Dass es genau dieses Häuschen werden soll, war Matthias Brasch klar, als er das erste Mal durch das Gartentörchen trat. "Ich hab richtig Gänsehaut bekommen", erzählt der 30-Jährige. Und auch seine Frau Selina bekräftigt. "Ich habe an seinen leuchtenden Augen gemerkt: Das gefällt ihm richtig gut. Da brauche ich eigentlich nichts Gegenteiliges mehr zu sagen", erzählt sie und lacht. Aber auch die 25-Jährige hatte sich spontan in das Anwesen verliebt, vor allem in den Garten.
Mittlerweile wohnt das Paar bereits im zweiten Jahr in dem kleinen, mit Wein bewachsenen Häuschen in der versteckten Gasse im Altort von Karbach. "Das Sträßchen war auch ein Argument für das Haus", sagt Matthias Brasch, der ursprünglich aus Mittelsinn stammt. Schön ruhig, wenig Autos. Das schätzt auch Selina Brasch. "Ich bin auf einem Aussiedlerhof in Urspringen aufgewachsen", erzählt sie.
Schätzungsweise 1816 ist das Gebäude entstanden. Auf der eingeritzten Zahl auf dem Eingangs-Torbogen zum Gewölbekeller sind nur noch die ersten zwei Ziffern richtig gut zu erkennen. Rund 650 Quadratmeter hat das komplette Grundstück. 200 Quadratmeter davon sind bebaut mit dem Wohnhaus sowie Nebengebäuden.
Dass es sich um ein Fachwerkhäuschen handelt, erkennt man nicht direkt, denn das alte Fachwerk ist hinter Putz versteckt. Allerdings ist es für die Bewohner spürbar. Denn der Lehm ist löchrig und lässt es vor allem im Winter durch seine Ritzen ordentlich ziehen. Das Paar möchte das alte Fachwerk aber erhalten. "Unser Plan ist, den Putz runter zu machen und dann eine Dämmung drauf", erzählt Matthias Brasch. Dann will er das Haus außen mit Holz verkleiden – schließlich ist er Zimmermann und Holz sein Metier.
Dass erklärt auch, dass er bisher fast alle Arbeiten in Eigenregie gemacht hat – und das innerhalb kürzester Zeit. Nachdem der Kaufvertrag unterschrieben war, kam das Ehepaar vier Wochen lang jeden Tag nach der Arbeit her, um zu werkeln. "Wir haben immer von 17 bis 22 Uhr gemacht", erzählt Selina Brasch. Dann hatten sie drei Wochen Urlaub. "Am letzten Wochenende davon wollten wir umziehen", so das Paar.
Krumme Balken und steile Treppen
Ein sportlicher Plan, denn die Tücken des alten Hauses zeigten sich schnell. "Mir sind schon beim ersten Besichtigungstermin die Decken aufgefallen und dass sich die Balken an einigen Stellen durchbiegen", so Matthias Brasch. Beim Öffnen der Decke zeigte sich, dass diese an einigen Stellen feucht und faulig waren.
Auch beim Erneuern des Fliesenbodens im Flur erlebten sie eine Überraschung. Darunter kam der pure Erdboden zum Vorschein. Die steile Holztreppe hinauf ins Obergeschoss wollten sie eigentlich so lassen. Nachdem Selina Brasch aber auf den 20 Zentimeter schmalen Stufen schon einmal gefährlich abgerutscht war, entschieden sie doch, auch hier eine neue Treppe zu bauen. Im Wohn- und Esszimmer zeigte sich schnell: Mit zwei Steckdosen insgesamt kommt man nicht weit. Hier muss die Elektrik neu verlegt werden.
Durch diese Überraschungsmomente wurde das Projekt "Haus-Sanierung" teils schwer zu kalkulieren. "Da denkst du: Heute mache ich bis abends dies und jenes fertig – denkste", beschreibt Matthias Brasch, wie sein Zeitplan immer wieder durchkreuzt wurde. Zu Gute kam ihm, dass er auch Maurer- und Fliesenarbeiten selbst machen konnte. "Nur die Elektrik nicht, da haben wir jemand kommen lassen", erzählen sie.
Rund 100 Quadratmeter Fläche haben sie sich mittlerweile hergerichtet. Noch gespart haben sie am Dach. Hier ist irgendwann der Dachstuhl fällig. Wird er gemacht, wollen sie auch das Dach ausbauen. Nachdem sie das Häuschen innen grob hergerichtet hatten, haben sie sich aber erst einmal an den Außenbereich gemacht. Mittlerweile ist das Beet bepflanzt, eine Steinmauer gesetzt und im kleinen Nebengebäude gegenüber piepsen Wachteln. "Wenn die Scheune mal ausgebaut ist, kommt oben eine Bar rein", beschreibt Selina Brasch ihre Zukunftspläne.
Doch erstmal warten noch viele andere Arbeiten auf die beiden, vor allem die Feinheiten, wie Fußbodenleisten, Fenster streichen oder die Treppenverkleidung. "Das schiebe ich gerne vor mir her", entschuldigt Matthias Brasch.
Bereut? Haben sie ihr Wohn-Projekt bisher nicht. "Sicher, alles abzureißen und neu zubauen wäre sicherlich schlauer und günstiger gewesen", sagen sie. Aber genau das hätten sie nicht gewollt. "In dem Haus haben so viele Generationen gelebt, da steckt so viel Geschichte drin." Das einfach verschwinden zu lassen, das hätten sie nicht über das Herz gebracht.
Was sie anderen raten, wenn sie mit dem Kauf eines alten Hauses liebäugeln? Auf jeden Fall sollte man einen Fachmann mit zur Besichtigung nehmen. Eine finanzielle Förderung haben sie bei ihrer Sanierung nicht bekommen – aber auch nicht beantragt, da sie das Meiste in Eigenregie gemacht haben.
Bremse rein: Teures Holz und teure Dämmung
"Was wir gemerkt haben, waren die Preissteigerungen im Bausektor, vor allem bei Holz und Dämmmaterial", erzählt Matthias Brasch. Deswegen hätten sie zwischendurch auch "die Bremse reingehauen" und das Projekt Dachstuhl auf später gelegt. "Dann leg ich im Winter lieber zwei, drei Scheite Holz mehr auf", so der Hausbesitzer.
Im Sommer nun aber genießen sie ihr neues, altes Haus und den Garten – zusammen mit ihren zwei Hunden und drei Katzen, die den Freiraum sichtlich genießen. Und auch mit der Nachbarschaft verstehe man sich gut. "Die Leute sind auch froh, wenn sie sehen, es wird etwas gemacht", erzählt das Pärchen. Und immer wieder bleibe auch jemand am Gartenzaun stehen und erzähle ihnen etwas zum früheren Leben im Haus.