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Main-Spessart
Ärztemangel in MSP: Wohin, wenn die Praxis schließt?
Im ländlichen Raum finden Ärzte immer schwerer einen Nachfolger für ihre Praxen. Wie der Arzt im Idealfall vorgeht und was Patienten tun können, wenn die Praxistür auf einmal zu ist.
In Großstädten ist es für Ärzte normalerweise kein Problem, einen Praxisnachfolger zu finden.  Auf dem Land dagegen müssen neue Ärzte regelrecht angeworben werden, um sich dort niederzulassen.  (Symbolbild)
Foto: Moritz Frankenberg | In Großstädten ist es für Ärzte normalerweise kein Problem, einen Praxisnachfolger zu finden.  Auf dem Land dagegen müssen neue Ärzte regelrecht angeworben werden, um sich dort niederzulassen.  (Symbolbild)
Tabea Goppelt
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:59 Uhr

Was tun, wenn die Arztpraxis plötzlich geschlossen hat – und zwar für immer? Wenn kein Nachfolger da ist, wird die Sache schnell kompliziert. Ein Fall aus Lohr zeigte das kürzlich: Eine Frauenarztpraxis im Ort schloss unvermittelt und ließ Patienten ratlos zurück. Ein großes Thema können dabei die Patientendaten sein, die normalerweise in der Patientenakte gesammelt werden. Wie eine ideale Praxisauf- oder übergabe aussieht und welche Möglichkeiten Patienten haben, erklärt der Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbands Main Spessart, Dr. Karl-Heinz Günther. 

Wie sollte eine ideale Praxisaufgabe oder Praxisübergabe ablaufen?

"Wenn eine Praxis aus irgendwelchen Gründen übergeben wird, dann hat dieser Praxisinhaber in der Regel schon einen Nachfolger", sagt Günther. Besonders Hausärzte könnten immer noch in der Klinik anrufen. Da gebe es Internisten, Chirurgen und vielleicht sogar Anästhesisten, die alle einen Hausarzt machen könnten. "Das war die letzten 50 Jahre immer so, soweit ich das überblicken kann. Jetzt ist es anders", so Günther. Immer weniger junge Ärzte seien bereit, sich mit einer Praxis niederzulassen, vor allem im ländlichen Raum. 

"Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) ist dann letztendlich der Ansprechpartner, wie es weitergeht." Die Frage sei dann: Gibt es eine Warteliste für einen Arzt der Fachrichtung? Wenn nicht, könnten Ärzte unter Kollegen herumfragen oder Kliniken anrufen. "Das ist dem Einfallsreichtum des Arztes überlassen, wie er das dann macht", sagt Günther. Die KV sei aber verantwortlich dafür, dass die Nachfolge geregelt werde. "Wenn kein Nachfolger da ist – die KV kann ja auch keinen zaubern – dann gibt es zwei Möglichkeiten: Der Arzt kümmert sich selbst darum oder er schließt die Tür zu", so Günther.

Wohin kommen die Patientenakten und wie kommen Patienten an ihre Daten?

"In der Regel gehen die ganzen Akten an den Nachfolger über, problemlos. Das ist der normale Vorgang", sagt Günther. Wenn kein Nachfolger da ist, kann der Ärztliche Kreisverband bei der Vermittlung von Kontaktdaten zum vorherigen Arzt behilflich sein. Aber: "Die Akte selbst bekommt man nicht, die verbleibt bei dem jeweiligen Arzt", sagt Günther. Müsse sie auch für zehn Jahre, wegen haftungsrechtlicher Ansprüche. "Der niedergelassene Arzt braucht seine Unterlagen für solche Dinge, falls es Nachfragen gibt."

Nur der Arzt und bei externen Untersuchungen derjenige, der die Untersuchung durchgeführt hat, hätten die Befunde. Kliniken würden Befunde oft nicht nur an den Facharzt, sondern auch an den Hausarzt schicken – wenn die Patienten den Hausarzt angeben. Im Zweifelsfall könne man daher auch einmal beim Hausarzt nachfragen. Befunde von anderen niedergelassenen Ärzten würden in der Regel nur an den einweisenden Arzt geschickt, nicht automatisch auch an den Hausarzt.

Es gebe auch Patienten, die immer gleich ihre Befunde verlangen. "Die sagen das dem Arzt und dann macht der das", sagt Günther. Früher sei es überhaupt nicht üblich gewesen, das an Patienten herauszugeben. "Aber der Patient hat das Recht, Kopien zu verlangen von all seinen Befunden", so Günther.

Wem gehört die Patientenakte?

„Das ist Eigentum des Arztes", sagt Günther. Nach zehn Jahren könne der Arzt sie vernichten oder er könne sie auch direkt an den Nachfolger übergeben. "Da gibt es dann extra Verträge, dass der Nachfolger sie übernimmt, aber nicht haftet“, so Günther. Wenn ein Patient sich selbst den neuen Arzt heraussuchen wolle, müsste der neue Arzt das mit dem vorherigen ausmachen. Der Vorgänger könne die Akte dann komplett herausgeben oder auch sagen, dass er das nicht mache. Dann könnten einzelne Befunde erfragt werden. Die Krankenkassen dagegen hätten überhaupt keine solchen Patientendaten: "Die haben nur die Rechnungen", sagt Günther.

Wofür könnten Patienten ihre Akte brauchen?

Bei normalen Routineuntersuchungen seien die Befunde aus der Patientenakte relativ uninteressant. Deswegen wolle bei Praxisaufgaben von Hausärzten normalerweise auch keiner Vorbefunde. Gerade bei Frauenärzten sei das wegen der vielen Vorsorgeuntersuchungen anders. Zum Beispiel bei Chemotherapien oder Mammographien brauche es die Vorbefunde zum Vergleich. "Wenn ich eine Mammographie habe, dann muss ich einen Vorbefund haben. Sonst macht die ganze Mammographie keinen Sinn. Nur im Vergleich mit der Voruntersuchung kann ich das beurteilen", sagt Günther.

Wie finden Main-Spesssarter Patienten am besten einen neuen Arzt?

Zuerst einmal können Patienten bei Ärzten anrufen, ob die Praxis noch jemanden aufnimmt. Jedoch: "Keiner ist verpflichtet, jemanden zu nehmen", sagt Günther. "Ich sage voraus: Die ambulante Versorgung von Patienten in ländlichen Regionen wird in Zukunft zunehmend eine Aufgabe der Krankenhäuser." Die Krankenhäuser würden Medizinische Versorgungszentren einrichten. Das heiße: kassenärztliche Praxen aufkaufen. Günther prognostiziert weiter: "In Zukunft werden bei Krankenhausneubauten unten bestimmt Räume eingeplant für die ambulante Behandlung von Patienten, die keinen Hausarzt mehr haben. Die müssen ja irgendwie versorgt werden." Am Krankenhaus gebe es jetzt schon eine KV-Ambulanz für alle Patienten, die keinen Hausarzt haben. "Das wird die Zukunft werden. Wir werden keine jungen Ärzte mehr bekommen für ländliche Regionen."

 
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  • Doedi.wue
    Es gibt im Main-Spessart-Kreis so dumme und verantwortungslose Bürgermeister und Gemeinderäte, die einem bereits im Dorf niedergelassenen jungen Arzt,durch Verweigerung einer kleinen Geste (durch die Gemeindeführung)soviel Misstrauen entgegengebrachten,daß dieser Arzt die seit Jahrzehnten bestehende Praxis aufgab und den Kassensitz mitnahm. Diese Gemeinde wird nie mehr einen Kassenarztsitz erhalten.Die Bürger,vor allem die Älteren wurden durch den Egoismus und Kleingeistigkeit der Räte und des Ortsoberhauptes unwiederbringlich bestraft.
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