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Kirchschönbach
Weihnachten fernab der Heimat: Wie Baby Hans und die ukrainischen Flüchtlinge in Kirchschönbach feiern
Leuchtende Kinderaugen und ein fleißiger Helferkreis: 22 ukrainische Flüchtlinge erleben im Schloss in Kirchschönbach Weihnachten. Ein Geschenk ist dabei unbezahlbar.
Das erste Weihnachten für den kleinen Hans: Das ukrainische Baby kam im August in Würzburg zur Welt. Seine Mutter Natalia hält ihn stolz.
Foto: Andreas Stöckinger | Das erste Weihnachten für den kleinen Hans: Das ukrainische Baby kam im August in Würzburg zur Welt. Seine Mutter Natalia hält ihn stolz.
Andreas Stöckinger
Andreas Stöckinger
 |  aktualisiert: 07.01.2023 02:51 Uhr

Auch in der Weihnachtszeit ist das Schloss in Kirchschönbach eine Art Zuhause für 22 ukrainische Flüchtlinge, darunter sechs Kinder. Sie leben zum Teil bereits seit März im kleinen Dorf in dem Prichsenstädter Stadtteil und verbringen dort die Feiertage, erstmals fern von daheim. Für sie organisierte ein rund zehnköpfige Helferkreis, der sich dort seit März um die Ukrainer kümmert, eine weihnachtliche Feier, über die sich die großen und kleinen Geflüchteten sichtlich freuten.

Als der Weihnachtsmann, oder wie in der Ukraine üblich, der Nikolaus, kleine Geschenke an die Einzelnen verteilt, leuchten die Augen vor allem bei den Kindern. Den Jüngsten, den kleinen Hans, interessiert das noch nicht, er ist bereits eingeschlafen.

Bei der Weihnachtsfeier vom Helferkreis der in Kirchschönbach untergebrachten Ukraine-Flüchtlinge bekamen die Kinder ihr Geschenk vom Nikolaus überreicht.
Foto: Andreas Stöckinger | Bei der Weihnachtsfeier vom Helferkreis der in Kirchschönbach untergebrachten Ukraine-Flüchtlinge bekamen die Kinder ihr Geschenk vom Nikolaus überreicht.

Sichtlich stolz präsentiert seine Mutter Natalia den kleinen Jungen, der erst im August hier in Deutschland geboren wurde. Etwas zu früh kam er zur Welt, doch davon merkt man nichts mehr, Größe und Gewicht hat er längst aufgeholt. Sein Vater konnte Hans noch nicht in die Arme nehmen, er ist in der Ukraine geblieben.

Dolmetscherin Katharina Schulz hat eine wichtige Rolle

Ihren Jungen hat Natalia tatsächlich Hans getauft, "weil ich hier bin und hier entbunden habe". Außerdem gefalle ihr der Name, übersetzt Katharina Schulz. Sie ist Ukrainerin, lebt bereits seit Jahren in Stadelschwarzach – und hat bei den Helfern die wichtige Rolle der Dolmetscherin inne.

Gruppenbild zu Weihnachten: Geflüchtete aus der Ukraine und ihre Helfer und Helferinnen in Kirchschönbach.
Foto: Andreas Stöckinger | Gruppenbild zu Weihnachten: Geflüchtete aus der Ukraine und ihre Helfer und Helferinnen in Kirchschönbach.

Für die gesamte Gruppe aus der Ukraine ist das anstehende Weihnachtsfest das erste fern von daheim, wo nach wie vor Krieg herrscht. Keine ganz leichte Situation sei das, gestehen die Frauen. "Man möchte natürlich zuhause mit der Familie sein, aber das geht nicht", sagt Ruslana. Im Moment sei es in Kirchschönbach so, als wäre hier die Familie, das Zuhause.

Das Weihnachtsfest wollen sie gemeinsam und unter sich feiern, die Geflüchteten aus Irpin, Nowograd und weiteren Orten der Ukraine. Sie kennen sich meist erst seit der Flucht, seit sie hier sind.

"Wir haben nur einen Wunsch: Dass der Krieg aufhört."
Anna, Geflüchtete aus der Ukraine

Die Frage nach ihren Wünschen beantwortete Anna prompt: "Wir haben nur einen Wunsch: Dass der Krieg aufhört." Die Gedanken seien natürlich bei den Angehörigen, man denke ständig, was wohl mit ihnen sei, übersetzt Schulz.

Die ukrainischen Kinder, wie hier der kleine Timofei, fühlen sich wohl in Kirchschönbach, wo sich nicht nur Maria Lorey um die Flüchtlinge kümmert.
Foto: Andreas Stöckinger | Die ukrainischen Kinder, wie hier der kleine Timofei, fühlen sich wohl in Kirchschönbach, wo sich nicht nur Maria Lorey um die Flüchtlinge kümmert.

Mit etwas Wehmut erzählen die Frauen, wie in der Ukraine Weihnachten begangen wird. Der Baum wird bereits am 19. Dezember, dem dortigen Tag des Heiligen Nikolaus, aufgestellt. Festtag ist für sie der 25. Dezember, nicht der 6. Januar, wie bei den russisch-orthodoxen Christen. Im Mittelpunkt stehe, ähnlich wie in Deutschland, die Familie, das gemeinsame Essen. So richtig aufgetischt werde da normalerweise.

Geflüchtete konnten sofort in das leerstehende Haus einziehen

Für Essen gesorgt ist auch bei der vorweihnachtlichen Feier mit dem Helferkreis. Die Geflüchteten halfen vorab mit, sie schmückten unter anderem die beiden Bäume im Haus. Am Abend plaudert man unbeschwert miteinander und verbringt einen gemütlichen Abend.

Die Kinder der ukrainischen Flüchtlinge, die derzeit in Kirchschönbach untergebracht sind, freuten sich über die Weihnachtsgeschenke.
Foto: Andreas Stöckinger | Die Kinder der ukrainischen Flüchtlinge, die derzeit in Kirchschönbach untergebracht sind, freuten sich über die Weihnachtsgeschenke.

Mit dabei istAlfons Saugel, dessen Schwester Doris Schlereth vor zwei Jahren das gesamte Areal des Schlosses erworben hat. Mit Maria Lorey kümmert sich Saugel um das Anwesen und um das Nebengebäude, in dem einst die Ordensschwestern wohnten. Als im März der erste Bus mit geflüchteten Ukrainern in Wiesentheid ankam, sei die Anfrage über Prichsenstadts Bürgermeister René Schlehr gekommen, ob man dort Personen unterbringen könne.

Das bis dato leer stehende Haus war sofort bezugsfertig. Aus zunächst elf, zwölf Personen wurden mit der Zeit über 20, manche gingen wieder. Ruslana ist eine von zwei Ukrainern, die von Beginn an in Kirchschönbach ist. Wie mittlerweile die meisten der erwachsenen Geflüchteten arbeitet sie bei einem Betrieb in der Umgebung.

Gemüse im Garten angebaut und im Keller eingelagert

Hier sei man in Sicherheit, man habe sich an den Ort gewöhnt, nur die Busverbindung sei nicht so gut wie zuhause. "Für die Kinder ist es wunderbar, schön in der Natur", übersetzt Katharina Schulz die Worte einer anderen Frau. Die Geflüchteten kochen, kaufen ein und versorgen sich selbst. Im Sommer bauten sie sogar einiges im Garten an, das nun im Keller in Gläsern einlagert ist.

Sie engagieren sich für die ukrainischen Flüchtlinge in Kirchschönbach: Stefan und Regina Meyer, Katharina Schulz, Maria Lorey, Christine Hofstetter, Alfons Saugel und Gerd Bauer (von links).
Foto: Andreas Stöckinger | Sie engagieren sich für die ukrainischen Flüchtlinge in Kirchschönbach: Stefan und Regina Meyer, Katharina Schulz, Maria Lorey, Christine Hofstetter, Alfons Saugel und Gerd Bauer (von links).

Für die deutschen Helferinnen und Helfer gab und gibt es immer noch viel zu tun, man unterstütze, wo es geht. So erzählt Christine Hofstetter, dass sie im Vorfeld der Geburt vom kleinen Hans als eine Art Hebamme einsprang, weil zunächst keine zur Verfügung gestanden habe. Andere leisten Fahrdienste, oder packen, wenn nötig, auch mal mit an.

Am häufigsten gefragt ist nach wie vor Übersetzerin Katharina Schulz. Sie klagt über die Unmengen an Formularen, die es auszufüllen galt – und gilt. "Der Papierkram, das hört einfach nicht auf". Über Telefon werde sie kontaktiert, da bisweilen auch Flüchtlinge beim Arzt nicht mehr weiter wüssten.

"Mit der Zeit lernt man die Leute kennen, es entwickeln sich Freundschaften. Es kommt auch etwas zurück."
Maria Lorey vom Helferkreis in Kirchschönbach

Als Ansprechpartner sind Alfons Saugel und Maria Lorey nahezu täglich vor Ort in Kirchschönbach. Sie unterstützen die Gäste, wo es nötig ist, beinahe rund um die Uhr. Ob die Schule wegen eines der Kinder anruft, oder ein Besuch beim Arzt nötig ist. Sie helfen gerne, wenn es nötig ist, so Saugel. Zum Helferkreis gehören neben den bereits Genannten auch Gerd und Hildegund Bauer, Stefan und Regina Meyer, René Schlehr und Jürgen Volk.

Der kleine Timofei spielt am Christbaum in seinem momentanen Zuhause in Kirchschönbach.
Foto: Andreas Stöckinger | Der kleine Timofei spielt am Christbaum in seinem momentanen Zuhause in Kirchschönbach.

Man kennt sich, schätzt sich, ist vertraut. Maria Lorey nimmt den kleinen Timofei in die Arme, der am Weihnachtsbaum mit den Kugeln spielt. "Mit der Zeit lernt man die Leute kennen, es entwickeln sich Freundschaften. Es kommt auch etwas zurück", schildert sie ihre Eindrücke.

Für die Geflüchteten ist diese Unterstützung auch eine Art Geschenk, für das sie sich bei der Weihnachtsfeier bei ihren guten Engeln in Kirchschönbach bedanken.

 
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  • P. K.
    Frohe Weihnachten dem Hans, seinen Eltern, dem Timofei und allen im Schloss Kirchschönbach.
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