
Der Investor lächelte. Galgenhumor? Zweckoptimismus? Oder doch schon die Ahnung, noch einmal eine Schonfrist zu bekommen? Donnerstagabend, kurz vor 19 Uhr im Kitzinger Stadtrat. Auf der Agenda stand die Entscheidung über die Einkaufsgalerie von Georg Wittmann. Tage zuvor war der Kitzinger Immobilienentwickler noch wild entschlossen gewesen, aufs Ganze zu gehen und einen zweiten Anlauf für den Bau seines Einkaufszentrums unterhalb der Wohnsiedlung Marshall Heights zu wagen. Doch dann kam alles ganz anders. Der Stadtrat hat sich vertagt – auf den 29. Juli. Und die Frage bleibt: Welche Chance hat das Projekt, das im Stadtrat noch immer das Potenzial hat zu polarisieren?
Die einen sprachen von „Kannibalisierung“ und dem „Tod“ bestehender Geschäfte, die anderen von einem „Auftrag“ und von neuen Impulsen. Noch bevor überhaupt eine inhaltliche Debatte entstand, ging es um Formales. Da war der Vorschlag von Oberbürgermeister Stefan Güntner (CSU), die Abstimmung angesichts neuer Entwicklungen zu verschieben, aber in der Sache zu diskutieren. Und da war der Vorstoß von SPD-Fraktionschef Manfred Paul, das Thema ganz von der Tagesordnung zu nehmen und das Ergebnis eines von der Stadt in Auftrag gegebenen Einzelhandelskonzepts abzuwarten, das bis Jahresende vorliegen soll. Pauls Antrag fiel 20 zu sechs Stimmen durch, weil die Mehrheit so dachte wie Timo Markert (CSU): „Wir müssen jetzt auch einmal einen Strich unter diese Sache ziehen.“
Für eine Mehrheit im Stadtrat braucht Wittmann 15 Stimmen
Und so nahm – beobachtet von etwa zwei Dutzend Zuhörerinnen und Zuhörern auf der Tribüne – eine Diskussion ihren Lauf, aus der durchaus abzulesen war, wie die Abstimmung in drei Wochen ausgehen könnte. Die warnenden Stimmen kamen wie erwartet aus dem Lager von SPD und Grünen, die wohlwollenden Reaktionen aus den Reihen von FW/FBW und der Splittergruppen UsW, ProKT und Bayernpartei. Weil Wittmann und sein Sohn Dirk als Stadträte nicht über ihr eigenes Projekt abstimmen dürfen, sind 28 Stimmen plus die des Oberbürgermeisters zu vergeben. 15 braucht es für die Mehrheit. Die entscheidende Rolle wird spielen, wie sich die CSU als größte Fraktion im Stadtrat positionieren wird.

Deren Vorsitzender Andreas Moser, der dem Vorhaben eher kritisch gegenübersteht, hatte sich für die Sitzung am Donnerstag entschuldigt, dafür ließen andere aus der achtköpfigen Fraktion erkennen, dass sie sich das Projekt vorstellen könnten, voran der einflussreiche Stadtentwicklungsreferent Thomas Rank. „Prinzipiell ist die ganze Geschichte zustimmungsfähig“, sagte er. Rank sprach dabei genau jene Punkte an, deretwegen die Abstimmung über das Projekt verschoben worden war. Denn Investor Wittmann hatte die Pläne für seine Einkaufsgalerie noch einmal kurzfristig geändert. Die überbaute Fläche beträgt jetzt nur noch etwa 4500 Quadratmeter, Drogeriemarkt und Biomarkt schrumpfen von jeweils 1200 auf 800 Quadratmeter, und Wittmann verpflichtet sich, nur solche Sortimente aufzunehmen, die sich mit dem Angebot im innerstädtischen Einzelhandel vertragen – eine Forderung des Stadtmarketingvereins.
Zwei der geplanten Märkte soll es in Kitzingen noch nicht geben
Neben den beiden genannten Märkten bleibt es bei einem Lebensmittelversorger (1800 Quadratmeter) und einem Discounter (1400 Quadratmeter). Hinzu kommen 500 Quadratmeter für „sonstige Nutzungen“, also Bäckerei, Metzgerei, Apotheke, Friseur, Café oder Tabakladen. „In Summe wird das Bauvorhaben um 35 Prozent kleiner ausfallen als ursprünglich geplant“, sagte Karl-Heinz Schmidt, der mit dem Projekt beauftragte Planer Wittmanns. Nach seinen Angaben sollen zumindest zwei Märkte entstehen, die es in Kitzingen noch nicht gibt. Namen nannte Schmidt nicht, aber die Verhandlungen mit Interessenten seien weit gediehen, die Verträge könnten „kurzfristig“ geschlossen werden.

Die Kritiker des Projekts warfen vor allem die Frage auf, wie sich die neue Einkaufsgalerie mit dem bestehenden Handelsdreieck in der nur wenige hundert Meter entfernten Siegfried-Wilke-Straße verträgt. Dort sind seit 2006 ein Vollversorger (Rewe), ein Discounter (Aldi) und ein Drogeriemarkt (Müller) angesiedelt. Genau jene Kategorien von Märkten, die auch unterhalb der Marshall Heights einziehen sollen. „Wenn dieses Zentrum kommt, dann weiß ich, dass die Märkte in der Siegfried-Wilke-Straße über kurz oder lang sterben werden“, erklärte Jens Pauluhn (ÖDP). Klaus Sanzenbacher (Grüne) sprach von „Kannibalisierung“. Bianca Tröge (ÖDP) sagte: „Das ist völlig überdimensioniert.“
Der Umweltreferent lobt die ökologischen Bemühungen
Dass Investor Wittmann sich aber einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan nicht verschließt, mit dem die Stadt die Sortimentsentwicklung steuern und kontrollieren könnte, lässt auch Kritiker wie Pauluhn neu über das Vorhaben nachdenken. Zweiter Bürgermeister Manfred Freitag (FW/FBW) stellte fest, der Stadtrat habe seinerzeit „nicht den Mut“ besessen, die ehemalige US-Wohnsiedlung zu kaufen, aber jetzt den Auftrag, den Stadtteil mit seinen später bis zu 3500 Einwohnern zu versorgen. Der Umweltreferent des Stadtrats, Uwe Hartmann (Bayernpartei), sagte, es sei „aller Ehren wert“, dass Wittmann auch ökologiebewusst denke. Das Zentrum soll an das Nahwärmenetz angeschlossen und mittels hauseigener Photovoltaikanlage mit Strom versorgt werden, die Gebäude erhalten begrünte Flachdächer.
Architekt Karl-Heinz Schmidt versprach, dass es bis zur Sitzung am 29. Juli keine Änderungen mehr an den Plänen geben werde. Bis dahin haben alle Fraktionen Gelegenheit, das Projekt noch einmal intensiv zu beraten, auch was die Verkehrsanbindung an die B8 angeht. Stimmt der Stadtrat zu, werden laut Schmidt mindestens zwei Jahre bis zur Eröffnung vergehen. Im Februar 2020 hat der Rat das Vorhaben mit knapper Mehrheit (15:14) abgelehnt. „Ich hoffe“, sagte der frühere OB Siegfried Müller (UsW) am Donnerstagabend, „dass der Stadtrat diesmal die richtige Entscheidung trifft.“