In Lengfurt im Landkreis Main-Spessart soll ab 2025 die erste Großanlage weltweit zur Abscheidung und Verwendung von Kohlenstoffdioxid (CCU-Anlage) in einem Zementwerk in Betrieb gehen. Ziel sei es, jährlich 70.000 Tonnen Kohlenstoffdioxid (CO2) zu produzieren, teilen der Baustoffkonzern Heidelberg Materials (früher: HeidelbergCement) und der Industriegas-Hersteller Linde mit. Das Gas kann aufgrund seiner Reinheit in der Lebensmittel- und Chemieindustrie eingesetzt werden, etwa als Kohlensäure in Mineralwasser.
Die Carbon-Capture-and-Utilisation-Anlage (CCU) ermöglicht eine Weiterverwertung des gereinigten und verflüssigten CO2 aus der Zementproduktion. Auf Basis einer speziell für Rauchgase entwickelten sogenannten Aminwäsche wird das Kohlendioxid direkt aus einem Teil des Abgasstroms des Zementklinkerofens abgetrennt. Anlagen zur Reinigung und Verflüssigung, Tanks für die Zwischenlagerung des Produkts sowie Verladeeinrichtungen gehören ebenfalls zum Projektumfang, heißt des in der Pressemitteilung der Unternehmen.
Ziel: CO2-Emissionen im Zementwerk Lengfurt um zehn Prozent verringern
Durch den Prozess werden die jährlichen Kohlendioxid-Emissionen des Werks in Lengfurt um zehn Prozent verringert, erklärt Elke Schönig, Pressesprecherin bei Heidelberg Materials. Dies entspreche rund 2000 mit Erdgas versorgten durchschnittlichen Haushalten.
Das gewonnene CO2 wird zum Großteil durch Linde vermarktet werden. "Für unsere Kunden ist eine sichere, hochwertige Versorgung mit klimafreundlich produziertem CO2 von besonders hoher Bedeutung", sagt Mathias Kranz, einer der Geschäftsleiter von Linde.
Einen kleineren Teil der Produktion will Heidelberg Materials nutzen, um neue Technologien zum CO2-Recycling und zur Rekarbonatisierung weiter voranzutreiben. Unter Rekarbonatisierung versteht man einen Prozess, durch den die mit Beton errichteten Bauwerke wieder CO2 aus der Luft aufnehmen. So kann ein Teil der Emissionen aus der Produktion ausgeglichen werden.
Bundeswirtschaftsministerium fördert die CCU-Anlage mit 15 Millionen Euro
Die geplante CCU-Anlage ist Teil einer globalen Strategie bei Heidelberg Materials, sagt Schönig. Der Konzern betreibe derzeit weltweit zehn verschiedene Projekte, bei denen unterschiedliche Techniken der CO2-Abscheidung, Weiterverarbeitung und dauerhaften Speicherung zum Einsatz kommen. "Ziel ist es, bis 2030 insgesamt zehn Millionen Tonnen CO2 abzuscheiden." Laut Dominik von Achten, Vorstandsvorsitzender von Heidelberg Materials, will der Konzern so "praktikable und effiziente Wege zur Reduktion unseres CO2-Fußabdrucks und zur Weiterverwertung des CO2" finden.
Die Investitionen der Joint-Venture-Partner Heidelberg Materials und Linde werden durch Fördermittel in Höhe von etwa 15 Millionen Euro aus dem Programm "Dekarbonisierung in der Industrie" im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) unterstützt. Diese Förderung zeige, "welchen Stellenwert auch die deutsche Regierung unserem gemeinsamen Vorhaben beimisst", so von Achten.
Projekt im Zementwerk Lengfurt gilt als Vorreiter für nachhaltige Zementproduktion
Linde Engineering baut die CCU-Anlage in Lengfurt, die Planungen dazu haben bereits vor vier Jahren begonnen. Ist das Projekt im Zementwerk am Main erfolgreich, könnte damit der Weg für eine nachhaltige Zementproduktion geschaffen werden. Das in dieser Branche neuartige Verfahren zur Abscheidung und Aufbereitung von CO2 sei auch auf andere Industrien wie Stahl, Glas oder Chemie übertragbar, erklärt Pressesprecherin Elke Schönig.
Die CCU-Anlage im Zementwerk Lengfurt ist in direkter Nähe zum Drehrohrofen, dem Klinkerherstellungsprozess, geplant. Dort werden dem Konzern zufolge ein paar Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter benötigt werden, die den Betrieb der Anlage sicherstellen. Weitere Arbeitsplätze werden in der Logistik und in der Anwendung des CO2 bei Linde entstehen.