisschen früher dran", resümiert Claudia Junge.
Dreimal die Woche gebe es im Haus Corona-Inforunden, um die Mitarbeiter an Bord zu holen und auf dem neuesten Stand zu halten. Die Impfquote unter den 44 Mitarbeitern ist mit 86 Prozent (38 Mitarbeiter) erstaunlich hoch. Zum Vergleich: Vor einem Monat lag die Impfbereitschaft in den drei Alten- und Pflegeheimen, bei denen der Landkreis beteiligt ist, laut Landratsamt nur bei rund 30 Prozent in Gemünden und Karlstadt sowie 50 Prozent in Marktheidenfeld.
Heimleiterin in Partenstein gerade am Testen
Auch das Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Partenstein gehört mit 40 Pflegeplätzen zu den kleinen Einrichtungen im Landkreis. Dort gab es mit drei infizierten Bewohnern im Dezember einen kleinen Ausbruch. Als die Redaktion am Freitagmorgen Heimleiterin Sabine Wittmann sprechen möchte, sagt eine Mitarbeiterin am Telefon: "Die testet gerade, das ist jetzt schlecht. Die ist in voller Montur."
Später sagt Wittmann, dass das Heim den kleinen Ausbruch gut in den Griff bekommen habe, weil es nur eine Station gebe und beim Ausbruch gleich das ganze Heim unter Quarantäne gestellt worden sei und nicht nur eine Station wie in größeren Heimen. Das sei natürlich hart gewesen für die Bewohner. "Aber das hat uns geschützt." Sie lobt die Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt und ist sehr zufrieden mit der Teststrecke in Marktheidenfeld. Ihr Fazit: "Wir hatten einfach Glück."
Glimpflicher Ausgang in Partenstein reiner Zufall?
Aber so ganz zufällig war der nur geringe Ausbruch vielleicht doch nicht: Schon vier Wochen bevor es zur Pflicht wurde, erzählt Wittmann, hätten die Mitarbeiter FFP2-Masken getragen. Sie ist stolz auf ihre Mitarbeiter, die in der Pandemie auf vieles verzichtet hätten. Diese hätten, weil sie mit alten Menschen arbeiten, ihre privaten Kontakte besonders stark eingeschränkt. Bisher habe sich "deutlich mehr als die Hälfte" der Mitarbeiter impfen lassen, genauer beziffern konnte sie es auf die Schnelle nicht.
Das dritte kontaktierte Heim ist ein größeres Kaliber: Die Senioren-Residenz "Mainbrücke" in Marktheidenfeld ist eines der großen Altenheime im Landkreis und hat aktuell 103 Bewohner. Trotz der Größe gab es unter den Bewohnern bislang keinen einzigen Coronafall, nur ein Mitarbeiter war infiziert. Zufall?
Es war leider nicht möglich, mit der Heimleiterin Isabell Kusch zu sprechen, die sich Ende Januar in einer Pressemitteilung stolz darauf zeigte, dass es bislang keinen einzigen Coronafall unter den Heimbewohnern gab. Auf unsere Fragen hat jedoch eine Sprecherin des Betreibers Alloheim aus Düsseldorf geantwortet.
Seit Oktober tragen alle Mitarbeiter der "Mainbrücke" FFP2-Masken
Seit vergangenem Frühjahr müssen sich demnach alle Besucher kurz begutachten lassen, wozu das Messen der Körpertemperatur gehört. Bereits seit Oktober tragen zudem alle Mitarbeiter in der Einrichtung nur noch FFP2-Masken, und bei Bewohnern wird seitdem mehrmals täglich Fieber gemessen. "Die Impfbereitschaft unter Bewohnern und Mitarbeitern war sehr gut", teilt die Sprecherin mit, ohne dies genauer zu beziffern. Die Mitarbeiter der Einrichtung hielten sich sowohl in der Einrichtung als auch privat an die Hygiene- und Schutzmaßnahmen.
Wie wichtig es ist, Ausbrüche in Altenheimen zu verhindern, unterstreichen die Zahlen aus Main-Spessart eindrücklich. Demnach starb jeder vierte infizierte Altenheimbewohner im Landkreis im Zusammenhang mit Corona, Stand 11. Januar waren dies 124 von bis dato 509 infizierten Bewohnern. Die Sterblichkeit der Restbevölkerung im Landkreis beträgt hingegen nur zwei Prozent.