Die Zeiten haben sich geändert – merklich auch in der Landwirtschaft. Zogen vor 100 Jahren noch Pferde und Kühe die Pflüge über die Äcker, so führte die Erfindung des Traktors zu einer technischen Revolution auf den Feldern. Vor einem Jahrhundert bildeten konstruierte Fahrmäher den Eintritt in ein neues Zeitalter der Landtechnik, die technische Gattung der landwirtschaftlichen Zugmaschine startete seine Erfolgsgeschichte. Dadurch wurde die Arbeit in der Landwirtschaft nicht nur erheblich vereinfacht, sondern auch beschleunigt.
Die Bauern konnten das Ackern fortan in weit kürzerer Zeit erledigen, das Heu rascher mähen und mit dem gleichzeitigen Fortschritt im Segment der Anbaugeräte ganz andere Betriebsgrößen bewältigen. Prägten einst Bulldogs der Hersteller Deutz oder Massey-Ferguson das Bild in ländlichen Raum, dominieren heute bärenstarke Boliden wie vom Marktführer Fendt. Galt vor 100 Jahren ein Bulldog mit 20 PS schon als große Errungenschaft und war in den 1980er-Jahren ein Traktor mit 80 PS schon mal der stärkste im Dorf, stießen die Hersteller in der Folge in ungeahnte Dimensionen vor. So hat der größte Serientraktor auf dem deutschen Markt, der Fendt 1000 Vario, 517 PS unter der Haube, der Fendt 1100 Vario mit Gummikettenantrieb glänzt gar mit 673 PS.
Die Familie Dennerlein/Schwab im Kitzinger Stadtteil Hohenfeld hat einen der größten Höfe im Landkreis und bewirtschaftet 350 Hektar Ackerland. Dafür braucht es große Maschinen und Geräte und folglich auch große Traktoren. Die Dennerleins haben mehrere Traktoren, darunter einen Fendt 939 Vario mit 390 PS, der aber nicht der leistungsstärkste ist. Denn wie Schwiegersohn Florian Schwab erklärt, ist der John Deere 8R 270 mit 420 PS der zugkräftigste im Haus und damit auch einer der größten im Landkreis neben dem Fendt 942 Vario des Schönborn'schen Landwirtschaftsguts in Gaibach mit gleicher Power. Für diese First-Class-Boliden sind schon mehr als 300.000 Euro zu bezahlen.
Die Zuckerrüben-Bauern zogen einst lange Schlangen hinter sich her
Das waren noch ganz andere Zeiten im alten Jahrtausend, als sich jedes Jahr im letzten Quartal das Schauspiel auf der Staatsstraße zwischen Kitzingen und Ochsenfurt wiederholte. Denn die Zuckerrübenbauern zogen mit ihren Traktoren jeweils zwei sogenannte Gummiwagen (der Name ist von der Bereifung abgeleitet), voll beladen mit Zuckerrüben, in die Zuckerstadt – und viele Autoschlangen auf dem Weg dorthin hinter sich her. Diese Zeiten sind vorüber. Aus Gründen der Rentabilität bringen heute ausnahmslos Lkws die Zuckerrüben nach Ochsenfurt.
Da im Landkreis Kitzingen relativ viele Sonderkulturen anzutreffen sind, gibt es hier auch eine große Palette an Traktoren. Die Gärtner brauchen eher weniger Motorleistung und mehr Flexibilität. Da sie nicht so viel Leistung bringen müssen, sind ihre Traktoren meist länger im Einsatz als Ackerschlepper. Während sich die Anforderungen an Garten- und Obstbau ähneln, kommen die Weinbergschlepper aus einer ganz anderen Welt.
Der Holder war robust und äußerst beliebt bei Feierabend-Winzern
Auch im Weinbau hat sich ein umfassender Strukturwandel vollzogen, und nach den Flurbereinigungen in den Jahrzehnten von 1960 bis 1980 machte ein Schlepper absolut Sinn. Mit anfahrbaren Weinbergen und leistungsfähigen Schleppern nahm die Weinbergbewirtschaftung eine merklich effektivere Form an. Wer sich rund 40 Jahre zurückerinnert, dem fällt es wie Schuppen von den Augen, dass der Knicklenker-Weinbergschlepper aus dem Hause Holder im fränkischen Weinland allgegenwärtig war. Er war wendig, robust und noch relativ preisgünstig und war so das bevorzugte Modell unter den vielen Feierabendwinzern der damaligen Zeit.
Die Zahl an Nebenerwerbsbetrieben im Weinbau hat deutlich abgenommen, die Betriebsgrößen hiesiger Weingüter sind entsprechend gewachsen, und auch die Anforderungen an die Weinbergschlepper haben sich verschoben. Wer als Weingutsbesitzer etwas auf sich hält, bedient heute den Joystick eines Fendt Vario, der um die 100.000 Euro kostet.
Die Zahl der Traktoren ist im Landkreis Kitzingen stark gesunken
Wie sich der Strukturwandel niederschlägt, das verdeutlicht die Entwicklung der Schlepper-Zahlen. Waren zu Jahresbeginn 1990 im Landkreis Kitzingen noch 7190 Traktoren mit grüner Nummer unterwegs, so sank diese Zahl bis 2002 auf 6512, und zu Jahresbeginn 2022 wurden nur noch 5964 Fahrzeuge registriert. Ein ähnliches Bild gibt eine Zahlenreihe des Kraftfahrtbundesamtes ab. Demnach wühlten sich im Jahr 1955 in Deutschland 99.340 Traktoren durch Felder und Weinberge. Diese Zahl halbierte sich bis 1980 auf 45.477, und 1993 erfasste die Statistik nur noch 28.656 Schlepper.
Viele Hersteller sind nur noch Nostalgie, aber als Oldtimer stehen restaurierte Bulldogs bei Hobby-Fahrern immer höher im Kurs. Liebhaber lassen die historischen Schnauferli in neuem Glanz erstrahlen, bei einigen reicht die Leidenschaft für Oldtimer-Bulldogs gar bis zu privaten Museen. Auf Oldtimer-Ausfahrten landauf, landab präsentieren die Besitzer ihre mobilen Lieblinge und üben sich im Fachsimpeln mit Gleichgesinnten. Den mutmaßlich ältesten Bulldog im Landkreis, einen Deutz MTZ 220 aus dem Baujahr 1928, besitzt der Kleinlangheimer Andreas Link. Von diesem Modell mit 27 PS gibt es weltweit nur noch elf Exemplare. Dieser Diesel-Bulldog stammt direkt aus Kleinlangheim, Link erwarb ihn vor geraumer Zeit in Koblenz und brachte das betagte Vehikel in seinen Heimatort zurück.