Die Stadt Karlstadt lässt das ehemalige Betriebsgelände der Firma Ehrenfels in Karlburg auf Schadstoffrückstände untersuchen. Eigentlich sollten dort schon Wohnhäuser geplant werden. Bei Erdarbeiten waren jedoch Verunreinigungen gefunden worden. Deren Beseitigung wurde nun abgeschlossen.
Es gebe zudem keine Hinweise auf hochgiftige Dioxin-Rückstände, betont Bürgermeister Paul Kruck. Ein ehemaliger Auszubildender der Firma, Peter Röder, hatte einen entsprechenden Verdacht zum wiederholten Male geäußert – zuletzt in einem Bericht des „Main-Echo“. Gegenüber dieser Redaktion bekräftigte er die Vorwürfe. Das Thema hat eine lange Vorgeschichte.
Einfamilienhäuser geplant
Das Gelände zwischen Karolingerstraße, Burgstraße, Maistraße und Sanderau gehörte viele Jahre der Firma Ehrenfels. Das 1922 als Schreinerei gegründete Unternehmen produzierte anfangs Küchen-, Wohn- und Schlafmöbel. Im Laufe der Zeit florierte der Betrieb, neue Gebäude wurden errichtet und neue Produkte hergestellt. Heute gilt die Firma als eine der wenigen großen Spezialhersteller von Isoliertüren in Deutschland, vor allem für Tiefkühlräume. Sie ist 2001 vom innerörtlichen Karlburg in das Gewerbegebiet „Heßheimer Weg“ umgezogen.
Zurückgeblieben ist attraktives Bauland in Karlburg. Die Stadt kaufte vergangenes Jahr den Großteil davon, knapp 5000 Quadratmeter. Wie der Zuschnitt für die künftigen Grundstücke aussehen soll, beriet der Stadtrat im Juli 2016. Es sollen sechs bis sieben neue Bauplätze für Einfamilienhäuser frei werden. Zusätzlich sollen mehrere Anwohner Teile des Grundstücks für Gartenflächen erwerben können.
Gelände schon im Jahr 2000 untersucht
Doch schon zur Zeit des Firmenumzugs gab es Untersuchungen zu möglichen Schadstoffrückständen. Auf dem Karlburger Betriebsgelände wurde mit Holzschutzmitteln wie Xylamon gearbeitet, die früher oft Pentachlorphenol (PCP) enthielten. PCP hat den Ruf, mit Dioxinen verunreinigt zu sein. Seit 1989 ist PCP in Deutschland verboten.
„Die verarbeiteten Mengen waren relativ gering“, sagt Dieter Ehrenfels, Geschäftsführer des Isoliertüren-Herstellers auf Anfrage. So habe seiner Erinnerung nach eine Person an einem Tag pro Woche das Holzschutzmittel mit dem Pinsel auf Türrahmen aufgetragen. Ebenfalls wurde auf dem Gelände mit giftigem Trichlorethen gearbeitet, welches für die Oberflächenbehandlung von Edelstahl verwendet wird.
Röder klagt bislang erfolglos
Initiiert hatte die damaligen Messungen Peter Röder, der von 1979 bis 1982 bei Ehrenfels den Schreiner-Beruf erlernte. Er sagt, in erheblichen Mengen PCP ausgesetzt gewesen zu sein: „Meine Kleidung hat von dem Zeug getrieft. Ich habe keine Arbeitshandschuhe und keine Schürze bekommen.“ Seiner Auffassung nach ist er aufgrund des Kontaktes mit Holzschutzmitteln an Multipler-Chemikalien-Sensibilität (MCS) erkrankt. Seit etwa 20 Jahren führt der Eußenheimer deswegen Prozesse.
Erst Ende vergangenen Jahres wurde seine Klage gegen die Berufsgenossenschaft auf Anerkennung seiner Leiden als Berufskrankheit im Revisionsverfahren am Sozialgericht Schweinfurt abgewiesen. Bislang sahen die Gerichte keine bewiesene Kausalität zwischen Erkrankung und der Arbeit mit dem Holzschutzmittel. „Der Gutachter hat inhaltliche und substanzielle Beweise ignoriert“, so Röder, der diesem schwere handwerkliche Mängel in seiner Beurteilung vorwirft.
Von diesem Sozialgerichtsverfahren war ein weiteres von Röder angestrengtes arbeitsrechtliches Verfahren mit der Firma Ehrenfels als Beklagte abhängig gewesen, so Dieter Ehrenfels. Er vermutet, dass sich dieses Verfahren damit erledigt hat.
Hohe PCP-Werte in Betonboden
Zurück zum ehemaligen Firmengelände: Die Untersuchungen vor 17 Jahren ergaben laut eines vom Gewerbeaufsichtsamt Würzburg in Auftrag gegebenen Laborgutachtens in zwei aus dem Beton-Fußboden heraus gestemmten Proben hohe PCP-Werte (bis 8,5 Gramm pro Kilogramm), fünf weitere Proben lagen unter den Grenzwerten. Die Gewerbeaufsicht empfahl daher entweder die als Abtropfflächen genutzten Böden zu sanieren oder Luftmessungen durchzuführen, um zu sehen, ob von dem PCP-belasteten Betonestrich eine Gefahr ausgeht, so Dieter Ehrenfels. In der dann durchgeführten Luftuntersuchung wurden minimale Werte gemessen, die laut Ehrenfels weit unter den Grenzwerten lagen – etwa bei einem Zehntel. Doch könnte etwas von dem PCP in den Untergrund gelangt sein?
Peter Röder glaubt, dass Lösungsmittel wie PCP Betonboden durchdringe. Seiner Erinnerung nach hat er mehrere Hundert Liter des Holzschutzmittels in seiner Lehrzeit angewandt, die Abtropfreste seien auf qualitativ minderwertigen und löchrigen Betonestrich getropft und augenscheinlich versickert. Also schlussfolgert er, dass das PCP und mit ihm die Dioxine in den Boden gelangt sind.
Kruck: Dioxine von Beton aufgefangen
Bislang fehlen für diese Schlussfolgerung jedoch die Beweise. Bürgermeister Kruck sagt: „Die Mittel wurden immer auf befestigten Flächen angewandt.“ Dabei stützt er sich auf eine historische Recherche der Stadt, in der Zeitzeugen befragt und Unterlagen ausgewertet wurden. Das bei der Messung vor 17 Jahren gefundene und wohl aus Abtropfresten stammende PCP sei während des Produktionsbetriebs von der Betonplatte aufgefangen worden. Ein Durchsickern sei nicht möglich, erklärt Dr. Paul Kruck, Bürgermeister und Diplom-Chemiker. Nach den Abbrucharbeiten der ehemaligen Betriebsgelände vor kurzem wurde zudem der Untergrund an den betreffenden Stellen auf PCP untersucht. Gefunden wurde dabei nichts, so Kruck.
Dessen ungeachtet erstattete vergangene Woche Röder dann Strafanzeige bei der Polizei Karlstadt gegen die Firma Ehrenfels. Der Vorwurf: Das Unternehmen habe die Stadt nicht auf die Möglichkeit einer Dioxin-Belastung des Bodens hingewiesen, was den Tatbestand der arglistigen Täuschung mit einhergehendem Vermögensschaden erfülle. Seiner Ansicht nach gehe nun zudem mit dem Abriss der ehemaligen Betriebsgebäude „von der ehemals ,ruhenden Altlast‘ eine aktuelle Gefährdung für die umliegende Bevölkerung“ aus.
Weitere Schadstoffe gefunden und beseitigt
Abgesehen davon sind bei Abbrucharbeiten der ehemaligen Betriebsgebäude andere Schadstoffe aufgefallen, die jedoch nicht die Brisanz von PCP beziehungsweise Dioxinen besitzen. So wurde unter einem Heizöltank des Bürogebäudes mit Öl verunreinigtes Erdreich gefunden, sagt Dieter Ehrenfels. Da der Tank dicht war, sei das Öl vermutlich beim Befüllen ausgetreten.
An anderer Stelle, unter dem Stromverteilerkasten, wurden Stoffe wie Teer, Asche, Schlacke und Verbrennungsrückstände im Boden gefunden. „Die neuesten Ergebnisse weisen darauf hin, dass diese Rückstände bereits vor dem Errichten der Gebäude bestanden haben“, so Ehrenfels. Bauamtsleiter Marco Amrhein dazu: „Keiner weiß, woher das kommt. Es könnte sein, dass diese Stoffe einst beim Verfüllen des Geländes in den Boden gelangt sind.“
All diese Verunreinigungen wurden in den vergangenen Wochen durch Bodenabtragungen beseitigt, erklärt Bürgermeister Kruck. Dieter Ehrenfels bestätigt: „Nach unserem Wissenstand ist das an die Stadt Karlstadt verkaufte ehemalige Firmengelände frei von Schadstoffrückständen.“ Nur unter dem Fundament des Wohnhauses der Familie Ehrenfels seien noch derartige Rückstände aus unvollständiger Verbrennung verblieben, führt Kruck weiter aus. Dieses Grundstück gehört jedoch nicht der Stadt und es wäre aufwändig, unter dem Fundament zu graben. Daher bleiben diese Feststoffe, wo sie sind. Laut Kruck und Amrhein können sie nicht an die Oberfläche gelangen. „Eine Rekontamination des Geländes ist nicht möglich“, verdeutlicht Kruck.
Nochmalige Untersuchung
Der Bürgermeister schließt nach Abschluss der Säuberungsarbeiten eine Schadstoffbelastung des Geländes aus. „Wir haben hier wirklich keinen Dioxin-Schadensfall.“ Dennoch will er alle möglichen Zweifel ausräumen und lässt jetzt daher einen öffentlich bestellten Gutachter nochmals das Gelände unter die Lupe nehmen – auch explizit hinsichtlich Dioxine. „Wir haben selber größtes Interesse daran, dass hier alles sauber hinterlassen wird“, so Kruck. Die Ergebnisse sollten bis Ende April vorliegen, schätzt Amrhein.