
Besonders ein tief sitzender Kanaldeckel in der Schaippacher Ortsdurchfahrt erregt den Groll von Erhard Wiltschko. Der Stadtrat aus Schaippach sagt, bei jedem Drüberfahren gebe es einen Schlag, den er 100 Meter weiter bei geschlossenen Fenstern in seiner Küche höre. Bei leeren Lkw sei es am schlimmsten. Wiltschko nennt Lärm und Verkehrsbelastung in Schaippach "katastrophal". Die Straße ist zudem offensichtlich zigmal geflickt, die Bordsteine teils kaputt. Die baldige Sanierung der Ortsdurchfahrt ist das eine, was er gemeinsam mit Mitstreiter Werner Müller erreichen will, das andere und Wesentlichere ist jedoch der Bau der Schaippacher Ortsumgehung. Gerne so bald wie möglich.
Die Umgehung Schaippach steht seit über 20 Jahren auf der ersten Dringlichkeitsstufe im bayerischen Straßenausbauprogramm. Schon 2012 wurde der Entwurf für den Verlauf der 2,9 Kilometer langen Strecke im Stadtrat vorgestellt. Damals gab es die Hoffnung, dass die Umfahrung womöglich gar schon 2015 gebaut werden könnte. Sie soll zeitlich nach der Umgehung Hafenlohr kommen, an der momentan gearbeitet wird. Demnach soll die geplante Schaippacher Umgehung am Ortsausgang Richtung Rieneck ansetzen und dann an der Bahnstrecke entlang bis an den Kreisel an der Möbel Berta gehen – zweimal über die Sinn, unter der ICE-Brücke durch und vor allem um den Zollberg herum. Aktuelle Stellungnahmen aus dem bayerischen Verkehrsministerium und dem Staatlichen Bauamt Würzburg säen jedoch Zweifel, ob Schaippach weiterhin die bisherige Dringlichkeit behält.
Vom bayerischen Verkehrsminister baldiger Bau der Umgehung gefordert
Wiltschko und Müller haben Anfang September in einem Schreiben an den bayerischen Verkehrsminister Christian Bernreiter "einen Bauvollzug spätestens für das Jahr 2026" gefordert, aber noch keine Antwort erhalten. Ein Gesprächsangebot von Peter Weywadel, dem Leiter "Gebietsreferat Ober-, Mittel- und Unterfranken" in der Abteilung "Straßen- und Brückenbau" des Ministeriums lehnten Wiltschko und Müller ab. Weywadel war, ehe er ans Ministerium wechselte, Baudirektor beim Staatlichen Bauamt in Würzburg, als die Schaippacher Umgehung geplant wurde. Aber, so Wiltschko und Müller: "Der Stand genügt uns nicht, den kennen wir."
"Das ist gut, dass die Wallung machen", sagt der in Schaippach wohnende Bundestagsabgeordnete Bernd Rützel (SPD) auf Anfrage, "das mache ich auch dauernd. Da müssen wir dranbleiben." Die 7500 Fahrzeuge am Tag seien eine große Belastung, vor allem die vielen Laster. Vom Staatlichen Bauamt heiße es auf seine Anfrage immer "keine Planungskapazität" und "alles gebunden bei der B26n". Rützel: "Da ist nix passiert." Der Bau werde immer weiter aufgeschoben. Er höre seit sechs, sieben Jahren, das Staatliche Bauamt habe keine Planungskapazität, langsam fehle ihm dafür das Verständnis.
Schaippach leidet unter dem vielen Verkehr

Gemündens Bürgermeister Jürgen Lippert hat versprochen, einen Vertreter des Staatlichen Bauamts nach Gemünden einzuladen, aber darauf möchten Wiltschko und Müller nicht warten. Wiltschko: "Ich sehe nicht ein, dass das stockt und steht." Viele würden ihre Kinder in die Schule fahren, weil ihnen die Ortsdurchfahrt zu gefährlich ist. Rützel zufolge gehe es ohne Schülerlotsen bei 7500 Fahrzeugen, darunter viele Lastwagen, nicht. Der Zollberg mit seiner schmalen Straße sei wirklich ein Problem, nicht nur bei Eis und Schnee. Wenn einem in der Kurve ein Lkw mit Sattelauflieger entgegenkomme, "da kriegen Sie Angst", sagt Rützel.
Aus Wiltschkos Sicht unternimmt die Stadt Gemünden zu wenig dafür, dass es mit dem Bau der Umgehung Schaippach vorangeht. Zweiter Bürgermeister Werner Herrbach, der die Tage Lippert vertrat, sagt hingegen: "Das hängt nicht unbedingt an der Stadt, sondern am Straßenbauamt." Auch er nennt Personalprobleme und -wechsel beim Bauamt. "Du kannst nur immer nachfragen, aber wenn sie keine Zeit haben, was zu machen, ist man als Kommune hilflos."
Problem: Schaippacher Ortsdurchfahrt muss saniert werden, bevor Umgehung kommt
Und Herrbach verweist auf ein weiteres Problem, das auch Wiltschko und Müller auf dem Schirm haben. Die Ortsdurchfahrt Schaippach muss vor dem Bau der Umgehung saniert werden, sonst trage die Kommune die Kosten allein, weil die Hauptstraße, die derzeit Staatsstraße ist, sonst als gemeindeeigene Straße eingestuft würde. "Der Freistaat", so Herrbach, "soll die Staatsstraße herrichten, bevor wir sie übernehmen."
Das Staatliche Bauamt Würzburg teilt auf Anfrage mit, dass es die Ortsumgehung Schaippach entsprechend der Prioritätenreihenfolge (erst Rieneck, dann Hafenlohr, dann Schaippach, danach Neustadt) bearbeitet. Die notwendige Überarbeitung des Vorentwurfs und die anschließende Vorbereitung eines Planfeststellungsverfahrens "musste jedoch zu Gunsten prioritärer Projekte zurückgestellt werden". Auf angebliche Personalengpässe geht die Behörde nicht ein. Die Ortsdurchfahrt werde unabhängig von der Ortsumfahrung geplant. In einer der nächsten Stadtratssitzungen wolle das Staatliche Bauamt einen Sachstandsbericht vorstellen.
Allerdings, das hat Bürgermeister Lippert mehrfach deutlich gemacht, ist die Sanierung der Ortsdurchfahrt recht komplex. Denn im Zuge der Erneuerung der Ortsdurchfahrt unter Federführung der Stadt und des Kommunalunternehmens Stadtwerke (KU) sollen auch die Wasserleitung, der Kanal, die Stromleitung und die Straßenbeleuchtung erneuert werden. Seit 2021 warte er auf die Erneuerung, sagt Wiltschko. Aus seiner Sicht wird die Ortsdurchfahrt zwischen der Stadt, dem Staatlichen Bauamt und dem KU "hin und her geschoben".
Ortsumgehung Schaippach wird derzeit neu bewertet
Auf Anfrage dieser Redaktion heißt es aus Bernreiters Haus, dem Ministerium für Wohnen, Bau und Verkehr: "Die Forderung, die Ortsumgehung Schaippach spätestens 2026 zu bauen, ist nicht realistisch, weil dafür die planerischen und rechtlichen Voraussetzungen fehlen." Aufhorchen lässt folgende Aussage: "Das Projekt wird im Rahmen der derzeit laufenden Weiterführung des Ausbauplans neu bewertet." Das Staatliche Bauamt teilt dazu genauer mit: "Dafür wurden in einem zweistufigen Bewertungsverfahren die Wirtschaftlichkeit über einen Nutzen-Kosten-Vergleich sowie die Auswirkungen auf die Anwohner, Umwelt, Raum und Verkehr untersucht. Die Ergebnisse dieser Bewertung bleiben bis zur Veröffentlichung des zukünftigen Ausbauplanes abzuwarten."
Wiltschko und Müller verspricht das Ministerium eine Antwort auf ihr Schreiben. Stadtrat Wiltschko will sich einstweilen für Tempo 30 in der Ortsdurchfahrt einsetzen.