Der Bachelor ist in der Tasche und die Studienzeit in Würzburg neigt sich dem Ende zu. Was tun mit der Zeit, die bis zu einem etwaigen Masterstudium bleibt? Ein Praktikum in der Lokalredaktion dieser Zeitung war die Antwort. Seine bisherigen Erfahrungen mit Kitzingen beschränken sich auf vereinzelte Blicke aus dem Fenster, die er auf den seltenen Zugfahrten in seine Heimat in Oberbayern erhaschen konnte. Was fiel ihm nun – erstmals mittendrin statt am Zugfenster – in Kitzingen mit den Augen eines Außenstehenden auf?
Eine erfreuliche Überraschung: Die Alte Mainbrücke
Es ist der erste Arbeitstag. Der Fußweg vom Parkplatz am Bleichwasen in die Stadt führt über die Alte Mainbrücke. Vor meinem geistigen Auge sehe ich bereits die Menschenmassen, durch die es sich gleich zu quetschen gilt. An der Brücke angekommen, wartet eine positive Überraschung. Abgesehen von ein paar Radfahrerinnen und Radfahrern steht nichts zwischen dem Eingang in die Altstadt und mir. So wie die Hektik auf dem Gehweg, fehlt auch der Müll am Boden und der Lärm der Schleuse, die typisch für das Würzburger Pendant sind. Hier hier kann man einen "Stadt-Schoppen" trinken, ohne lange einen freien Platz an der Mauer suchen zu müssen. Eine schöne Abwechslung.
Schilder weisen den Weg: Alle (Rad)Wege führen nach Kitzingen
Die Fahrradfreundlichkeit der Stadt ist kaum zu übersehen. Neben grün-weißen Schildern, die Radwege in alle Himmelrichtungen ausweisen, steht auch eine Fahrradhütte mitten auf dem Marktplatz. Wohin man ab dem Mittag auch in die Altstadt blickt: ein Radfahrer oder eine Radfahrerin in buntem Trikot und mit roten Bäckchen ist fast immer dabei.
Kitzingen U30: Der Skatepark in Etwashausen
Nach dem ersten Tag im Büro nehme ich mir Zeit, um einen Blick auf den Skatepark am Bleichwasen zu werfen. Inmitten einer Gruppe Kleinkinder mit bunten Rollern wirbeln auch zwei Skateboarder mit Leichtigkeit auf ihren Brettern durch die Luft. Der Park ist mit verschiedenen Rampen ausgestattet und wird offenbar gut genutzt. Um den Skaterplatz herum fällt das kompakte Angebot von Tischtennisplatten über Basketballkörbe bis zum großen Spielplatz für die jüngeren und junggebliebenen Kitzinger und Kitzingerinnen ins Auge.
Ein guter Blick auf die Stadt: Das Landesgartenschaugelände
Nächster Tag, nächster Stopp: das ehemalige Landesgartenschaugelände. Wer gepflegte Wiesen und schöne Blumenbeete schätzt, wird hier fündig – für alle anderen eignet sich der Stadtbalkon wunderbar, um Fotos von der Kitzinger Stadtsilhouette zu knipsen. Ich spekuliere, dass der Holzsteg am Wochenende auch junge Leute anziehen könnte, die ihren Abend mit einem Kaltgetränk am Main verbringen wollen. Wo sie das sonst tun würden – das frage ich mich auch.
Außen Architektur, innen Literatur: die Stadtbücherei
Ein Besuch der Stadtbücherei ist für jeden Bücherwurm obligatorisch. Da ich die Öffnungszeiten zuvor nicht gecheckt habe, stehe ich bei meinem ersten Gang leider vor verschlossenen Türen. Umsonst war er trotzdem nicht. Sowohl die historische Gebäudefassade als auch der Fensterblick in die verzierte Eingangshalle des Luitpoldbaus entpuppen sich unerwarteterweise als Sehenswürdigkeiten. Einen Tag später überzeugt mich bei geöffneten Türen auch das bunt gemischte Literaturangebot und die stillen Arbeits- und Leseplätze, die auf zwei Stockwerken vorzufinden sind.
Kunst und Kultur in der Rathaushalle: Ein Abstecher nach Taiwan
Am backsteingepflasterten Marktplatz lädt ein großes, rotes Schild zu einer kostenlosen Ausstellung in der Rathaushalle ein. An einem verregneten Tag nach Feierabend folge ich dieser Einladung. Gegen eine freiwillige Spende kann man hier historische Neujahrsgrafiken aus Deutschland und Taiwan bestaunen. Ergänzt werden diese mit interessantem Hintergrundwissen über die Motive und Methoden der Kunstschaffenden. Ein freundlicher Wärter gibt bereitwillig Auskunft über die regelmäßig wechselnden Kunstevents und klärt mich über die "World Press Photo Ausstellung" auf, die jährlich tausende Besucher aus aller Welt in die Kleinstadt führt. Kitzingen hat wohl mehr als nur fränkische Weinkultur zu bieten. Über die Taiwan-Nachfolge-Ausstellung werde ich auch schon informiert: "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland", die bis 28. September läuft.
Ein Stück Natur in der Stadt: Die oberen Anlagen
Im Lauf der ersten Woche werden in der Redaktion nebenbei die "oberen Anlagen" erwähnt. Viel mehr Informationen als den Hinweis, dass sie einmal ein Park und bis vor kurzer Zeit geschlossen waren, sind nach einer kurzen Online-Recherche nicht zu finden. Der dubiose Ort will also persönlich erkundet werden. Nach 15 Minuten Fußweg mündet die Stadt beinahe übergangslos in ein dichtes Waldstück, das seine Lage nur durch die wenigen Verkehrshupen offenbart, die nicht von den Bäumen verschluckt werden. Während der halben Stunde, die ich über die laubbedeckten Pfade wandere, treffe ich auf keine Menschenseele. Ein ruhigerer Ort für eine Mittagspause lässt sich kaum ausmalen. Groß ist er nicht, aber schön. Fast so wie die gesamte Stadt.