Im Januar und Februar gab es eine ungewöhnliche Häufung von Masernfällen im Landkreis Main-Spessart, wie das Robert-Koch-Institut auf Anfrage mitteilt. Sechs Fälle sind demnach aufgetreten. Das Landratsamt Main-Spessart bestätigt Masernfälle vom 24. Januar bis 21. Februar mit Schwerpunkten im Raum Marktheidenfeld und Gemünden. Tragisch: Auch ein sechs Monate alter Säugling erkrankte.
Der erste Masernfall dieses lokalen Ausbruchs sei in der privaten Grund- und Mittelschule "Lern mit mir" des Universellen Lebens (UL) in Esselbach bei Marktheidenfeld aufgetreten, sagen auf Anfrage übereinstimmend Dr. Matthias Böhme, Kinderarzt in Marktheidenfeld, und Dr. Bernd Chittka, Kinderarzt in Karlstadt. Es sei bekannt, dass Leute, die dem UL nahestünden, sich weniger impfen ließen, sagt Böhme. Etwas allgemeiner drückt sich der Gemündener Kinderarzt Dr. Elmar Barthel aus: In Unterfranken seien die Kinder eigentlich gut geimpft, aber unter Anhängern bestimmter Glaubensrichtungen sehe dies in manchen Orten anders aus.
Masern aus dem Ausland eingeschleppt
Kinderarzt Chittka sagt, das erste betroffene Kind aus der UL-Schule habe sich bei einer Reise ins Ausland mit Masern infiziert. Die Schule, an der offenbar viele Kinder nicht geimpft sind, habe dann als "Drehscheibe" fungiert, von der aus sich die Krankheit habe weiterverbreiten können. Das Landratsamt bestätigt allgemein, dass eine Schule und Kindergärten betroffen gewesen seien. Das UL verwies auf Anfrage an die Privatschule. Deren Leiter Christopher Preuß wollte sich aus "datenschutzrechtlichen Gründen" nicht äußern, aber man arbeite natürlich mit staatlichen Stellen zusammen und verweise auf diese beim Thema "Impfen".
Die Ganztagsschule in Esselbach wird von Schülern aus dem ganzen Landkreis Main-Spessart sowie aus angrenzenden Landkreisen besucht. Nach Informationen der Redaktion sind darunter nur sehr wenige Kinder von UL-Anhängern. Der anthroposophische angehauchte Ansatz der Schule zieht aber womöglich ein eher impfkritisches Publikum an. An der Schule hatten sich offenbar mehrere Kinder angesteckt, erzählte eine Mutter der Redaktion.
Ansteckung in Karlstadter Kinderarztpraxis
Tragischerweise habe sich ein Kind sogar in seiner Praxis mit Masern infiziert, berichtet Chittka. Angesteckt habe es sich bei einem Kind, das in einem Vorstadium der Krankheit zunächst mit allgemeinen Krankheitssymptomen gekommen sei und noch nicht den typischen Ausschlag aufgewiesen habe, weswegen man nicht gleich von Masern ausgegangen sei. Masern gelten als extrem ansteckend. Und ansteckend seien Erkrankte auch schon im frühen Stadium.
Erkrankt sind laut Mandy Feser, Pressesprecherin des Landratsamts, Schüler, Kindergartenkinder und eine Erwachsene im Alter von sechs Monaten bis 41 Jahren. "Das Gesundheitsamt hat unmittelbar Ermittlungen vor Ort durchgeführt." Es habe Merkblätter verteilt, Impfbuchkontrollen in Schulen und Kindergärten durchgeführt und Betretungsverbote für nicht ausreichend geimpfte Kinder ausgesprochen.
"Bei Masern ist bereits der Verdacht und die Erkrankung meldepflichtig", teilt das Landratsamt mit. Demnach müssen Ärzte, Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen und Kindergärten sowie Labore den Verdacht, die Erkrankung und den Nachweis von Masern dem Gesundheitsamt namentlich melden. Mittlerweile lägen keine Meldungen über weitere Masernfälle vor.
Arzthelferinnen waren sensibilisiert
Der Gemündener Kinderarzt Barthel sagt über die kleine Masernepidemie: "Da sind wir natürlich hellhörig geworden." Die Arzthelferinnen seien instruiert worden: "Wenn Anrufe sind: 'Kind hat hohes Fieber, nicht geimpft' – gleich isolieren, weil es hoch ansteckend ist." Man habe nichts übersehen und ins Wartezimmer schleppen wollen. Er und sein Kollege Böhm in Marktheidenfeld hätten aber keine Fälle in der Praxis gehabt.
Die Gefahr bei Masern ist laut Barthel eine Schwächung des Immunsystems und daher kann es zu Nacherkrankungen, wie Mittelohr- oder Lungenentzündungen, kommen. Bei Säuglingen könne es schlimm ausgehen, weil die in Ausnahmefällen Jahre nach der Erkrankung eine Hirnentzündung entwickeln könnten. Die zerstöre nach und nach das Gehirn und führe immer zum Tod, sagt Kollege Chittka.
Gefahr für Säuglinge
Noch nicht geimpfte Säuglinge seien am stärksten gefährdet, sagt auch Kinderarzt Barthel. Geimpft werde normalerweise zur Untersuchung 6 (U6) mit etwa elf Monaten. Stillende Mütter gäben ihrem Kind noch Nestschutz, aber vom Abstillen bis zur Impfung seien die Kinder ungeschützt. Impfverweigerer können so zu einer Gefahr für andere werden.
Die letzten Häufungen von Massernfällen in Unterfranken hatte es laut der Statistik des Robert-Koch-Instituts 2001 und 2002 mit 195 und 86 Fällen gegeben.