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Münsterschwarzach
Wieso die Erfolgsbücher von Anselm Grün aus dem Hühnerstall kommen
Der Vier-Türme-Verlag der Abtei Münsterschwarzach wird 70. Eine Geschichte von altmodischen Kalendern, aktuellen Bestsellern - und wieso Wurst der neue Verkaufsschlager ist.
In der Münsterschwarzacher Benediktinerabtei gibt es nicht nur Werkstätten - hier produziert der klostereigene Verlag auch Bücher. 
Foto: Vier-Türme-Verlag | In der Münsterschwarzacher Benediktinerabtei gibt es nicht nur Werkstätten - hier produziert der klostereigene Verlag auch Bücher. 
Alice Natter
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:07 Uhr

Ja, stimmt, sagt Pater Ansgar Stüfe: „Die Aufmachung ist ein bisschen bieder und altmodisch.“ Aber wieso auffrischen und modernisieren, wenn er doch nach wie vor ein Bestseller ist? Der "Münsterschwarzacher Bildkalender" erscheint seit Jahrzehnten, ist bis heute mit einer Auflage von über 80 000 Stück einer der erfolgreichsten Kalender im christlichen Bereich. Und ja, tatsächlich „praktisch unverändert“, wie Pater Ansgar, mit einem Lächeln in der Stimme, sagt: „Wir wagen das nicht zu ändern.“

Es begann mit dem Missionskalender

Auch nicht 70 Jahre nach der offiziellen Gründung des Vier-Türme-Verlags. Die erste Ausgabe war vor 90 Jahren schon im „Ein-Mönch-Betrieb“ herausgegeben und in der Klosterdruckerei produziert worden: „Pax, Anno Domini 1931“. Ein Missionskalender, aus dem später eben der „Münsterschwarzacher Bildkalender“ wurde. Die ursprüngliche Absicht: „Die Mission hier in Deutschland sichtbar zu machen“, sagt Pater Ansgar, der Verlagsleiter.

So fing alles an: Der Missionskalender von 1931, Vorläufer des 'Münsterschwarzacher Bildkalenders', den es immer noch fast unverändert gibt.
Foto: Vier Türme Verlag | So fing alles an: Der Missionskalender von 1931, Vorläufer des "Münsterschwarzacher Bildkalenders", den es immer noch fast unverändert gibt.

Die Benediktinermönche aus der Abtei im Kitzinger Landkreis hätten „Spendern und Freunden erklären wollen, was in der Welt dort geschieht“. Seit jeher war das ja eine klösterliche Aufgabe gewesen: Gottes Wort zu verkünden, auch in Schriftform. So entstanden die mittelalterlichen Schreibstuben, die Bibliotheken . . . „Verkündigung ist das Hauptanliegen, noch heute“, sagt der Verlagschef, durchaus nachdrücklich.

Die Klosterdruckerei heißt jetzt "Benedict press"

Die Benediktinermönche, die in der Säkularisation das Abteigelände nahe der Mainschleife verlassen hatten, waren 1913 ins Kloster zurückgekehrt. Drei Jahre später erscheint das erste Buch im „Selbstverlag der Abtei Münsterschwarzach“. 1922 gründen die Pater eine Buchhandlung, kurz darauf die Klosterdruckerei, die sich heute schick „Benedict press“ nennt.

Zweite Karriere im Ruhestand: Arzt, passionierter Leser und Verlagschef Pater Ansgar Stüfe.
Foto: Vier Türme Verlag | Zweite Karriere im Ruhestand: Arzt, passionierter Leser und Verlagschef Pater Ansgar Stüfe.

Nach dem Zweiten Weltkrieg – die Nationalsozialisten hatten die Abtei ab 1940 aufgehoben – kann das klösterliche Leben von Neuem beginnen und damit auch die Büchergeschichte. Die Militärbehörde erteilt 1947 dem Klosterverlag die Neugenehmigung, zwei Jahre später wird eine Baracke der Abtei-Prokura der Firmensitz. Und 1951 ist es dann offiziell: Die Benediktiner gründen den Vier-Türme-Verlag – benannt nach den weithin sichtbaren Abteikirchenspitzen. Natürlich erscheint der Bildkalender – unverändert! – Jahr für Jahr.

1965 starten die Mönche eine wissenschaftliche Buchreihe, die „Münsterschwarzacher Studien“ zu historischen und theologischen Themen. 1970 erscheint die nach dem 2. Vatikanischen Konzil ausgearbeitete erste Ausgabe eines deutschsprachigen Stundengebets. Und Ende der 1970er Jahren beginnt das, was Pater Ansgar die „große Veränderung“ nennt.

Anselm Grün: Neuer Verlagsleiter, neuer Ansatz - und immer mehr Erfolg 

1978 übernimmt Pater Anselm Grün die Verlagsleitung, zu der damals auch die Führung von Druckerei und Buchhandlung gehört. Neuer Chef, neuer Ansatz, neuer Charakter: „Lebenshilfe geben in einfacher Sprache“, sagt Grüns Nach-Nach-Nachfolger Stüfe über die Zielrichtung. „Geistliches Interesse stillen außerhalb der traditionellen Seelsorge.“ Mit dem Titel des neuen Chefs „Gebet und Selbsterkenntnis“ rufen die verlegenden Mönche 1979 die „Münsterschwarzacher Kleinschriften“ ins Leben. „Ein wirklicher Verkaufsschlager!“, sagt Pater Ansgar. Die bestechende Idee: Die 70 bis 80 Seiten dünn-dicken Schriften erscheinen im Abonnement, für zwei bis drei Mark erhalten die Leser rund acht Ausgaben im Jahr. Auf die Premiere des Betriebswirts, Cellerars und späteren Erfolgsautors Anselm Grün folgen weitere 199 Bände, insgesamt werden in der Reihe weit über drei Millionen Bücher verkauft. Auch das Kalenderprogramm wächst: Erst kommt der „Münsterschwarzacher Spruchkarten-Kalender“ dazu, später Abreiß-, Ikebana- und Notizkalender.

Ende der 1990er Jahre wird der Verlag unter dem Dach der Vier-Türme GmbH umfirmiert und als eigenständiger Betrieb von Druckerei und Buchhandlung abgekoppelt. Sieben Mitarbeiter und zwei Auszubildende gibt es nun, es braucht neue Räume: Aus der ehemaligen Baracke zieht man in den ehemaligen Kuhstall.

Auf dem Weg zum weltweit agierenden Medienunternehmen

Den Ausbau zum professionellen und weltweit agierenden Medienunternehmen treibt ab 1999 Pater Mauritius Wilde voran. Besonders der Verkauf von Textrechten ins Ausland wird ein wichtiges Standbein. Immer höhere Auflagen erscheinen, Autoren, auch einige namhafte, von außen kommen dazu. 2006 sind dann auch die Betriebsräume im Kuhstall schon wieder zu klein. Es geht in den alten Hühnerstall des Klosters, umgebaut zum modernen Bürogebäude.

Der Hühnerstall des Klosters 1960.
Foto: Vier Türme Verlag | Der Hühnerstall des Klosters 1960.
Der Sitz des Verlags der Mönche seit 2006.
Foto: Vier Türme Verlag | Der Sitz des Verlags der Mönche seit 2006.

70 Jahre nach der Gründung arbeiten nun elf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – programmplanend, lektorierend, produzierend – im Zeichen der vier Türme. Jährlich bringt der Verlag rund 40 Neuerscheinungen heraus. „Wir haben keine Gewinne, aber Verluste können wir uns auch nicht leisten“, sagt Pater Ansgar Stüfe. Der Mediziner wurde 2019 gefragt: Ob er, der an Geschichte, Kunst, Philosophie interessierte Manager, nicht von Pater Linus Eibicht interimsmäßig die Verlagsleitung übernehmen wolle?

Die Hälfte des Umsatzes bringen die Bestseller von Anselm Grün

Der Arzt, Bücherliebhaber, Vielleser und Autor wollte – und so begann im Ruhestand seine zweite Karriere. Die Stärke des Verlags? „Kloster zu sein!“, sagt der 69-Jährige. Und: „Mit den Halbjahresprogrammen schnell auf aktuelle Themen reagieren.“ Die Schwäche? „Dass wir von den großen Buchhandlungen überhaupt nicht gekauft werden.“ Anlass zu Freude gibt es zum 70. Geburtstag aber: „Die Bestellungen haben zugenommen. Unser Versandhandel hat sich verdreifacht durch Corona.“ So verschicken die Benediktiner mit ihren Büchern über den Kloster-Shop inzwischen auch Christstollen, Wurst und Schmuck aus den klostereigenen Werkstätten an Kunden in der ganzen Republik.

Und dann ist da noch der Erfolg bringende Segen, der auch „kleiner Fluch“ ist: „Was, wenn Pater Anselm nimmer kann?“, fragt der Verlagschef mit Blick auf den unermüdlichen Erfolgsautor Anselm Grün. Auch wenn große Namen der spirituellen Literatur wie Odilo Lechner oder auch Burkard Hose zu den Vier-Türme-Autoren zählen: „50 Prozent des Umsatzes haben wir durch Anselm Grün.“ Immerhin, früher seien es 80 Prozent gewesen...

Junge Autoren - und weiter "gute lesbare Literatur"

70 Jahre nach seiner Gründung will der Vier-Türme-Verlag weiter „gute lesbare Literatur“ bieten. Lebenshilfe. Und „auch Menschen ansprechen, die nicht in der Kirche sind“. Der Verlagschef freut sich, wenn er auch junge Mitbrüder als neue Autoren gewinnt. Seine aktuellste Empfehlung: „Weht der Geist durch Bits und Bytes? Glaube in digitalen Zeiten“ von Maurus Runge. Und ja, der Bildkalender, der im Juni wieder erscheinen wird – unverändert – darf es auch sein.

 
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  • J. F.
    Regalmeterweise religiöse Erbauungsliteratur aus einer Institution, die durch flächendeckende Vertuschung ihrer pädokriminellen Machenschaften, ihre verlogene Sexualmoral, die Diskriminierung der Frauen etc. etc. jegliche Glaubwürdigkeit verspielt hat.
    Was soll man dazu sagen?
    Vielleicht: „Die Wissenden reden nicht viel, die Redenden wissen nicht viel.“ (Sprichwort)
    Oder: Bedauernswert, wer dort nach einem Kompass sucht.
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