zurück
Kitzingen
Verärgerte Bauern lassen Dampf ab: Waren die Bienen nur ein Vorwand für das Volksbegehren der Naturschützer?
Fünf Jahre sind seit dem Volksbegehren "Rettet die Bienen" vergangen. Was es in Bayern gebracht hat – und warum ein Diskussionsabend in Kitzingen aus dem Ruder läuft.
Die Artenvielfalt geht stark zurück. Was wurde durch das Volksbegehren 'Rettet die Bienen' erreicht, um diese Entwicklung zu verlangsamen? Darum ging es in einer Podiumsdiskussion in Kitzingen.
Foto: Sven Hoppe/dpa | Die Artenvielfalt geht stark zurück. Was wurde durch das Volksbegehren "Rettet die Bienen" erreicht, um diese Entwicklung zu verlangsamen? Darum ging es in einer Podiumsdiskussion in Kitzingen.
Daniela Röllinger
 |  aktualisiert: 04.12.2024 02:37 Uhr

Wie viele Stühle es wohl im Publikum braucht für die Podiumsdiskussion "5 Jahre Volksbegehren 'Rettet die Bienen' – Zwischenbilanz und Ausblick", zu der Landesbund für Vogelschutz (LBV), Ödp und Bündnis 90/Die Grünen im Kreis Kitzingen eingeladen hatten? Etwa 100 Männer und Frauen folgten der Einladung ins Kitzinger Stadtteilzentrum und damit mehr, als die Organisatoren erwartet hatten. Das Interesse war groß, aber auch die Kluft, die zwischen den Beteiligten herrscht.

Die Emotionen kochten hoch, Moderator Jürgen Gläser äußerte sich "überrascht und erschrocken" über die Fronten, die sich auftaten. Schon bei der ersten Wortmeldung aus dem Publikum wurde klar: Das Vertrauen zwischen den Landwirten auf der einen sowie Politik und Vertretern von Verbänden auf der anderen Seite ist noch immer nachhaltig gestört. 

Worum ging es beim Volksbegehren "Rettet die Bienen"?

Das Volksbegehren im Jahr 2019 war das erfolgreichste bislang in Bayern: Über 1,7 Millionen Bürger haben unterschrieben. Es gilt als "Meilenstein" für den Naturschutz im Freistaat. Ein neues Naturschutzgesetz wurde verabschiedet, wobei der Ministerpräsident teilweise deutlich über die Forderungen des Volksbegehrens hinausgegangen sei, erinnerte LBV-Landesvorsitzender Dr. Norbert Schäffer in seinem Impulsvortrag. Darin zeigte er auf, wie dramatisch sich der Vogelbestand in den vergangenen Jahrzehnten verringert hat. In der Agrarlandschaft habe man über die Hälfte der Arten verloren. Das sei kein Vorwurf an die Landwirte; kein Landwirt habe etwas Illegales getan. Er beschreibe als Biologe die Ausgangssituation, die herrschte, als es vor fünf Jahren hieß, so könne es nicht weitergehen und das Volksbegehren initiiert wurde.

Was wurde bislang erreicht?

Ein Erfolg: Fünf Millionen Streuobstbäume sollen erhalten, eine Million neue gepflanzt werden.
Foto: Steffen Kahl  (Archivbild) | Ein Erfolg: Fünf Millionen Streuobstbäume sollen erhalten, eine Million neue gepflanzt werden.

Als bislang größten Erfolg bezeichnete Schäffer den Streuobstpakt. Streuobstberater wurden eingestellt, die fünf Millionen noch vorhandenen Streuobstbäume sollen erhalten, eine Million neue nachgepflanzt werden.  Zehn Prozent der Staatswälder wurden aus der Nutzung genommen. Weitergekommen sei man auch beim Grünland und den Gewässerrandstreifen – die Landwirte müssen jetzt mit ihrer Bewirtschaftung mehr Abstand halten. Langsamer komme man beim Ökolandbau voran. Und bei den Biotopverbünden, zusammenhängenden Flächen, die einem besonderen Schutz unterliegen, sei noch nicht viel passiert. Dabei hält Schäffer dieses Ziel für wichtiger als alle anderen zusammen.

Was sagen die Vertreter der Politik?

Wie die Ödp-Landesvorsitzende Agnes Becker, eine der Initiatorinnen des Volksbegehrens, sagte, sei es nie darum gegangen, ob sich die Sache politisch lohne. Die Krefelder Insekten-Studie habe aufgeschreckt. Demnach hat die Biomasse flugaktiver Insekten in Naturschutzgebieten in 27 Jahren um über 75 Prozent abgenommen. Man habe etwas gegen das Artensterben tun müssen. Die Menschen seien durch das Volksbegehren auf das Artensterben aufmerksam geworden, sagte Patrick Friedl, MdL Bündnis 90/Die Grünen. Dass sich die Gesetzeslage geändert habe, sei ein Erfolg. Teilweise seien die Ziele aber hoch gesetzt – da stelle sich die Frage, ob überhaupt ernsthaft politische Schritte unternommen werden, um sie wirklich zu erreichen. Diese Ernsthaftigkeit vermisse er.  

Was sagen die Landwirte?

Was hat das Volksbegehren "Rettet die Bienen" gebracht und wie geht es weiter? Bei der Diskussion in Kitzingen gab es teilweise sehr emotionale Debatten, insbesondere mit dem Publikum.
Foto: Daniela Röllinger | Was hat das Volksbegehren "Rettet die Bienen" gebracht und wie geht es weiter? Bei der Diskussion in Kitzingen gab es teilweise sehr emotionale Debatten, insbesondere mit dem Publikum.

In den Aussagen auf dem Podium und im Publikum wurde deutlich, dass die Landwirte noch immer sehr verärgert sind. "Auf uns wurde projiziert, wir hätten die Schuld an der Misere", sagte der stellvertretende Kitzinger BBV-Kreisobmann Helmut Schmidt. Den Landwirten sei gesetzlich viel übergestülpt worden, was zuvor freiwillig schon geleistet und über das Kulturlandschaftsprogramm (KuLaP) gefördert worden sei. Manches könnten die Bauern noch gar nicht umsetzen. Beispielsweise bei den Gewässerrandstreifen habe es uralte Pläne gegeben und erst jetzt, nach fünf Jahren, lägen neue Kartierungen vor. Einer der Kritikpunkte der Landwirte ist noch immer, die Biene sei für das Volksbegehren instrumentalisiert worden, dabei sei die Honigbiene ein Haus- und kein Wildtier. Es gehe um den Lebensraum, erwiderte Agnes Becker darauf und der sei bei Honig- und Wildbienen gleich. 

Was fordern die Landwirte?

Die Landwirtschaft leiste schon viel für den Arten- und Naturschutz, sagte Pascal Böhnlein, Landwirt aus Dimbach bei Volkach, unter anderem über das KuLaP. Wenn die Landwirte einen Beitrag für die Gesellschaft erbringen, müsse dieser Aufwand auch vergütet werden. Dabei sei wichtig, dass die Regelungen nicht nur ein paar Jahre gelten und dann wieder über den Haufen geworfen werden, fügte Helmut Schmidt an. Am Beispiel Ökolandbau und dem zwischenzeitlichen Preisverfall für Ökoprodukte erklärte Böhnlein, es sei nicht richtig, wenn für einen höheren Aufwand und ein hochwertigeres Gut weniger Geld gezahlt werde. "Das Problem ist der Verbraucher." Würde der sein Kaufverhalten tatsächlich umstellen, wären mehr Bauern bereit, auf biologischen Anbau umzustellen. Einen wichtigen Schritt in diese Richtung nannte Friedl: Öffentliche Kantinen müssten mehr Bio- und regionale Produkte kaufen. Den Ruf der Landwirte nach mehr Verlässlichkeit nannte er nachvollziehbar.

Wie ist das Fazit?

Artenschutz und die Frage, was dafür zu tun ist, ist letztlich nicht nur ein agrarpolitisches, sondern ein gesellschaftliches Problem, sagten sowohl Dr. Otto Hünnerkopf, ehemaliger Landtagsabgeordneter, der eine kleine landwirtschaftliche Fläche bewirtschaftet und als "Grüner" innerhalb der CSU gilt, als auch Edith Sachse von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. "Lassen Sie uns die Misere anerkennen und gemeinsam nach Lösungen suchen", appellierte Norbert Schäffer. Ob dieser Abend ein Schritt dahin war? Zumindest verließ nach Ende der Veranstaltung kaum einer gleich den Saal, vielmehr standen die Menschen noch eine ganze Zeit lang in Gruppen zusammen und diskutierten.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Kitzingen
Daniela Röllinger
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft
Artenschwund
Bienen
Bündnis 90/Die Grünen Würzburg
CSU Würzburg
Helmut Schmidt
Landwirte und Bauern
Otto Hünnerkopf
Patrick Friedl
Volksbegehren
Ökologische Landwirtschaft
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Andreas Gerner
    Die Meinungsbeeinflusser, die das Volksbegehren angeschoben haben, sprechen vom großen Artensterben.
    Die sogar mit einem Nachhaltigkeitspreis behängte Gallionsfigur Agnes Becker verweist noch immer auf die "Krefeldstudie", obwohl die äußerst anschaulich belegte, was die dramatischen Folgen sind, wenn man im großen Stil Flächen aus der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung nimmt und sie zu Naturschutzgebieten macht: Anfangs gab es noch sehr viele Insekten. Nach etwa 3 Jahrzehnten auskargendem "Naturschutz" war die Insektenmasse bereits um beispiellose fast 3/4 reduziert.

    Wer dagegen einfach nur ergebnissoffen zählt, stellt einen Artenzuwachs fest.
    Siehe

    https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/jetzt-hat-er-wieder-seinen-bodendecker-blick-so-arbeitete-lenz-meierott-an-dem-mammutwerk-ueber-die-flora-von-bayern-art-11644202
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Andreas Gerner
    Während die Landwirte die verbindlichen Vorgaben bereits einhalten, haben sich andere Beteiligte erfolgreich um wichtige Maßnahmen gedrückt.
    Beispielsweise nimmt die nächtliche Lichtemission von Siedlungsflächen noch immer von Jahr zu Jahr zu !
    Wie der Rückgang der Artenvielfalt bei nachtaktiven Insektenarten so umgekehrt werden soll, bleibt ein Rätsel. Vermutlich wird bei den Initiatoren des Volksbegehrens bald reagiert mit Forderungen nach Verbreiterung der Gewässerabstandsstreifen und noch mehr stillgelegten Äckern...

    Obwohl man bereits weiß, dass die Extensivierung der Anbauflächen hierzulande zu Minderproduktion und damit automatisch zu steigendem Importbedarf und damit anderswo auf der Welt zu mehr Rodung von Regenwald (artenreichster Lebensraum überhaupt) führte, also unterm Strich in Summe zu mehr Artenverlust, wird weiter so berichtet, als sei der Schritt richtig gewesen und man auf einem guten Weg.

    So klappt das ganz bestimmt.
    Weiter so!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Beatrix Radke
    Die Artenvielfalt ist das Netz das uns erhält: sauberes Wasser, Luft zum atmen, fruchtbare Böden … Es ist in unser aller Interesse das Artensterben zu stoppen, wir sind auch nur ein Teil dieser Lebensgemeinschaft. Kurz gesagt, wir sägen den Ast ab auf dem wir sitzen. Es sollte gemeinsam nach Lösungen gesucht werden. Gräben nutzen keinem, auch den Landwirten nicht!

    Es gibt übrigens ca. 540 Wildbienenarten (Hummeln gehören auch dazu). „Rettet die Bienen“ meinte keineswegs nur die Honigbiene :)
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Andreas Gerner
    Interessante Aussage.
    Woher soll man den wissen, welche Biene konkret gemeint war, wenn die nur für die Überschrift, also quasi den "Schlachtruf" herhalten musste (Dass die Leute zu den Rathäusern fuhren und ihre Unterschrift abgaben), aber im beiliegenden Gesetzestextvorschlag die Biene genau wie oft vorkommt ?
    Genau: Gar nicht !

    So hätte das Volksbegehren damals überhaupt nicht zugelassen werden dürfen. Es hätte zumindest überarbeitet werden müssen, um auch ehrlich zu sein (hätte dann aber sicher nicht den gleichen Zuspruch erhalten). Aber man hatte die "neutralen Entscheider" ja auf seiner Seite...

    https://volksbegehren-artenvielfalt.de/wp-content/uploads/2018/06/Antrag-auf-Zulassung-des-Volksbegehrens-Artenvielfalt.pdf
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Christa Büttner
    Natürlich sollten auch die Verbraucher ihrer Verantwortung nachkommen. Aber. Es ist ein Versagen der Staatsregierung, wenn der gesetzlich festgelegte Anteil an
    Bio.Prodekten in öffentlichen Kantinen nicht erreicht wird.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Robert Hippeli
    ... kein Landwirt habe etwas Illegales getan ... ist ja Logisch, kein Politiker traut sich die laschen Regelungen anzuziehen, sonst werden gleich Straßen wochenlang blockiert und Fähren und Politikerautos bedrängt.
    Bei unserer Lobbykratie bewegt sich nichts mehr!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Gerhard Müller
    MdL Patrick Friedl bringt es auf den Punkt, neben den menschengemachten Klimastörungen ist das Artensterben DAS zweite große Globalproblem!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Robert Hippeli
    @Gerhard Müller: ich setze noch eines drauf: Die durch Staaten subventionierte und von den Religionen angetriebene Weltüberbevölkerung ist das ERSTE Problem dann folgt .....
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Peter Koch
    Man hätte das Volksbegehren auch Rettet die Bauern nennen können. Parkinson durch Pestizide und andere ...zide ist neu in der Liste der Berufskrankheiten aufgenommen worden. Was Bienen umbringt killt auch Bauern und das ziemlich qualvoll.
    https://www.lwk-niedersachsen.de/lwk/news/41652_Parkinson_durch_Pestizide_neu_in_der_Liste_der_Berufskrankheiten
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Robert Hippeli
    Danke Peter Koch, hab es gelesen.

    Diese Logik muss man erst mal verdauen!

    Pestizide machen Landwirte krank, die Natur und den Verbraucher aber nicht???
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Andreas Gerner
    Wenn Sie die Substanzen von vor 50 Jahren gleichsetzen mit den geprüften Wirkstoffen und Präparaten von heute...

    Aus guten Gründen wurden in der Zwischenzeit ja zahlreiche Kandidaten vom Markt genommen.

    "Lustigerweise" sind die anderswo auf der Welt noch erlaubt und im Einsatz. In ein paar Tagen wird wohl das Mercosur Abkommen auf den Weg gebracht werden und dann kommen die Rückstände genau dieser Substanzen wieder in unsere Nahrung. Wie festgeschrieben OHNE explizide Deklarierung von Herkunft und Herstellungsweise auf den verkauften Produkten im Handel.

    Guten Appetit.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Peter Koch
    Die Landwirte trifft es halt wesentlich härter wenn sie die Gifte spritzen und bei Rückenwind im Sprühnebel auf dem Traktor sitzen und den Dreck einatmen. Ich hab jedenfalls noch keinen Bauern mit schwerem Atemschutz arbeiten sehen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten