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Landkreis Kitzingen
Warum die Jugendhilfe des Landkreises Kitzingen jetzt eine Million Euro mehr braucht
Corona hat Spuren hinterlassen, gerade bei Kindern. Bei der Jugendhilfe schlagen die Folgen immer heftiger auf – das kostet den Landkreis Kitzingen viel Geld.
Foto: Nicolas Armer, dpa | Corona hat Spuren hinterlassen, gerade bei Kindern. Bei der Jugendhilfe schlagen die Folgen immer heftiger auf – das kostet den Landkreis Kitzingen viel Geld.
Frank Weichhan
 |  aktualisiert: 11.03.2023 03:55 Uhr

Es kommt gerade einiges zusammen: die Flüchtlings- und Energiekrise, der Ukrainekrieg. Dann sind da noch die Pandemie-Nachwehen und die Inflation mit ihren wirtschaftlichen Ängsten. Ein regelrechtes Sammelsurium von Problemlagen. Das alles schlägt sich im Haushalt des Jugendausschusses des Landkreises Kitzingen nieder: In diesem Jahr wird es eine saftige Kostensteigerung geben: Über eine Million Euro mehr als im Vorjahr muss der Kreis in diesem Bereich aufbringen.

Ein gewaltiger Sprung, eine Steigerung um 17,6 Prozent. Statt wie zuletzt bei knapp sechs Millionen Euro liegt der Haushaltsansatz für 2023 bei gut sieben Millionen. Zum Glück für den Landkreis kommt man von einem vergleichsweise niedrigen Niveau; man lag zuletzt knapp unter dem bayernweiten Durchschnitt. Gerade in den Pandemiejahren 2021 und 2022 wurden einige Hunderttausend Euro weniger verbraucht – der Lockdown ließ grüßen.  

Start der Haushaltsberatungen

Mit der Millionen-Steigerung war zum Start in die Haushaltsberatungen am Montagnachmittag eine Marschrichtung für den anstehenden Sitzungsmarathon eingeschlagen: Alles geht in einer bisher kaum dagewesenen Weise ins Geld. Die undankbare Aufgabe, das siebenstellige Ausgaben-Plus zum Auftakt verkünden zu müssen, kam Pamela Schlereth zu, der neuen Leiterin des Kitzinger Jugendamtes. Weshalb man ihren während des Vortrages geäußerten Stoßseufzer, dass sie "gerne in einem anderen Jahr angefangen" hätte, durchaus nachvollziehen konnte.

Wenn der Ausschuss für Jugend und Familie so etwas wie ein Seismograf ist, dann lautete neben der allgemeinen Kostenexplosion eine weitere Botschaft am Montag: Der Kampf gegen eine bisher nicht gekannte Verwahrlosung hat begonnen. Aus schlimmen Zuständen scheinen immer öfter unhaltbare Zustände zu werden. Was zum Teil auch daran liegen könnte, dass der Wohnraum knapp ist. In vielen Familien würde sich das Geschehen in sehr beengten Verhältnissen abspielen, wie Kreisrätin Andrea Schmidt (Grüne) betonte: "Kleine Wohnungen sind ein großes Problem!"

Die Auswirkungen von Corona

Ähnlich prekär sieht es bei den Corona-Nachwehen aus: Weil es viele Beschränkungen gab, fielen einige Probleme nicht auf. Der zwischenzeitliche Stillstand sorgte für entsprechend geringere Ausgaben. Jetzt kommt es um so geballter. Mehr überforderte Familien, mehr verhaltensauffällige Kinder. Die Vorträge der Jugendhilfe gaben einen Blick frei auf gesellschaftliche Entwicklungen, die noch vor gar nicht allzu langer Zeit als völlig ausgeschlossen galten.

So war bei der Sitzung von Kindern die Rede, die so verhaltensauffällig sind, dass sie den Hortalltag sprengen und dort nicht bleiben können. Man lernt als Zuhörer, dass es inzwischen Familien gibt, die ohne einen Coach schlichtweg nicht mehr auskommen. Die bittere Wahrheit ist: Es fehlen mitunter jegliche Grundlagen.

Maike Bischoff, Sachgebietsleiterin Sozialer Dienst und mit langjähriger Berufserfahrung in diesem Bereich, berichtete sogar davon, dass sie auf Familien treffe, die den Vorwurf, dass sich in ihren vier Wänden gerade eine Kindesgefährdung abspielt, nicht einmal verstehen würden: "Die haben kein Gefühl dafür; das kommt bei den Betroffenen nicht an!" Und auch da herrschte bei den Expertinnen Einigkeit und bei vielen Kreisrätinnen und Kreisräten sichtbare Ratlosigkeit: Besserung ist nicht in Sicht – im Gegenteil.

Mehr Vorschriften, größere Anforderungen

Wohin die Reise geht, deutete Landrätin Tamara Bischof an. Die Anforderungen an das Jugendamt steigen Jahr für Jahr. Statt die Dinge einfacher zu machen, verlange der Gesetzgeber immer mehr. Bildlich gesprochen: Vorschriften und Anforderungen jagen und überholen sich gegenseitig. Das macht es teurer. Benötigten beispielsweise junge Erwachsene einen Heimplatz, liege hier der Tagessatz mitunter bei 556 Euro. Und: Eine Auswahl bei den Einrichtungen gebe es nicht. Man müsse vielmehr froh sein, überhaupt einen Platz zu bekommen.

Ein weiteres Problem: die Unplanbarkeit innerhalb der vielen komplexen Themenfelder. Wie viele Kinder und Jugendliche aus Familien geholt werden müssen, wie viele Väter keinen Unterhalt zahlen, wie viele unbegleitete Flüchtlinge in den Landkreis kommen – es ist vieles von Zufällen abhängig oder von Umständen, die sich kaum beeinflussen lassen. Die Dinge sind, wie sie sind. Und sie sind nicht gut. Es spricht deshalb wenig dafür, dass Pamela Schlereth auf absehbare Zeit bessere Zahlen verkünden kann.

 
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