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Kitzingen
Wie sich der Landkreis Kitzingen verdoppelte und warum Gnodstadt auf die Barrikaden ging
Die Gebietsreform vor 50 Jahren: Wie der Landkreis Kitzingen seine heutige Form bekam, warum das mitunter weh tat – und was Franz Josef Strauß damit zu tun hat.
So sah es auf dem Würzburger Peterplatz aus, als die Gnodstädter 1976 mit 60 Fahrzeugen und weit über 100 Bürgern vor dem Regierungsgebäude protestierten.
Foto: Sammlung Manfred Krauß | So sah es auf dem Würzburger Peterplatz aus, als die Gnodstädter 1976 mit 60 Fahrzeugen und weit über 100 Bürgern vor dem Regierungsgebäude protestierten.
Frank Weichhan
 |  aktualisiert: 09.02.2024 13:42 Uhr

Wenn etwas Mist ist, dann muss man das auch deutlich zeigen – so dachten die Gnodstädter vor 50 Jahren, karrten tatsächlich Mist zusammen und beluden einen Hänger. Danach machte man sich auf den Weg: Der Protestzug führte zur Regierung in Würzburg, wo man dem damaligen Regierungspräsident Philipp Meyer den Mist buchstäblich vor die Füße kippen wollte. Es müssen wilde Zeiten gewesen sein.

Der Grund für die Aufregung und die anrüchige Aktion lässt sich auf eine Frage reduzieren: Wer mit wem und warum? Dieses Fragezeichen stand 1972 bei der Gebietsreform in Bayern ganz oben. Manches wurde geradezu zusammengewürfelt. Und er schüttelte am heftigsten den Kopf: Der spätere Landesvater und CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß war ein ausgewiesener Gegner dieses Würfelns, er fand die Umsetzung schlichtweg dilettantisch.

Aus 143 Landkreisen wurden 71

Bei der Neugliederung Bayerns war einiges in Bewegung damals: Der Landkreis Kitzingen vergrößerte sich – sozusagen über Nacht – auf mehr als die doppelte Fläche. Weil man Orte aus aufgelösten Landkreisen wie Gerolzhofen, Ochsenfurt und Scheinfeld dazu bekam. Am Ende blieben 71 von einst 143 Landkreisen. Was zunächst auf freiwilliger Basis geschah, endete dann 1978 mit letzten Zwangseingemeindungen.

In Kitzingen ergaben sich die Zugewinne so: Man bekam den südlichen Teil des Landkreises Gerolzhofen, den westlichen Teil des Landkreises Scheinfeld sowie aus dem Landkreis Uffenheim die Gemeinden Bullenheim, Gnötzheim und Unterickelsheim. 1978 kam dann noch Ilmenau dazu, dafür wurde Bullenheim nach Ippesheim an den Landkreis Neustadt abgegeben. Schließlich wurde noch Gnodstadt nach Marktbreit eingemeindet.

Protest und Katzenjammer

Wie groß die Emotionen seinerzeit waren und welche Wallungen da mitunter ausgelöst wurden, zeigt der Blick in alte Zeitungsbände. Die Leiterin des Kitzinger Stadtarchivs Doris Badel hat einige schöne Beispiele zusammengetragen.

Dass sie die Gebietsreformen für Mist hielten, unterstrichen sie Gnodstädter bei ihrem Protestzug 1976 zur Regierung in Würzburg mit dieser Fuhre Mist. Da der damalige Regierungspräsident Philipp Meyer am Protesttag nicht im Haus war, kippten die Gnodstädter die Fuhre schließlich doch nicht am Regierungssitz ab.
Foto: Sammlung Manfred Krauß | Dass sie die Gebietsreformen für Mist hielten, unterstrichen sie Gnodstädter bei ihrem Protestzug 1976 zur Regierung in Würzburg mit dieser Fuhre Mist.

Beispiel Willanzheim: Am 2. Januar 1976 wurde im Lokalteil über eine große „Entschlusslosigkeit“, was das Zusammengehen mit anderen Orten betraf, berichtet. Geplant war die Selbstständigkeit, was jedoch nicht ging. So habe es in der zurückliegenden Bürgerversammlung „großen Katzenjammer“ gegeben. Jetzt wolle man nach Iphofen, was aber inzwischen zu spät sein könnte, so der Tenor.

Dettelbach bekommt viel Zuwachs

Derweil sich Ende 1975 der Dettelbacher Stadtrat mit einer „Flut von Eingemeindungsanträgen“ befassen durfte. Mit Neuses am Berg, Neusetz, Schernau, Euerfeld und Schnepfenbach wollten gleich fünf Orte zu Dettelbach stoßen.

In Volkach gibt es einige Last-Minute-Zusammenschlüsse, weshalb die Gebietsreform dort erst 1978 abgeschlossen sein wird. Dimbach und Fahr sowie Obervolkach sind erst nach langer Überlegung bereit, ihre Selbstständigkeit aufzugeben.

„Protest!“ hieß es dagegen in Gnodstadt. Dort will man unbedingt wieder zurück zum Landkreis Würzburg – und man zeigt das deutlich. Weit über 100 Einwohner marschierten vor der Regierung von Unterfranken in Würzburg auf. Samt Transparenten, Resolution und Traktoren. Die Delegation stand allerdings vor verschlossenen Türen, weil der Pförtner flugs alles abgesperrt hatte.

Überschriften wie „Landkreis verliert Bullenheim und gewinnt Gnodstadt“ oder „Michelfeld doch nach Kitzingen?“ gehörten damals zur Tagesordnung, es war ein munteres Hin und Her. Westheim und Kaltensondheim beispielsweise sollten lange Zeit Kitzinger Stadtteile werden.

Was der blutjunge Josef Mend erlebte

Dass es seinerzeit tatsächlich nicht langweilig wurde, weiß auch der ehemalige Iphöfer Bürgermeister Josef Mend noch sehr genau. Als blutjunger Verwaltungsbeamter in der Verwaltungsgemeinschaft Kitzingen hat er zwei Fronten miterlebt: Jene, die nichts ändern wollten. Und jene, die unbedingt für Veränderungen waren. Warum sich etwas ändern sollte, macht er an einem einfachen Beispiel klar: „Iphofen hat damals einen größeren Haushalt als der Landkreis Scheinfeld gehabt!“

Gegen Neuerungen kämpfende Gemeinderäte, ausgeprägtes Kirchturmdenken, religiöse Zugehörigkeiten – es gab viel Unruhe und schnell war klar, warum sich „seit dem Zweiten Weltkrieg keiner an das Thema herangetraut“ habe.

Gelohnt habe sich der Stress auf alle Fälle: „Der Landkreis ist zusammengewachsen“, so das Fazit des erfahrenen Politikers. Was für Strauß dilettantisch begann, sei längst „eine positive Geschichte“.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version stand, dass Franz Josef Strauß schon 1972 Landesvater, also Bayerischer Ministerpräsident, war. Ministerpräsident war damals der seit Dezember 1962 amtierende Alfons Goppel. Strauß trat das Amt des Bayerischen Ministerpräsidenten erst im November 1978 im Zuge eines Regierungswechsels an. Von 1961 bis zu seinem Tod 1988 war er Vorsitzender der CSU.

 
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