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Kitzingen
Unfassbares Ausmaß an Tierquälerei sorgt bei Staatsanwalt für Schnappatmung: "Habe so etwas noch nie gesehen!"
Aus dem Gericht: Ein 33-Jähriger hält sich gern Tiere als Hobby. Aber zugleich ist er damit komplett überfordert. Diese Mischung endet für zwei Herden im Fiasko.
Weil er mit seiner Schaf- und Ziegenherde überfordert war, überließ ein 33-Jähriger die Tiere sich selbst – was teilweise zu einer unfassbaren Qual führte. 
Foto: Martin Schutt, dpa (Beispielbild) | Weil er mit seiner Schaf- und Ziegenherde überfordert war, überließ ein 33-Jähriger die Tiere sich selbst – was teilweise zu einer unfassbaren Qual führte. 
Frank Weichhan
 |  aktualisiert: 16.01.2025 02:37 Uhr

Der Angeklagte kommt kaum mit seinem eigenen Leben zurecht. Die Probleme fangen im Grunde schon damit an, wenn er sich um seine Post kümmern muss. Der 33-Jährige ist schnell überfordert, bringt vieles einfach nicht auf die Reihe und scheitert an einfachsten Dingen.  Ausgerechnet diesem Mann fällt es ein, sich Tiere zuzulegen. Nutztierhaltung als Hobby – in diesem Fall eine absurde Idee, die im Fiasko endet, wie eine Verhandlung vor dem Kitzinger Gericht zeigt.

Die Erkenntnis, dass Tierliebe alleine nicht reicht, sondern man sich auch kümmern muss, kommt für viele Schafe und Ziegen zu spät. Es sind schlimme Bilder, die sich das Gericht in den Prozessakten anschauen muss. Ein Schafbock mit gebrochenem Hinterlauf, der auf behördliche Veranlassung vor Ort eingeschläfert werden musste. Vier Schafe, die sich in einem unsachgemäß aufgestellten Weidezaun verhedderten und elendig verendeten. Hochgradig ausgezehrte Tiere, abgemagert bis auf das Skelett. Herumliegende Schädel, aufgedunsene Kadaver.

Fassungslosigkeit im Gerichtssaal

"Vollkommen mit allem überfordert", so beschreibt der Staatsanwaltschaft den Möchtegern-Hobby-Tierhalter. Er habe "solche krassen Fälle noch nie gesehen". Die Fassungslosigkeit im Gerichtssaal ist greifbar. "Es graust einen!", wird die Staatsanwaltschaft später beim Plädoyer noch einmal sehr deutlich. Und versucht zu beschreiben, was schwer zu beschreiben ist: Schlimmer habe es selbst "im tiefsten Russland vor 100 Jahren" nicht zugehen können. Weshalb die Staatsanwaltschaft neben einer knackigen Strafe vor allem eines unbedingt will: Dass der Mann auf der Anklagebank niemals, aber auch wirklich niemals wieder Tiere halten darf

Zuvor hatte dessen Verteidiger alle Vorwürfe eingeräumt – wobei es ob der klaren Beweislage auch nichts zu bestreiten gegeben hätte. Der 33-Jährige bedauere "zutiefst", was geschehen sei. Er habe sich Dinge zugetraut, denen er schlichtweg nicht gewachsen gewesen sei, so der Anwalt im Namen seines Mandanten. 

Fußball wichtiger als Tierwohl

Wie dieses Nicht-gewachsen-Sein aussah, schilderten auch die beiden als Zeuginnen befragten Vertreterinnen des Veterinäramtes eindeutig. Gerade auf die rund um Photovoltaikanlagen gehaltenen Schafe habe der Angeklagte so gar keinen Zugriff gehabt. "Da passte gar nichts", so eine der Zeuginnen. Bei einem Besuch sei es beispielsweise so gewesen, dass der Angeklagte lieber zum Fußballtraining gefahren sei, als der dringenden Aufforderung nachzukommen, seine Tiere umgehend zu tränken.

Auch rund um das landwirtschaftliche Wohnhaus, in dem viele Familienmitglieder unter einem Dach leben, habe es zunehmend unhaltbare Zustände gegeben. So hätten "halbe Schafsköpfe auf dem Hof" gelegen. Im Zweifelsfall sei nie ein Tierarzt geholt worden. Er habe schlichtweg "kein Gefühl für Tiere", bringt es eine der Zeuginnen auf den Punkt.

Wobei sich die Behörden an dem Mann ohne Erfolg abarbeiten: Selbst Zwangsgelder – am Ende waren es 1900 Euro – bringen keinen Erfolg und bleiben sogar unbezahlt. So wie auch die bisherigen gerichtlichen Strafen nicht helfen. Die laut Anklage "quälerischen Misshandlungen" hören nicht auf, weil alle Hinweise, Mahnungen und Androhungen auf taube Ohren stoßen. Zwei vorangegangene Urteile im Jahr 2020 und 2021 bringen zwar weitere hohe Geldstrafen von erst 90 und dann 130 Tagessätzen – aber eben keine Besserung.

Unklare Größe der Herde

Es gibt weiterhin Kontrollen, es gibt weiterhin Anzeigen. Was dann doch Wirkung zeigt: Irgendwann im Jahr 2023 hat das Veterinäramt den Mann dann so weit, dass er mehr oder weniger freiwillig seine Schaf- und Ziegenherden nach und nach auflöst. Zu diesem Zeitpunkt ist aber längst der Überblick über die Größe der Herde verloren gegangen – weil Tiere einfach verschwinden. Im Zweifelsfall verenden sie, um dann vom ebenfalls vernachlässigten Herdenhund angenagt zu werden.

Auch wenn der Spuk dann irgendwann im Sommer 2024 vorbei ist – so bleibt doch noch ein Problem: Der 33-Jährige ist Halter eines Hundes. Zudem leben noch mehr Hunde in dem gemeinsamen Anwesen, das der Staatsanwalt mit einer "Wagenburg" vergleicht. Was so viel heißt wie: Man verschanzt sich dort vor der Welt, um in einer eigenen Welt zu leben. Weshalb dort – gerade wenn wieder Welpen im Spiel sind – auch heute noch teilweise ein Dutzend Hunde leben. Zudem befinden sich aktuell noch zwei Esel auf dem Anwesen.

Esel müssen umgehend weg

Die müssen so schnell wie möglich dort weg. Das von der Staatsanwaltschaft geforderte Tierhalteverbot gilt ab sofort – samt weiterer klarer Ansagen: Der Mann steht ab jetzt, so das Urteil von Strafrichterin Ingrid Johann, drei Jahre unter Bewährung und unter Aufsicht eines Bewährungshelfers. Hält er sich nicht daran, dass er keine Tiere halten darf, muss er ein Jahr in Haft. Seinen eigenen Hund darf er behalten, nach Ansicht des Veterinäramtes sei das vertretbar.

In der Urteilsbegründung spricht das Gericht von einem "verachtenswürdigen" Verhalten des Angeklagten. Nicht zuletzt durch seine jahrelange Uneinsichtigkeit sei er "ein Dauerstraftäter". Auch wenn jetzt scheinbar eine gewisse Einsicht vorhanden sei und nur das Geständnis den Mann vor Haft bewahrt hat, sitze er ab jetzt drei Jahre "auf einem Pulverfass". Das Gericht macht deutlich: In Bezug auf das Tierwohl könnte schon bei der "kleinsten Kleinigkeit" die Bewährung widerrufen werden. 

 
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Kommentare
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  • Anette Klotzek
    Es ist sehr traurig, was die Tiere erleiden mussten. Allerdings sollte die Staatsanwaltschaft & alle anderen mal ein Blick in viele große Tierhaltungsbetriebe werfen. Nur alle 17 Jahre werden diese in D im Schnitt kontrolliert. In Bayern sogar nur alle 48 Jahre!
    https://www.food-monitor.de/2024/12/wie-oft-werden-tierhaltende-betriebe-kontrolliert/
    Tierquälerei wird täglich von Konsumenten in Auftrag gegeben für Fleisch, Leder, Pelz, Milch, Eier etc. Wann werden nicht nur "Hobbyhalter" bestraft, sondern auch die vielen Verstöße in der Tierindustrie?
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  • Anette Klotzek
    Quellenangaben fehlen. Bitte belegen Sie Ihre Aussagen mit entsprechenden Links und fügen Sie diese in einen neuen Kommentar ein.
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  • Ursula Franz
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • Ulrike Schneider
    Seinen eigenen Hund darf er behalten, es wäre vertretbar.

    Warum? Woran macht man das fest? Dieses Tier ist diesem "Mensch" hilflos ausgeliefert. Man kann nur hoffen, dass diesmal wirklich kontrolliert und dabei auch hingesehen wird.
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  • Steffen Cyran
    Daß der Mann seine Tiere so grausam vernachlässigt hat, ist ein Skandal.

    Ein weiterer Skandal ist aber dies: "...Wobei sich die Behörden an dem Mann ohne Erfolg abarbeiten: Selbst Zwangsgelder – am Ende waren es 1900 Euro – bringen keinen Erfolg und bleiben sogar unbezahlt. So wie auch die bisherigen gerichtlichen Strafen nicht helfen. Die laut Anklage "quälerischen Misshandlungen" hören nicht auf, weil alle Hinweise, Mahnungen und Androhungen auf taube Ohren stoßen......"

    Das kommt einem bekannt vor, z.B. auch von vernachlässigten/gequälten/getöteten Kindern, wo auch die Behördenmechanismen, warum auch immer, nicht funktioniert haben.
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  • Roland Albert
    Die Unfähigkeit des Veterinäramtes wird hier nicht gewürdigt.
    Bei einer derartigen Kenntnis von Sachbeschädigung mit Tierquälerei ist eine Zeitspanne und die Fristen, die zu“wahren“ sind, reine Ignoranz für das Tierwohl.
    Das Amt kann sich glücklich schätzen, auf keinen intelligenteren Akteur getroffen zu sein.
    Hoffen wir das Beste, dass der sich diesmal an die Auflagen hält.
    Unbezahlte Zwangsgelder wurden nicht eingetrieben?.. wer hat das verpennt?
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