
Es knistert an der bayerisch-baden-württembergischen Grenze: Auf dem Gebiet der Stadt Wertheim sollen fünf Windräder entstehen – in unmittelbarer Nähe zu den bayerischen Orten Homburg und Wüstenzell. Die bayerische Bürgerinitiative, die sich gegen den Windpark wehrt, demonstrierte am Montag schon zum zweiten Mal mit Plakaten, Trommeln und Trillerpfeifen vor dem Wertheimer Rathaus. Drinnen stand das Thema auf der Tagesordnung des Gemeinderats.
Die Stadt ist selbst nicht Investor oder Projektentwickler, wie Wertheims Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez betonte, sondern kann auch nur eine Stellungnahme als "Träger öffentlicher Belange" abgeben – wird also genauso befragt, wie die Märkte Triefenstein und Holzkirchen oder der Landkreis Main-Spessart. Das Projekt genehmigen muss das Landratsamt Main-Tauber.
Deckenbrock drängt auf Runden Tisch
"Sie sind hier nicht am richtigen Ort mit ihrem Protest", wandte sich der Bürgermeister vor der Sitzung direkt an die rund 100 Demonstranten. Der Wertheimer Gemeinderat könne nicht entscheiden, ob die Windräder gebaut werden und man könne der Stadt auch nicht vorwerfen, dass sie die Dollar-Zeichen in den Augen habe. Von den Demonstranten erntete er dafür aufgebrachte Rufe.
Im Sitzungssaal nutzte Triefensteins Bürgermeisterin Kerstin Deckenbrock die Bürgersprechstunde, um an die Wertheimer Gemeinderäte zu appellieren: Sie wünsche sich eine Art Runden Tisch, an dem alle Beteiligten zusammenkommen. Mit dieser Bitte hatte sie auch schon die Fraktionen des Wertheimer Gemeinderats angeschrieben.

Bei Gemeinderätin Martina Wenzel hatte Deckenbrocks Aufruf Gehör gefunden: Im Sinne der guten Nachbarschaft wünsche sie sich, dass man noch einmal alle Gestaltungsmöglichkeiten für den Windpark prüfen möge. Ratskollege Axel Wältz schloss sich ihr an, Wertheim solle die Streitpunkte für Triefenstein klären, auch wenn dem Gemeinderat nur wenig Spielraum bleibe.
Stadtwerke haben keine Bedenken wegen Trinkwasser
Wie gering der Spielraum ist, machte für die Verwaltung Fachbereichleiter Armin Dattler klar. Seiner Einschätzung nach kann die Stadt das Vorhaben nur ablehnen, wenn "öffentliche Belange" dagegen sprechen. Aus Wertheimer Sicht seien hier aber alle Vorgaben eingehalten, die Stadt könne nicht ablehnen, um die Belange privater bayerischer Bürger zu schützen. Würde die Stadt die Windräder trotzdem ablehnen, dann würde das Landratsamt Main-Tauber diese Ablehnung wohl kassieren und die Zustimmung trotzdem erteilen, prophezeite er.
Ein Thema, das unter anderem die Bürgerinitiative in die Diskussion eingebracht hat, ist die Tatsache, dass die Windräder in einem Trinkwasserschutzgebiet geplant sind. Dazu gab in der Sitzung der Chef der Wertheimer Stadtwerke seine Einschätzung ab. Thomas Beier ging dabei auf drei Aspekte ein: Den Bau der Windrad-Fundamente sah er unkritisch, weil diese keine zwei Meter tief in die Erde gehen und deshalb nur wenige Erdschichten durchbrechen. Während der Bauphase könnte es eventuell Auflagen geben, so seine Einschätzung, damit zum Beispiel beim Tanken der Baustellenfahrzeuge kein Treibstoff ins Erdreich kommt. Sobald die Windräder in Betrieb sind, gehe von den Anlagen nur noch wenig Gefahr für das Trinkwasser aus. Es könne sein, dass die Windräder mit Öl arbeiten, in diesem Fall gebe es aber immer eine Auffangwanne, sodass kein Öl austreten kann.
Deckenbrock: "Positives Signal"
Bürgermeister Herrera Torrez zeigte sich bereit, den "Gesprächskanal" zum Projektentwickler Thüga Erneuerbare Energien (THEE) zu "öffnen", wie er es ausdrückte. Im Sinne der guten Nachbarschaft wolle er auch ein Schreiben der Bürgerinitiative an die THEE weiterleiten. Es müsse aber klar sein, dass die Stadt Wertheim hier nicht in der Position sei, als Vermittler aufzutreten oder einen Kompromiss erwirken zu können.
Triefensteins Bürgermeisterin Kerstin Deckenbrock wertet das als positives Zeichen. "Wir müssen jetzt alle Beteiligten an einen Tisch bekommen", sagt sie im Gespräch mit dieser Redaktion. Sie wünsche sich, dass nicht nur alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden, sondern auch die Sorgen der Menschen berücksichtigt werden. Sie und auch Holzkirchens Bürgermeister Daniel Bachmann haben einen langen Katalog mit Einwänden an das Landratsamt Main-Tauber gegeben und warten nun auf Rückmeldung. Deckenbrock hofft hier, dass die Weltkulturerbe-Bewerbung der Homburger Papiermühle ins Gewicht fällt.
Für Gabriel Watzka, Vertreter der Bürgerinitiative, sind nach der Sitzung die Bedenken zum Thema Trinkwasser noch nicht abschließend geklärt. "In meinen Augen wurde das schöngeredet", so Watzka gegenüber der Redaktion. Er ist jedoch froh, dass auch einige Wertheimer Gemeinderäte Bedenken geäußert haben. "Da konnte man sehen, dass denen die gute Nachbarschaft nicht Wurscht ist." Dieses Signal sei bisher in Homburg noch nicht angekommen.