Für Georg Wittmann wird es ernst. Zum zweiten Mal binnen 16 Monaten bringt der Kitzinger Immobilienentwickler an diesem Donnerstag sein geplantes Nahversorgungszentrum Marshall Heights vor den Stadtrat. Im ersten Anlauf war das Projekt im Februar 2020 gescheitert – an einer Stimme. Inzwischen könnte sich der Wind allerdings gedreht haben. Zum einen hat der Stadtrat nach der Kommunalwahl im März 2020 ein neues, jüngeres Gesicht bekommen. Zum zweiten hat Wittmann die im vergangenen Jahr von einigen Seiten als überdimensioniert kritisierten Pläne für seine Einkaufsgalerie überarbeitet; und zum dritten hat der Immobilienunternehmer einen prominenten Fürsprecher gewonnen.
Klar ist: Elf der 15 Gegner von damals sitzen noch immer im Gremium, aber nur noch sieben der 14 Befürworter. Hinzu kommt, dass Wittmann (FW-FBW) und sein Sohn Dirk (Pro KT) seit der letzten Wahl selbst im Stadtrat sitzen, aber über ihr eigenes Projekt nicht mit abstimmen dürfen. Die Ablehner kamen seinerzeit vor allem aus Reihen der CSU, der SPD und der ÖDP. Ihre Kritikpunkte: Das Projekt sei zu groß und eine Gefahr für die Innenstadt und ihre Sortimente.
Doch schon damals kamen Zweifel auf, ob die Sache jeder richtig verstanden hatte. Die Rede war von einer überregional bedeutsamen Einkaufsgalerie, die weitere Märkte in der Innenstadt verhindere. Was der Immobilienentwickler vorhat, ist indes Nahversorgung auf 8500 Quadratmeter Grundfläche: mit einem Lebensmittelvollversorger (1800 Quadratmeter), einem Discounter (1400 Quadratmeter), Biomarkt und Drogeriemarkt (jeweils 800 Quadratmeter). Hinzu kommen Café, Bäcker, Metzger, Friseur, Blumen- und Tabakladen mit insgesamt 500 Quadratmeter Verkaufsfläche.
Die neue Galerie soll rund 10 000 Einwohner erreichen
Das Objekt auf einem 10 500 Quadratmeter großen Grundstück an der B8 ist seit dem ersten Anlauf um ein Stockwerk geschrumpft, erstreckt sich also nur noch über zwei Etagen mit begrünten Flachdächern. Laut Wittmann soll das Zentrum ein „bisher vernachlässigtes Kundenpotenzial von rund 10 000 Einwohnern“ erreichen – etwa in den Wohnsiedlungen Muldenweg, Oberbäumle, Fuchsgraben, Winter- und Sommerleite, aber auch im neuen Stadtteil Marshall Heights sowie den umliegenden Gemeinden Buchbrunn, Biebelried oder Theilheim. So steht es in einem Papier der Objektentwicklung Wittmann, das auch allen Stadträten vorliegt. Die ursprünglich in der dritten Etage geplanten Gesundheitsdienstleister sollen dem Konzept zufolge nun auf dem Gelände der ehemaligen Mittelschule unterkommen.
Oberbürgermeister Stefan Güntner (CSU), der vor einem Jahr als normaler Stadtrat noch gegen das Projekt sprach und stimmte, könnte sich mittlerweile eine Genehmigung vorstellen – unter der Bedingung, dass das Objekt kleiner ausfällt und geregelt ist, dass „innenstadtrelevante Sortimente“ wie Kleidung und Schuhe nicht angeboten werden. In diesem Sinn hat sich Güntner vor wenigen Tagen im Bauausschuss geäußert. Von Seiten der beteiligten Verbände, Behörden und Fachplaner gibt es unterschiedliche Signale und Botschaften zu dem Zentrum am Stadtrand. Die Regierung von Unterfranken verweist in einer Stellungnahme vom März 2021 auf die unzureichende ÖPNV-Anbindung, sieht das Angebot Wittmanns aber als deutliche Verbesserung der Versorgungslage für die umliegenden Wohngebiete.
Der Stadtmarketingverein sieht die Sache positiv
Auch der Kitzinger Stadtmarketingverein zieht mit Blick auf das neue Kundenpotenzial ein positives Fazit. Die Stadt sei zwar „sehr gut und vollumfänglich“ mit Lebensmitteln versorgt. „Dennoch“, so heißt es in einem Schreiben von Ende April, „sind wir zu dem Entschluss gekommen die Ansiedlung eines Nahversorgungszentrums in den Marshall Heights zu befürworten.“ Zwei Kernbedingungen stellt der Stadtmarketingverein: eine unbefristete zentrenrelevante Sortimentsbeschränkung und den Verbleib der Rossmann-Filiale in der Innenstadt. Für den Handelsverband Bayern spielt Rossmann hinsichtlich der Kundenfrequenz in der Innenstadt ebenfalls eine „nicht unerhebliche Rolle“. Insgesamt, so schreibt der Verband Ende Mai, habe er zu dem Vorhaben aber eine „kritischere Haltung“ als der Stadtmarketingverein.
In einer aktuellen Stellungnahme von Ende Mai misst der Handelsverband vor allem das Einzelhandels-Dreieck in der Siegfried-Wilke-Straße aus, wo sich vor 15 Jahren Aldi, Rewe und Müller angesiedelt haben. Wenn nun – keine zwei Kilometer davon entfernt – ein ähnliches Sortiment geschaffen werde, könnte dies eine „unerwünschte Wettbewerbsintensivierung“ zur Folge haben und der bestehende Standort in seiner „wichtigen Versorgungsfunktion für die umliegenden Wohnsiedlungsbereiche“ gefährdet sein. Diese Haltung vertritt auch das von der Stadt beauftragte Fachbüro „Stadt und Handel“ in Karlsruhe. Es warnt mit Schreiben vom Mai 2021 vor „absatzwirtschaftlichen Auswirkungen“ auf den Nahversorgerstandort in der Siegfried-Wilke-Straße und vor „negativen Auswirkungen“ für die Innenstadt.
Scheitert das Projekt erneut, ist es wohl für Jahre vom Tisch
Ein zwiespältiges Echo also, das vor der Abstimmung im Stadtrat widerhallt. Die Entscheidung dürfte ähnlich knapp ausfallen wie beim letzten Mal. Fällt Wittmann mit seinem Projekt erneut durch, dürfte es auf Jahre hinaus der letzte Anlauf in dieser Richtung gewesen sein. Dann steht immer noch der Anstoß des CSU-Fraktionsvorsitzenden Andreas Moser im Raum, der sich – wissend, dass die Stadt nicht über das Areal verfügt – für eine „qualitative Quartiersentwicklung“ in den Marshall Heights einsetzt: „Die reine Ansiedlung eines dritten Discounterareals an einer der Hauptverkehrsadern kann man machen, sie bringt aber keine lebendige, qualitative und nachhaltige Stadtentwicklung für Kitzingen.“