Wenn Johannes Arnold an seine Lehrzeit zurückdenkt, ist ihm das Bild kleiner, verschrumpelter Trauben in bester Erinnerung. „Wir hatten damals ständig Probleme mit Pilzkrankheiten“, sagt der Iphöfer Winzer. Und heute? „Haben wir viel schönere Trauben als vor 30 Jahren.“ Dafür kämpfen er und seine Kollegen jetzt mit anderen Problemen, die für sie und die Branche nicht minder bedrohlich sind. Die Hitzesommer der vergangenen Jahre haben nicht nur in Iphofen die Frage aufgeworfen, ob Weinbau in bisher gekannter Weise künftig noch möglich ist ohne künstliche Bewässerung.
Für Hansi Ruck steht die Antwort bereits fest. „Wenn wir unsere Chance jetzt nicht am Schopf packen, war es das mit dem Weinbau in Iphofen. Dann können wir vielleicht noch Rosinen oder Tafeltrauben züchten“, sagt der Winzer am Handy, während er zwischen Fässern zum Abfüllen steht. Seit 1839 gibt es das Weingut Ruck in Iphofen, rund zwölf Hektar Weinberge bewirtschaftet es in Iphofen und umliegenden Gemeinden, und von Generation zu Generation hat sich eines vererbt: die Qualität der Weine. Um die zu erhalten, braucht es handwerkliches Geschick und die Hilfe der Natur.
Einen Teil der Kosten müssen die Winzer tragen
Ruck ist daher ein Verfechter der Tröpfchenbewässerung, um die in der Stadt seit nunmehr fast zehn Jahren gerungen wird. Das bayerische Umweltministerium kann es sich offenbar gut vorstellen, Iphofen als Pilotprojekt zu fördern. Klar ist aber auch: Einen Teil der auf 14 bis 18 Millionen Euro geschätzten Investitionskosten und die späteren Betriebskosten werden die Winzer selbst tragen müssen. Johannes Arnold sagt: „Ich habe meine Bedenken.“
Da keine konkreten Zahlen auf dem Tisch liegen und vermutlich noch eine Zeit lang auf sich warten lassen, wabert die Gerüchteküche. Ruck sitzt wie einst sein Vater dem Weinbauverein vor, doch gerade in der Frage der Weinbergsbewässerung ist nicht immer klar, ob er für alle 20 Iphöfer Winzer spricht. Als Modellprojekt vom Freistaat gefördert zu werden nennt er eine „Steilvorlage“, die so nicht noch einmal komme. Er selbst behilft sich derzeit bei Junganlagen damit, Wasser mit dem Tankwagen in die Weinberge zu fahren und die vorinstallierte Tröpfenbewässerung zu speisen. „Aber das ist sehr beschwerlich.“ Arnold geht schon seit Jahren einen anderen Weg. Er versucht, jede seiner Zeilen zu begrünen und eine Humusschicht im Boden aufzubauen, die das Wasser besser speichert.
Der Weinmarkt birgt derzeit viele Unwägbarkeiten
Werner Emmerich macht es wie Arnold und bewässert zusätzlich seine Jungreben. Aber er weiß, dass er eigentlich um eine flächendeckende Bewässerung nicht mehr umhinkommen wird. Was auch ihn schreckt: Die vielen Unwägbarkeiten, die derzeit den europäischen Weinmarkt kennzeichnen –stagnierende Verkaufserlöse, wachsende Mengen, dazu sinkende Pachten und ganz aktuell Frostschäden. Wie soll er da über ein Thema entscheiden, von dem er nicht weiß, was es ihn kosten wird?
Auch Arnold, der wie Emmerich etwa zehn Hektar Weinberge bewirtschaftet, verweist auf manche Unbekannte in der Rechnung. Das Iphöfer Modell basiert darauf, im Winter Wasser vom Main in einen Speichersee zu pumpen und es von dort aus im Sommer zielgerichtet zu verteilen. „Wer weiß, wie lange uns das genehmigt wird. Und: Wenn die Reben an die Tröpfchenbewässerung gewöhnt sind, muss sie auch jedes Jahr laufen.“ Für Arnold wäre die langfristige Konsequenz aus den Hitzesommern, sich beim Ertrag von der Zielmarke von einem Liter Wein je Quadratmeter Rebfläche zu verabschieden und das vorhandene Wasser auf deutlich weniger Reben zu verteilen. Mengen von einem viertel oder halben Liter Wein seien dann noch realistisch.
Die Bewässerung ist für Wirsching alternativlos
Für Winzer wie Andrea Wirsching geht es weniger um die Menge, sondern mehr um die Qualität. Die zu sichern müsse über allem stehen, sagt die Tochter des Iphöfer Grandseigneurs Heinrich Wirsching. Seit 1630 gibt es das Weingut, das mit 90 Hektar Rebfläche zu den größten Privatweingütern Frankens zählt. Der Name Wirsching verpflichtet, er steht vor allem für Premiumweine, und vielleicht ist Andrea Wirsching deshalb so kompromisslos, wenn es darum geht, die Messlatte hochzuhalten. „Es gibt auf der Welt viel zu viel Wein, als dass wir es uns leisten könnten, Abstriche bei der Qualität zu machen“, sagt sie.
Wirsching hat Verständnis für die Sorgen ihrer Kollegen. „Wenn ich die Kosten für die Bewässerung nicht langfristig über die Verkaufserlöse meines Weins wieder erwirtschafte, ist es eine existenzbedrohende Investition. Das ist für unser Weingut im Übrigen nicht anders.“ Aber hier gehe es um etwas Alternativloses, etwas Systemrelevantes, um ein Projekt, für das Wirsching zu einer Art Iphöfer Hamlet wird: „Hier geht es um Sein oder Nichtsein.“ Im Jahr 2018 habe es in der Region weniger geregnet als in Namibia, und solche Jahre würden künftig eher die Regel sein als die Ausnahme. Deshalb wirbt sie bei den Kollegen mit Engelszungen für die Idee, die noch dazu den Charme habe, dass Stadt und Freistaat sie nach Kräften unterstützen wollen. Mit Geschenken oder Subventionen sei das übrigens nicht zu verwechseln. „Es ist nicht so“, sagt Wirsching, „dass die Winzer hier einen Sack Gold vor die Tür gestellt bekommen.“