
Es sei Zufall gewesen, dass 19 Hunde, mehrere Katzen, Vögel und Nager vor zwei Wochen von der Polizei und dem Veterinäramt aus einem Haushalt im Raum Karlstadt genommen und in die Tierheime nach Lohr und Würzburg gebracht wurden. Das erzählt ein Anwohner, der die Aktion mitbekommen hat – das sei aufgrund des Lärms kaum zu vermeiden gewesen. Weil die Tür offen gestanden habe, seien die Hunde auf die Straße gerannt und hätten dort einen "Höllenlarm" verursacht, wie es auch im Polizeibericht hieß. Daraufhin hätten Nachbarn die Polizei gerufen, die zusammen mit dem Veterinäramt angerückt ist.
Wären die Hunde nicht aus dem Haus gerannt, wäre wieder nichts passiert – das kritisiert der Anwohner, der nicht namentlich genannt werden möchte. In dem Ort sei die Tierhalterin bekannt. Alle wüssten, dass die Tiere dort nicht artgerecht gehalten würden, dass die Wohnung verschmutzt und die Besitzerin überfordert sei. Anwohner haben deshalb bereits mehrmals auf die Situation hingewiesen und den Haushalt beim Veterinäramt angezeigt. Doch passiert sei nie etwas.
Die 19 Hunde hat das Würzburger Tierheim aufgenommen, da in der Einrichtung in Lohr die Kapazitäten nicht für alle Tiere ausreichten. Tierpfleger und Pressesprecher des Würzburger Tierheims Maxim Iochim berichtet: "Es handelt sich um 19 Spitze in allen Größen und Farben. Drei davon waren erst zehn Tage alte Welpen." Die Hunde wurden laut dem Tierpfleger ärztlich durchgecheckt, gebadet und entwurmt. Die älteste Hündin ist laut Iochim 16 Jahre alt und hat mehrere Tumore, die operiert werden müssen. Auch andere Tiere hatten Verletzungen.
Landratsamt verweist auf die "Verhältnismäßigkeit"
Im Landratsamt Main-Spessart sind die Vorwürfe gegen die Tierhalterin bekannt. Pressesprecherin Andrea Stiel erklärt, dass es immer erst der letzte Schritt sei, Tiere dem Besitzer oder der Besitzerin wegzunehmen. Das Amt werde zwar auch schon vorher aktiv, man müsse aber die "Verhältnismäßigkeit wahren". Außerdem seien Kontrollen immer Momentaufnahmen. Diese finden laut Stiel jedoch durchaus auch unangemeldet und mehrmals statt. Bei den Besuchen vor Ort hätten die Vertreter des Veterinäramtes nichts gefunden, was das Wegnehmen der Tiere gerechtfertigt hätte.
Auch vor Gericht ist die Tierhalterin keine Unbekannte. 2019 verhängte das Amtsgericht Gemünden ein Tierhalteverbot von zwei Jahren gegen sie, weil ein Katzenbaby in derart schlechtem Zustand war, dass es eingeschläfert werden musste. Die Frau legte Revision gegen das Urteil des Amtsgerichts Gemünden ein, sagte die Termine für die Revisionsverhandlung jedoch mehrmals kurzfristig ab. Das berichtet ein Anwohner, der als Zeuge zu der Verhandlung geladen war und vom Gericht immer wieder über die Terminverschiebungen informiert wurde. Irgendwann sei das Verfahren eingestellt worden.
Staatsanwaltschaft: Angeklagte war "verhandlungsunfähig"
Die Würzburger Staatsanwaltschaft bestätigt das. "Gegen das Urteil wurde sowohl von Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung Berufung eingelegt", teilt Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach mit. Dann sei die Angeklagte jedoch "für geraume Zeit verhandlungsunfähig" gewesen. Da die Frau gleichzeitig in einer anderen Sache verurteilt wurde, habe die Staatsanwaltschaft das Verfahren im November 2021 eingestellt. Dabei wurde die Angeklagte laut Seebach wegen Anordnung oder Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe verurteilt.
Das Würzburger Tierheim konnte inzwischen fünf Hunde an das Aschaffenburger Tierheim abgeben, die restlichen bleiben in Würzburg. "Wir können die Spitze vermutlich in circa zwei Wochen an neue Besitzer vermitteln", erklärt Tierpfleger Maxim Iochim. Neben der körperlichen Pflege müssten die Tiere auch psychisch erst einmal mit der neuen Situation zurechtkommen. Auch für das Tierheim ist so ein Fall von "Animal Hoarding", also dem krankhaften Horten von Tieren, eine Ausnahmesituation: "So etwas kommt circa zwei Mal im Jahr vor. Bei Hunden hatten wir das aber schon lang nicht mehr", erklärt Iochim. Meist seien es eher Katzen oder Kleintiere.
Und nichts ist passiert....