
Ein tragischer Todesfall in einem Seniorenheim in Main-Spessart während der Coronazeit ist am Dienstag vor dem Amtsgericht Gemünden verhandelt worden. Der Fall wirft auch ein Schlaglicht auf die Personalnot in Pflegeheimen. Im Juli 2020 war ein damals 78-Jähriger, der nach einem Schlaganfall Schluckstörungen hatte, an seinem Essen erstickt. Eigentlich hätte er beim Essen durchgehend beaufsichtigt werden müssen. Eine 59-jährige Altenpflegerin, die in jener Nachtschicht für neun bis zehn Bewohner zuständig gewesen war, wurde vom Gericht wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Richter Sven Krischker sagte verständnisvoll zu ihr: "Es hätte jedem anderen auch passieren können."
"Eine durchgehende Überwachung wäre nicht möglich gewesen", argumentierte die Verteidigerin. Die Angeklagte habe die Entscheidung, nicht durchgehend bei dem 78-Jährigen zu bleiben, sondern lediglich regelmäßig zu kontrollieren, gemeinsam mit dem Heimleiter getroffen. Obwohl der PCR-Test negativ war, durfte der neue Bewohner aus Infektionsschutzgründen nicht im Speisesaal bei den anderen Heimbewohnern sitzen, sagte die Angeklagte. Unterstützung von anderen Stationen sei bei der dünnen Personaldecke nicht möglich gewesen. Sie fand den Mann in bewusstlosem Zustand, entfernte Speisereste aus seinem Mund, aber eine Reanimierung durch den Rettungsdienst blieb erfolglos.
Verdickungsmittel hätten die Angehörigen selbst besorgen müssen
Offenbar erst einen Tag vor dem Vorfall war der 78-Jährige vom Klinikum Main-Spessart zur Kurzzeitpflege an das Altenheim übergeben worden. Wegen Schluckbeschwerden und Erstickungsgefahr durfte er nur zerkleinertes Essen und angedickte Flüssigkeiten zu sich nehmen, und das unter Aufsicht. Es gab zerkleinerten Toast mit Leberwurst. Das Getränk jedoch war nicht angedickt. Das Verdickungsmittel, so die Verteidigerin, sei damals nicht vorrätig gewesen im Heim. In solchen Fällen müssten Angehörige es besorgen. Allerdings sei die Ehefrau der Meinung gewesen, es sei zu verantworten, es wegzulassen. Er habe sich zuletzt nicht verschluckt und selbstständig essen können. (Anmerkung: Diesen beiden Aussagen widersprach die Ehefrau des Verstorbenen nach Veröffentlichung des Artikels im Gespräch mit der Redaktion).
Eine anwesende Pflegesachverständige nannte dies "russisches Roulette". Es könne bei einem Patienten mit Verschluckungsgefahr tausend Mal gutgehen, aber irgendwann verschlucke er sich dann doch. "Und dann hat eine Pflegekraft den Schwarzen Peter gezogen." Bei diesen Worten brach die Angeklagte, der es sichtlich leid tat, in Tränen aus. Wenn ein Patient eine sogenannte Aspirationsgefahr habe, müsse laut Pflegerichtlinien eine Pflegekraft bei der Nahrungsaufnahme dabei sein, so die Gutachterin. Sie war der Meinung, dass dies im Überleitungsbogen des Klinikums an das Heim deutlicher hätte stehen müssen. Dass eine Dauerüberwachung "generell gar nicht gestemmt werden kann" bei der dünnen Personaldecke in der Altenpflege, schütze nicht davor, wie es ordnungsgemäß zu sein hat.
Richter: durchgehende Aufsicht in "chronisch unterbesetzten" Pflegeheimen schwierig
Die Staatsanwältin forderte eine Strafe von 110 Tagessätzen à 90 Euro. Richter Krischker entschied auf 70 Tagessätze zu je 80 Euro. Er sah bei der Angeklagten ein geringes Verschulden. Seniorenheime seien "chronisch unterbesetzt", eine durchgehende Aufsicht schwierig. Zudem sei der Übergabebericht nicht optimal gewesen, vor allem das fehlende Kreuz bei "Aspirationsgefahr" bemängelte er. Die sei nur aus dem Arztbrief hervorgegangen.
Inzwischen hat die 59-Jährige, die auf dem zweiten Bildungsweg zur Altenpflege kam, den Beruf gewechselt.
Nicht in meinem Namen und viele andere werden mir da zustimmen!
Ein "Bauernopfer" in meinen Augen..Wo ist die Anklage gegen die Heimleitung?
Man wusste von der Unterbesetzung und lässt die Mitarbeiter sprichwörtlich im Regen stehen..toller Arbeitgeber..
Was sollte sie in den Augen des Gerichts tun..den einzelnen nahtlos beaufsichtigen und den Rest im Speisesaal alleine lassen..Was wäre gewesen wen es dann dort zu einem Vorfall gekommen wäre?
Hätten da nicht mehrere Personen auf die Anklagebank gehört..Nein, man pickt sich den Schwächsten in der Kette raus..und das Strafmaß ein Schlag ins Gesicht eines jeden Pflegers..und es trägt bestimmt nicht dazu bei Leute zu motivieren diesen Beruf zu ergreifen..
Die einzig richtige Entscheidung der Pflegerin..Beruf wechseln..Man steht ja sowieso permanent mit einem Bein im Gefängnis..wahrscheinlich wachen wir erst auf wen jeder seine Angehörigen selbst pflegen muss !!!
Dieses Urteil ist doch ein schlechter Scherz.
Wer soll diesen Beruf noch ausführen, wenn er man dort für Dinge verurteilt wird, die außerhalb des eigenen Einflussbereichs stehen?
Wer soll sich das antun?
Hier wird eine Altenpflegerin für eine Spirale von Missständen in ihrem Dienst
verantwortlich gemacht:
Pat ( Neuzugang) mit Schluckstörungen beim Essen, mit durchgehender Beaufsichtigung
wegen Personalnot nicht durchführbar
Kontrollen beim Essen des Pat. waren mit Heimleiter abgesprochen.
Verdickungsmittel war nicht vorrätig, wurde auch nicht besorgt.
Überleitungsbogen und Arztbrief unbefriedigend dokumentiert.
Ich sehe hier keinen Anlass für eine Strafe
und für eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung schon gar nicht.
Die Tagessätze sollte bezahlen,der für die Missstände verantwortlich ist, aber nicht
die Altenpflegerin die in dieser Nacht dem "russisch Roulette" ausgeliefert war!
Genau das ist doch das Problem während das Personal Berichte schreibt fehlt diese Zeit bei den Patienten!