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KARLBURG/WERNFELD
Giftige Relikte aus Holzschutz?
In Karlburg wurde ein früherer Arbeitsplatz auf Rückstände von hochgiftigem Holzschutzmittel untersucht.
zz
 |  aktualisiert: 03.12.2006 22:29 Uhr
Vor gut 20 Jahren wurde recht sorglos mit Holzschutz- und Lösungsmitteln hantiert. Jetzt nahm das Landesamt für Umweltschutz in Amtshilfe für das ebenfalls anwesende Gewerbeaufsichtsamt beim mittelständischen Unternehmen "Ehrenfels Isoliertüren" in Karlburg mehrere Proben. Sie sollen auf Schadstoffe wie Pentachlorphenol als ehemaliger Inhaltsstoff von Holzschutzmitteln und eventuell auf Dioxine untersucht werden. Die Probeentnahme verfolgten auch Vertreter der Berufsgenossenschaft Holz und ein Team des ZDF.

Initiiert hat die Messungen der Wernfelder Peter Röder. Er lernte bei der Firma vom 1. September 1979 bis zum 26. Februar 1982 Schreiner und spricht davon, dass er aufgrund des Kontaktes mit Holzschutzmitteln für an Multipler-Chemikalien-Sensibilität (MCS) erkrankt ist. Er wandte sich unter anderem an das Landratsamt Main-Spessart und das Landesamt für Umweltschutz. Beide gaben den Fall an die Gewerbeaufseher weiter.

Regelmäßig habe er in der Lehre Holzleisten für die Türen mit Xylamon ohne jede Schutzkleidung streichen müssen, berichtet Röder heute. Dabei sei er den Dämpfen ausgesetzt gewesen. Auch die Arbeitskleidung und die Haut seien mit dem Holzschutzmittel in Berührung gekommen. Außerdem habe er mit dem Lösungsmittel Trichlorethylen ("Tri") Türen entfettet.

Die Geschäftsleitung des Unternehmens bestätigt, dass während Röders Lehrzeit "Xylamon-Holzschutzgrund" verarbeitet wurde. Je nach Wetter sei das Mittel im Freien oder in der Halle mit dem Pinsel aufgetragen worden.

Alte Rechnungen belegten, so der technische Geschäftsführer Dieter Ehrenfels, dass damals im Jahr zwischen 100 und 600 Liter "Xylamon-Holzschutzgrund" eingekauft wurden. Ab Februar 1979 habe man ausdrücklich PCP-freies Xylamon geliefert bekommen. Während der Ausbildungszeit Peter Röders seien insgesamt 380 Liter PCP-haltiges Xylamon verarbeitet worden, aber nicht vom ihm alleine.

Seit 1982 leidet Peter Röder nach eigener Aussage unter MCS, seit 1996 gelte er als 100 Prozent arbeitsunfähig. Seine Symptome reichten von einer Allergie auf alles Chemische über Gelenkentzündungen und Gefühlsverlust bis zu Fissuren (feine Risse) im Magen und der Speiseröhre und dadurch bedingt Magen- und Darmblutungen. Da er gegen die Medikamente allergisch sei, könne die nötige Operation nicht durchgeführt werden. "Komischerweise spüre ich nichts mehr", berichtet Röder, "weder heiß noch kalt und auch keinen Schmerz."

Peter Röder ist Proband beim Forschungsprojekt "Untersuchungen zur Aufklärung der Ursachen des MCS-Syndroms unter besonderer Berücksichtigung von Umweltchemikalien", das im Januar 1999 vom Umweltbundesamt an das Robert-Koch-Institut in Berlin vergeben wurde.

Vor Ort zeigte Röder dem aus Amtsleiter Dr. Martin Wengenke und Laborleiter Manfred Schreiner bestehenden "Messtrupp" des Umweltbundesamtes, an welcher Stelle er vor über 20 Jahren mit Xylamon arbeitete.

"Wir suchen nach minimalen Spuren im Pikogramm-Bereich", erläuterte Manfred Schreiner. Ein Pikogramm entspricht 10-12 Gramm, einem Millionstel eines Millionstel Gramms, zwischen dem Komma und der Eins stehen elf Nullen. Zuerst würden die Proben im Labor auf PCP hin untersucht und, falls dabei etwas gefunden wird, auch auf Dioxin. Ergebnisse würden in drei Wochen vorliegen.

Im krassen Gegensatz zur Spurenanalyse stand die Probenentnahme mit "groben Gerät": Die beiden Männer griffen zu Hammer und Meißel, um an mehreren Stellen Bodenbelag sowie Wandputz abzuschlagen. Außerdem wanderten Holzstaub aus einer Maschine und ein Stück einer alten Richtlatte mit in die Probengläser.

"Wir wollen, dass alles aufgeklärt wird", betont Uwe Ehrenfels, kaufmännischer Geschäftsführer. Vor den Messungen habe die Unternehmensführung alle Mitarbeiter informiert, nach gesundheitlichen Beschwerden gefragt und Informationen zu MCS ausgehängt.

Die Analyseergebnisse werden zeigen, ob eine Sanierung der Produktionsräume nötig ist. Das Gewerbeaufsichtsamt hält dies für äußerst unwahrscheinlich.

Das Fernsehteam dreht eine Reportage über Umweltkrankheiten, bei der auch die soziologischen Aspekte von Umweltkrankheiten behandelt werden sollen. "Peter Röder ist bereit, als Betroffener vor die Kamera zu treten, das ist selten", erklärt ZDF-Redakteurin Christiane Götz-Sobel. Ein Sendetermin steht noch nicht fest.

 
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