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Eußenheim
Anekdoten zur Schließung der Bäckerei Rudolph: Flitzer in der Filiale, Lehrlings-Streiche und der Eußenheimer Beatabend
Es herrscht noch reges Treiben in der Backstube in Eußenheim, doch nach dem 10. September bleibt der Backofen aus. Die Familie blickt zurück und erinnert sich an viele schöne Momente.
Mit 'einem lachenden und einem weinenden Auge' blicken Thomas Rudolph (links), seine Lebensgefährtin Susanne Schnabel und Vater Herbert Rudolph auf die Schließung ihrer Bäckerei-Filialen am 10. September.
Foto: Nicole Schmidt | Mit "einem lachenden und einem weinenden Auge" blicken Thomas Rudolph (links), seine Lebensgefährtin Susanne Schnabel und Vater Herbert Rudolph auf die Schließung ihrer Bäckerei-Filialen am 10. September.
Nicole Schmidt
 |  aktualisiert: 08.02.2024 14:33 Uhr

Wer den Verkaufsraum der Familienbäckerei Rudolph in Eußenheim betritt, nimmt direkt den intensiven Geruch nach Gebäck, Kuchen und frischgebackenem Brot wahr. "Den Duft werde ich vermissen", gesteht Susanne Schnabel, die Lebensgefährtin von Thomas Rudolph, der den Betrieb 1995 von seinen Eltern übernommen und mittlerweile Chef von sechs Filialen rund um Karlstadt ist. Dass Thomas in die Fußstapfen seines Vaters tritt, war eine freie Entscheidung und für ihn eine Herzenssache. 

Dieses Lebenswerk nun aufzugeben, fällt dem Paar und auch Herbert Rudolph schwer. Derzeit lenke sie noch die Abwicklung der Übergabe der Geschäftsfiliale ab, trotzdem blickten sie dem letzten Öffnungstag am 10. September mit "einem lachenden und weinenden Auge" entgegen. Einerseits seien sie froh, dass sie nun weniger Stress haben, andererseits befindet sich die Bäckerei, die 1908 ihre Türen öffnete, in vierter Generation und hätte bald ihr 115-jähriges Jubiläum gefeiert. 

Viele Anekdoten haben sich über die Zeit gesammelt

In einem persönlichen Fotoalbum hat die Familie die Geschichte der Familienbäckerei festgehalten. Auf einem Foto (rechts) ist die Schablone für den Neubau zu sehen. 
Foto: Nicole Schmidt | In einem persönlichen Fotoalbum hat die Familie die Geschichte der Familienbäckerei festgehalten. Auf einem Foto (rechts) ist die Schablone für den Neubau zu sehen. 

Die Geschichte der Filiale in der unteren Berggasse in Eußenheim beginnt mit einem ungewöhnlichen Umzug im Jahr 1988: "Als wir neu gebaut haben, mussten wir eine Schablone für den Giebel ans alte Bäckereigebäude stellen, damit die Gemeinderäte sich vorstellen können, wie hoch der Neubau wird." Und seine Lebensgefährtin fügt an: "Es gab Bedenken, dass man die Kirche nicht mehr sieht, aber die ist ja oben am Berg." Rudolph Senior machten damals eher die hohen Kosten der Schablone – 1500 Mark – zu schaffen. "Das war teuer, aber der Bürgermeist hat gesagt, 'rechnen sie es auf, in der Schweiz ist ein solches Vorgehen ganz normal'."

Während des Gespräches stellen die Beteiligten schmunzeln fest: Viele lustige Momente ereigneten sich an Fasching oder nach dem Eußenheimer Beatabend. "Nacht nach der Veranstaltung ging es zum Bäcker zum Einkaufen. Das war eine Tradition", berichtet Susanne, die nach ihrer Ausbildung zur Zahnarzthelferin im Verkauf und Büro unterstützte. Viele Ortsansässige kletterten übers Tor oder trommelten an die Scheibe, damit die Familie die Bäckerei öffne. "Sie sind um vier Uhr gekommen und waren bis Samstagmittag da, haben gegessen und Kaffee getrunken und machten etwas Rambazamba", erinnert sich ihr Lebensgefährte, der in der Backstube groß geworden ist. 

Andere Anekdoten lassen sich schneller erzählen: Mittwochs habe sein Vater Herbert immer  vergessen Salz, in die Brötchen zu geben, weil an diesem Abend Kartenabend war. Neue Lehrlinge wurden am ersten Arbeitstag gerne Mal zum Kollegen geschickt, um einen "Sack Schwaden" zu holen. "Der Sack wird dann mit etwas Schwerem vollgemacht, muss von A nach B geschleppt werden und man lacht, weil Schwaden meint Wasserdampf im Ofen", erzählt der Bäckersohn mit einem Lachen im Gesicht. "Der Lehrling weiß ja nicht, was es ist." Ungeachtet des Streiches, werde der Wasserdampf, erklärt sein Vater, zum Aufgehen benötigt, damit die Brotkruste nicht so hart wird und das Gebäck gären kann. 

Über einen Flitzer und ein Auto im Verkaufsraum

Die kuriosesten Momente erlebte die Familie, für die ein enger Kontakt zu ihren Mitarbeitenden und den Menschen im Dorf immer wichtig war, im Verkaufsraum. "Einen Flitzer in der Filiale in Karlstadt am Pavillon hatten wir auch mal gehabt", erinnert sich Thomas Rudolph und überlasst das Erzählen der Geschichte dann seiner Lebensgefährtin. Zunächst dachte die Mitarbeiterin, dass die Person komplett in beige gekleidet sei, führt diese aus, doch dann waren es nur Tennissocken und Birkenstock. "Der Kunde war ganz normal, hat nicht gelacht und wollte eine große Stolle", die sich die Mitarbeiterin dann vors Gesichts gehalten hätte. In diesem Moment habe die Angestellte laut Susanne Schnabel lediglich Hallo, Bitteschön und Auf Wiedersehen gesagt, weil sie so perplex gewesen sei. 

"Der Flitzer war ganz normal, hat nicht gelacht und wollte eine große Stolle."
Susanne Schnabel, Lebensgefährtin von Thomas Rudolph

Gefährlicher wurde es da schon, als Thomas Rudolph einmal ein Auto in seinem Verkaufsraum vorfand. Laut eigenen Angaben wurde er "durch einen dumpfen Schlag aus dem Bett geholt" und stellte dann entsetzt fest, dass ein Auto in den Laden gefahren war. "Die Schnauze reichte bis an die Theke." Seine Frau beruhigte er in dieser Situation mit der Aussage, dass nichts passiert sei und sie weiterschlafen solle.

Die Anzahl an kleinen Bäckereien nimmt weiter ab

Die derzeitige Veränderung innerhalb der Branche sehen vor allem Thomas und Herbert Rudolph, die beide über 40 Jahre in der Backstube verbrachten, kritisch. Denn während die Bäckereien immer größer wurden, nahm die Anzahl an kleinen Familienbäckereien stark ab. "Damals gab es elf backende Betriebe und die Menschen standen morgens um sechs oder sieben vor der Bäckerei Schlange", erinnert sich Herbert Rudolph an die Situation in den 70ern zurück. Die Bäckerinnung zählte allein für Karlstadt 65 Betriebe, heute, schätzt Thomas Rudolph gebe es höchstens 25 bis 30 Betriebe in ganz Main-Spessart. 

"Damals gab es elf backende Betriebe und die Menschen standen morgens um sechs oder sieben vor der Bäckerei Schlange."
Herbert Rudolph über die Entwicklung des Bäckereihandwerks

Eine Entwicklung, die der aktuelle Bäckereiinhaber auf das zunehmende Angebot von Backwaren in Discountern und Supermärkten zurückführt, die günstigere Preise als kleine Bäckereien bieten können. "Umso größer, umso mehr mechanisiert, umso mehr Output, umso weniger Personal, umso rentabler", fasst der Bäckerei-Inhaber zusammen. Daneben haben sich auch die Kundenwünsche verändert: "Brot ist weniger geworden" resümiert Thomas Rudolph. In der Folge werde der Umsatz heute durch süße Teilchen, die im Café konsumiert werden und nicht mehr durch Brot, generiert. 

Dazu kommen Personalmangel, die aktuellen Krisen und ein fehlender Nachfolger, doch auch die Inflation und die daraus resultierenden Preissteigerungen, hätten zu ihrer Entscheidung, die Bäckerei zu schließen, beigetragen. 

Bauernhof Wolf übernimmt die Backstube in Eußenheim

Wenigstens die Arbeit selbst, die zwar laut Thomas Rudolph immer noch körperlich anstrengend sei, sei "durch die Mechanisierung einfacher geworden und die größeren Betriebe versuchen auch immer mehr Arbeit auf den Tag zu legen, um Personal zu gewinnen." 

Ab Oktober übernimmt die Kette Maxl Bäck die Filialen in Karlstadt und Eußenheim. Die Backstube in Eußenheim wird hingegen vom Bauernhof Wolf weiterbetrieben, die einen Catering-Service anbieten werden. 

 
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