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Lohr
Lohrer Frauenarztpraxis überraschend geschlossen
Alles weg: Die Frauenarztpraxis an der Turmstraße wurde geschlossen.
Foto: Thomas Josef Möhler | Alles weg: Die Frauenarztpraxis an der Turmstraße wurde geschlossen.
Bearbeitet von Thomas Josef Möhler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:00 Uhr

Ein Horrorszenario für Patientinnen und Patienten: Eine Praxis schließt überraschend, die Krankenakten sind nicht mehr zugänglich. So passiert bei der Lohrer Frauenarztpraxis von Dunja Reitz. Als Retter in der Not erweist sich der Ärztliche Kreisverband Main-Spessart. Dessen Vorsitzender Karl-Heinz Günther macht sich keine Illusionen: "Im ländlichen Raum werden Schließungen die Zukunft sein."

Was ist passiert? Überraschend für die Patientinnen gab Dunja Reitz, die ihre Praxis an der Turmstraße hatte, ihre Kassenzulassung mit Wirkung Ende März zurück. Versuche unseres Medienhauses, Dunja Reitz seinerzeit über das Praxistelefon und die E-Mail-Adresse für eine Stellungnahme zu erreichen, schlugen fehl.

Von der Schließung überrascht wurde auch der Ärztliche Kreisverband. "Das war ein fast einmaliger Vorgang", meinte Karl-Heinz Günther im Gespräch mit der Redaktion. "Die Praxis war plötzlich zu und die Leute standen vor der Tür. Jetzt standen wir da."

Nachfolger braucht Einsicht

Der Lohrer Gynäkologe Theoklitos Konstantinidis habe zwar Patientinnen übernehmen wollen, aber vor allem Nachsorge- und Krebspatientinnen bräuchten ihre Krankenakten. Diese seien für den neuen behandelnden Mediziner unabdingbar, so Günther.

Die Patientinnen hätten sich deshalb an die Kassenärztliche Vereinigung (KV) in Würzburg gewandt, die eigentlich für einen solchen Fall zuständig sei. Dort seien sie dann an den Kreisverband verwiesen worden. Darüber ist Günther nicht glücklich: "Die KV macht es sich einfach. Wir als Kreisverband sind ja nicht die Telefonzentrale für Ärzte und KV."

Nach Angaben des Vorsitzenden ist der Ärztliche Kreisverband Main-Spessart eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und die Standesvertretung für rund 460 Ärztinnen und Ärzte im Kreis, darunter 90 bis 100 Rentner, und damit einer der kleinsten in Bayern. Die Geschäftsstelle sei mit einer 450-Euro-Kraft besetzt.

In Würzburg umfasse der Kreisverband 8000 Mediziner, die Geschäftsstelle verfüge über mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Kreisverband sei eine Art Kammer für die Mediziner und unter anderem für Fort- und Weiterbildung zuständig.

Nach dem Hinweis der KV auf den Kreisverband "läutet bei uns das Telefon ununterbrochen, diese Ärztin beschäftigt uns". Jeden Tag hätten 20 bis 30 Patientinnen die Geschäftsstelle des Kreisverbandes angerufen, "jetzt wird es langsam weniger". Nach Günthers Schätzung hatte Reitz 1000 bis 1200 Patientinnen.

Problem Praxisübergabe

Er mag sich gar nicht vorstellen, was los ist, wenn drei oder vier Ärzte keine Nachfolger finden und die Tür zusperren. Der ländliche Raum muss sich nach seiner Einschätzung aber darauf einstellen, dass das die Zukunft ist: "In Würzburg stehen bei einer Praxisschließung fünf Nachfolger vor der Tür, die dann auch die Akten übernehmen, in der Pampa wird es immer mehr so sein, dass Ärzte keine Nachfolger finden und die Praxis zumachen."

Im Fall Reitz, laut Günther in Lohr der zweite nach der Praxisschließung von Winfried Schwab, hat der Kreisverband folgende Lösung gefunden: Die Geschäftsstelle gibt Patientinnen, die beispielsweise einen Mammografiebefund brauchen, zur Kontaktaufnahme die E-Mail-Adresse von Dunja Reitz. Diese schickt den Patientinnen dann Kopien des Gewünschten zu.

Dazu ist sie nach Günthers Angaben verpflichtet. Mehr könne der Kreisverband nicht tun: "Wir kennen nur die E-Mail-Adresse. Wir wissen nicht, ob Reitz die Krankenakte auf Karteikarten oder im Computer geführt hat. Wir wissen nicht einmal, wo sich Reitz gerade aufhält."

Zehn Jahre lang aufheben

Die Originale oder gar die gesamte Patientenakte dürfe Reitz aus haftungsrechtlichen Gründen nicht herausrücken. Ein Mediziner müsse die Unterlagen, wie er seine Patienten behandelt hat, mindestens zehn Jahre lang aufbewahren. Frühestens zehn Jahre nach dem jeweiligen Befund dürften sie vernichtet werden. Viele Mediziner übergäben die Akten ihren Nachfolgern – wenn sie denn welche fänden.

 
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Kommentare
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  • Walter_Famus
    Interessant an der Sache: der Bruder der Ärztin hatte vor ein paar Jahren in Karlstadt eine Kanzlei als (Jung-)Rechtsanwalt.
    Und schwupps, wie über Nacht war die Kanzlei geschlossen, die Schilder an der Hauswand entfernt, die Internetseite gelöscht und der Rechtsanwalt "nicht auffindbar" untergetaucht.
    Ein Schelm, wer da was anderes als Zufall dahinter vermutet...
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  • Lemmy
    Eid des Hippokrates ??? Vertragliche Nebenpflichten eines Arztes ??? Haftung ??? Effizienz im Gesundheitssystem ?? Mündiger Parient ?? Wo leben wir - jedes Autoleben ist heutzutage minutiöser dokumentiert ! Das sollte sich ein Medizinrechtler ansehen und die erforderlichen juristischen Schritte einleiten ...
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  • renitenti
    Wahrscheinlich hat die Ärztin zu viel verdient [Ironie]. Oder der Verwaltungsaufwand war zu umfangreich. Wird wohl in Zukunft öfter so passieren. Der Arztberuf in Deutschland wird von der Politik [siehe Impfchaos] und den Krankenkassen kaputt gemacht.
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  • Na , die Akten werden sich bestimmt bei ihr Zuhause in Rodenbach finden...sowie viele andere Dinge aus ihrer Praxis !!
    Was man nicht alles so sieht ,in einem kleinen Dorf.
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  • saf.wuerzburg@t-online.de
    Oder mit einem Bericht mit Namen der Praxis an die Presse drohen ...

    ... dürfte auch wirken ...
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  • ninlte13080106
    Falls es der ein oder anderen hilft: ich habe die Email Adresse von Fr. Dr. Reitz über den Ärztlichen Bezirksverband Unterfranken genannt bekommen.
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  • jebusara@web.de
    Den wunderschönen ländlichen Raum mit seinen liebenswerten Bewohnern abwertend "Pampa" zu nennen ist der Nachfolgesuche nicht gerade zuträglich! Vielleicht sollte die Mainpost ihre Wortwahl noch einmal überprüfen.
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  • kleinhenz_philipp@web.de
    Für die von Ihnen gewünschte Beschreibung des ländlichen Raumes sollten Sie vielleicht eher Stellen- und Immobilienanzeigen lesen.
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  • saf.wuerzburg@t-online.de
    Ach nö, haben wir zur Zeit keinen anderen Grund, um jammern zu können.

    Wird jetzt jedes Wort, dass die Main-Post schreibt, wieder mal auf die Goldwaage gelegt?

    Es wird Sommer, gehen sie mal raus und erholen sich.

    Tut mit Sicherheit ganz gut ...
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  • steffen.cyran@freenet.de
    Ich hatte selbst einen ähnlichen Fall erlebt: mein Hausarzt hatte von heute auf morgen geschlossen, aber die Unterlagen an einen "Nachfolger" (allerdings in einer anderen Praxis) abgegeben.

    Da ich aber mit diesem Nachfolger nicht einverstanden war, wollte ich meine Akten holen um sie meinem neuen Arzt zu übergeben. Der Nachfolger wollte sie abernicht herausgeben.

    Ich mußte "verschärfte Freundlichkeit" und "erhöhte Lautstärke" anwenden, um meine eigenen Daten (!) schließlich zu erhalten......
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  • Hindenburg
    eben noch liberale FDP-Stadtratskandidatin und nun über Nacht für Patienten nicht mehr zu sprechen. Komisches Bild.
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