Wie wichtig Photovoltaikanlagen für die Engergiewende in Deutschland sind, steht außer Frage. Vortrefflich streiten kann man jedoch über den perfekten Standort einer Anlage. Am Bischborner Hof, der großen Lichtung an der B 26 zwischen Rechtenbach, Neuhütten und Rothenbuch mitten im Naturpark Spessart, befindet sich laut Michael Stenger ein hervorragender Ort für ein Solarfeld. "Wir haben hier ein kleine Anhöhe, kaum Schatten, und können ganz in der Nähe den Strom in das Netz einspeisen", erklärt der Krommenthaler Unternehmer, der hier eine Anlagen bauen und betreiben möchte. Laut Stenger könnte die Anlage umweltfreundlichen Strom für bis zu 5500 Personen liefern.
Die Gemeinde Neuhütten und die Eigentümer des Grundstücks hat Stenger schon auf seiner Seite. "Alle standen dem Projekt sehr wohlwollend gegenüber", sagt er im Gespräch mit dieser Redaktion. Die Anlage soll etwa 40 Prozent der Wiese nördlich der Bundesstraße einnehmen und am östlichen Waldrand beginnen. Die Paneele wären dann leicht in Richtung der Gaststätte Bischborner Hof geneigt. Nach Angaben des Bayerischen Energieatlas' bekommt das Grundstück im Schnitt 1500 Stunden Sonne im Jahr.
Eine Solaranlage in einem Landschaftsschutzgebiet zu errichten, ist jedoch nicht ohne weiteres möglich: Eine Gemeinde muss dafür zunächst einen Antrag beim Landratsamt stellen, um Flächen aus dem Naturpark herauszunehmen. Der Antrag wird dann nach Gesichtspunkten des Naturschutzes geprüft wird. Dazu werden auch sogenannte Träger öffentlicher Belange angehört – in diesem Fall zum Beispiel der Naturpark Spessart.
Wiese trägt zur Erholungswirkung im Naturpark bei
Dr. Oliver Kaiser, Biologe und Geschäftsführer des Naturparks Spessart, steht dem Vorhaben skeptisch gegenüber. Er sieht in dieser "Rodungsinsel" am Bischborner Hof eine Besonderheit des Spessarts, die es zu schützen gilt. "Man muss sich mal vorstellen, wie das früher für einen Reisenden war", sagt Kaiser. "Kilometerlang führte die Straße durch den dichten, dunklen Wald, und dann war da plötzlich die Lichtung, an der man aufatmen konnte und wusste, man ist bald in Lohr angekommen." Auf diese Weise trage die Insel auch heute noch zur Erholungswirkung des Naturparks bei.
"Die Kommunen sind seit Jahren eingeschränkt durch die Bestimmungen des Naturparks", so Kaiser weiter. "Diese Bemühungen sollten wir jetzt nicht für das schnelle Geld einer Solaranlage opfern."
Auch Hartwig Brönner vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) hat Bedenken: "Die Wiese am Bischborner Hof ist eine Mähwiese, wie wir sie uns wünschen", sagt er. Als eine der wenigen freien Flächen in dem Waldgebiet biete sie Lebensraum für viele Arten, die am Waldrand leben. Milane und Bussarde etwa fänden hier einen wichtigen Nahrungsraum.
Spessartbund: Weitere Projekte könnten folgen
Wolfgang Beyer, Vorstandssprecher des Spessartbunds, fürchtet, dass ein Solarpark am Bischborner Hof ein Präzedenzfall werden könnten: "Wenn wir jetzt anfangen, den Naturpark in kleine Stücke zu brechen, könnte das den Weg für andere Projekte ebnen."
Tatsächlich plant Stenger auch im Raum Mittelsinn eine Photovoltaikanlage im Bereich des Naturparks. Auch hier hat die Gemeinde schon zugestimmt. Nach ersten Einschätzungen könnte es hier jedoch weniger problematisch sein, Flächen aus dem Naturpark herauszulösen – denn es handelt sich um Christbaumflächen, die als vorbelastet und weniger wertvoll für die Natur gelten.
Investor will Schaden für die Umwelt minimieren
Stenger betont, dass ihm die Umwelt auf keinen Fall egal sei. "Der Eingriff in die Natur wird so gering wie möglich gehalten", versichert er. Das sei zum Beispiel der Grund, warum er nur einen Teil der Wiese bebauen will: Um mehr Strom ins Netz einspeisen zu können, müsse man bis zum Umspannwerk in Lohr graben – "das will ich auf keinen Fall", sagt Stenger.
Auch lasse sich die ganze Anlage nach Ende der Laufzeit leicht wieder zurückbauen, denn die Module sollen ohne Betonfundament oder ähnliches direkt im Boden verankert werden. "Wir planen die Fläche in enger Zusammenarbeit mit den Fachbehörden zum Beispiel mit Insektenhotels, Totholzbereichen, Blühwiesen, passendem Sichtschutz und Infotafeln aufzuwerten", erklärt Stenger.
Das Gebiet am Bischborner Hof könnte möglicherweise Förderung vom Freistaat erhalten: Nach Definition der EU gilt der Bereich im Nord-Westen des Landkreises als "landwirtschaftlich benachteiligt", das heißt, hier droht aufgrund ungünstiger Bedingungen die Aufgabe der Landwirtschaft. 200 solcher Projekt werden jedes Jahr gefördert – als "benachteiligt" ausgewiesen sind sehr große Teile des Freistaats.
Wichtigkeit von Photovoltaik in unumstritten
Grundsätzlich sprechen sich auch die Vertreter von Spessartbund, LBV und Naturpark für erneuerbare Energie aus Photovoltaik aus. "Dass wir uns bei der Stromversorgung anders aufstellen müssen, das ist klar", so Oliver Kaiser. Statt Solaranlagen auf Freiflächen würde er sich jedoch zum Beispiel mehr Solarmodule auf Hausdächern wünschen, oder dass sich ganze Orte entschließen, zu "Solardörfern" zu werden.
Ob die Grenzen des Naturparks zu Gunsten der Photovoltaikanlage geändert werden, das muss schließlich der Kreistag entscheiden. Je nach "Wertigkeit" der Fläche für den Naturschutz müssen dann Ausgleichsflächen bereitgestellt werden.
https://www.pv-magazine.de/2020/07/02/bayern-will-oekologische-ausgleichsmassnahmen-kuenftig-innerhalb-der-photovoltaik-freiflaechenanlagen-ermoeglichen/