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Landkreis Kitzingen
Übertritt: Mittelschulen bieten gute Chancen für Praktiker
Hat die Mittelschule zurecht einen schlechten Ruf? Zwei Lehrer räumen mit Vorurteilen auf und erklären, warum der Fachkräftemangel eine Chance für diesen Bildungsweg ist.
Übertritt: Mittelschulen bieten gute Chancen für Praktiker
Julia Lucia
 |  aktualisiert: 08.02.2024 20:19 Uhr

Wer bei weiterführenden Schulen nur an Gymnasium und Realschule denkt, wird nicht der Freund von Jürgen Wolff, Rektor der Dr.-Karlheinz-Spielmann-Grund- und Mittelschule in Iphofen. "Auch die Mittelschulen sind weiterführende Schulen", sagt er kämpferisch. Andreas Liebald, Mittelschullehrer in Wiesentheid, nickt. Beide sind sich einig: Mittelschulen sind "tolle Schulen", aber kaum einer kriegt es mit.

Deswegen wollen sie Eltern und Schülern die Berührungsängste vor der Mittelschule, "der Pflichtschule" nehmen. Denn: "Nicht alle Kinder, die aufs Gymnasium gehen, gehören dahin", sagt Liebald. Etwa 40 Prozent der Viertklässler wechseln aufs Gymnasium und etwa 30 Prozent auf die Realschule, rechnet Wolff vor. Etliche wären an der Mittelschule besser aufgehoben. Denn manche Kinder kämen mit den Fachlehrerprinzip an Realschule und Gymnasium nicht zurecht.

"Das ganz große Plus der Mittelschule ist das Klassenlehrerprinzip", erklärt Liebald, der als Beratungslehrer auf den Infoabenden für die Übertrittsklassen Werbung für die sieben Mittelschulen im Landkreis macht. "Schließlich sehen die Kinder ihre Lehrer ja meistens öfter als die Eltern."

Der Iphöfer Mittelschulrektor Jürgen Wolff (links) und der Wiesentheider Beratungslehrer Andreas Liebald wollen den Ruf der Mittelschule verbessern.
Foto: Julia Lucia | Der Iphöfer Mittelschulrektor Jürgen Wolff (links) und der Wiesentheider Beratungslehrer Andreas Liebald wollen den Ruf der Mittelschule verbessern.

Wolff und Liebald beklagen den Druck, der auf die Kinder gemacht wird. Seit der Schulreform um die Jahrtausendwende ist der Erfolgsdruck in der Grundschule besonders hoch. Nicht grundlos heißt das Übertrittszeugnis in der 4. Klasse Grundschulabitur. Doch gute Noten sind nicht die alleinige Voraussetzung für das Gymnasium. Fleiß, Ehrgeiz und Durchhaltevermögen gehören genauso dazu. Die Eltern müssten hier mehr auf die Einschätzung der Lehrerinnen und Lehrer vertrauen, erklären Wolff und Liebald unisono.

"Ich kann's nicht mehr hören!"
Rektor Jürgen Wolff zu den Vorurteilen über Mittelschüler

Und dann sie da noch die Schülerinnen und Schüler, die in ihrer Entwicklung hintendran sind. "Die Spätzünder" nennt sie Liebald fast schon liebevoll. Immer wieder erleben Wolff und Liebald Jugendliche, die vor dem Abschluss richtig durchstarten und nicht mit dem Quali aufhören.

Die Mittelschule hat ein Imageproblem

"Die Mittelschule ist keine Sackgasse", sagt Wolff. Aber solange bereits in der 4. Klasse aussortiert wird, kann er noch so sehr für die Mittelschule werben. Es hört kaum einer zu. "Ein Imageproblem haben wir doch schon seit 40 Jahren", erklärt er frustriert. Dabei sei das Schulsystem ein nach oben offenes System, weist Wolff auf alle Möglichkeiten hin. Auch nach dem Quali ist das Abitur möglich – es dauert nur länger. Wer nur Misserfolg an Realschule und Gymnasium erlebe, könne an der Mittelschule die Bestätigung finden, die ihn auf die Erfolgsspur bringe.

Fachkräftemangel: Nachfrage nach möglichen Lehrlingen an Mittelschulen steigt

Die kann auch im Handwerk liegen. Wer den Meisterbrief hat, kann mittlerweile ohne Abitur studieren. Überhaupt sind gute Handwerker sehr gefragt. Das merken auch die Mittelschulen. Seitdem der Fachkräftemangel deutlich zu spüren ist, fragen viele Betriebe aus dem Landkreis direkt an den Schulen nach potenziellen Lehrlingen. Denn durch den hohen Praxisanteil bereitet die Mittelschule am besten auf den Beruf vor. "Wer gut ist, braucht sich um seine Zukunft keine Sorgen zu machen", sagt Wolff.

Aber das gilt in jeder Schule, genauso wie die Vorurteile, die sich die Mittelschulen anhören müssen. "Ich kann's nicht mehr hören", wird Wolff deutlich, wenn er mit Vorurteilen konfrontiert wird. Liebald gibt zu, dass es in den Mittelschulen schon mehr "Vermeider" wie er sie nennt gibt als in den anderen Schulformen. "Das heißt aber nicht, dass die Mittelschule eine schlechte Schule ist", sagt er. Besonders Kinder, die die Welt mit den Händen begreifen und verstehen, seien an der Mittelschule richtig – mit guten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start ins Berufsleben.

Im Folgenden ein Überblick über die Mittelschulen im Landkreis Kitzingen und ihr Profil:

Mittelschule Buchbrunn

Die Mittelschule in Buchbrunn.
Foto: MS Buchbrunn | Die Mittelschule in Buchbrunn.
  • Schüler: 114, 59 Mädchen und 55 Jungen
  • Lehrer:  15, davon 10 weiblich und 5 männlich
  • Besonderheiten: Schulprofil Inklusion
  • Betreuung: offener Ganztag an zwei bis vier Tagen bis 16 Uhr, kostenlos
  • Kosten Mittagessen: 4 bis 4,50 Euro
  • Verbund mit: D.-Paul-Eber-Mittelschule Kitzingen und Mittelschule Kitzingen-Siedlung

D.-Paul-Eber-Mittelschule Kitzingen

Die D.-Paul-Eber-Mittelschule in Kitzingen.
Foto: Katrin Beinrott | Die D.-Paul-Eber-Mittelschule in Kitzingen.
  • Schüler: 228, 99 Mädchen und 129 Jungen
  • Lehrer: 27, davon 17 weiblich und 10 männlich
  • Besonderheiten: Mittlere-Reife-Zug, Deutschklasse
  • Betreuung: offener Ganztag an zwei bis vier Tagen bis 16 Uhr, kostenlos
  • Kosten Mittagessen: 3,75 Euro
  • Verbund mit: Mittelschule Buchbrunn und Mittelschule Kitzingen-Siedlung

Mittelschule Kitzingen-Siedlung

Die Mittelschule Kitzingen-Siedlung.
Foto: Bernd Lussert | Die Mittelschule Kitzingen-Siedlung.
  • Schüler: 194, 76 Mädchen und 118 Jungen
  • Lehrer: 21, davon 14 weiblich und 7 männlich
  • Besonderheiten: Schule mit Courage – Schule gegen Rassismus, Zusammenarbeit mit Förderzentrum Erich-Kästner-Schule
  • Betreuung: Ganztagsklassen von der 5. bis zur 9. Klasse, kostenlos
  • Kosten Mittagessen: 4,50 Euro
  • Verbund mit: Mittelschule Buchbrunn und D.-Paul-Eber-Mittelschule Kitzingen

Dr.-Karlheinz-Spielmann-Mittelschule Iphofen

Die Dr.-Karlheinz-Spielmann-Mittelschule in Iphofen.
Foto: MS Iphofen | Die Dr.-Karlheinz-Spielmann-Mittelschule in Iphofen.
  • Schüler: 130, 68 Mädchen und 62 Jungen
  • Lehrer: 19, davon 10 weiblich und 9 männlich
  • Besonderheiten: Mittlere-Reife-Zug im Verbund möglich
  • Betreuung: offener Ganztag an zwei bis vier Tagen bis 16 Uhr, kostenlos; Ganztagsklasse in der 7. Jahrgangsstufe
  • Kosten Mittagessen: 4 bis 4,50 Euro
  • Verbund mit: Mittelschule Marktbreit und Mittelschule Scheinfeld

Mittelschule Marktbreit

Die Mittelschule in Marktbreit.
Foto: MS Marktbreit | Die Mittelschule in Marktbreit.
  • Schüler: 88, 32 Mädchen und 56 Jungen
  • Lehrer: 10, davon 7 weiblich und 3 männlich
  • Besonderheiten: Mittlere-Reife-Zug im Verbund möglich
  • Betreuung: offener Ganztag an zwei bis vier Tagen bis 16 Uhr, kostenlos
  • Kosten Mittagessen: 4,45 Euro
  • Verbund mit: Dr.-Karlheinz-Spielmann-Mittelschule Iphofen und Mittelschule Scheinfeld

Mittelschule Volkach

Die Mittelschule in Volkach.
Foto: Thomas Riehle | Die Mittelschule in Volkach.
  • Schüler: 253, 100 Mädchen und 153 Jungen
  • Lehrer: 32, davon 19 weiblich und 13 männlich
  • Besonderheiten: Mittlere-Reife-Zug, LemaS-Projektschule (gemeinsame Bund-Länder-Initiative zur Förderung leistungsstarker Schülerinnen und Schüler unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder sozialem Status)
  • Betreuung: offener Ganztag an zwei bis vier Tagen bis 16 Uhr, kostenlos;
  • Kosten Mittagessen: etwa 3,30 Euro
  • kein Verbund

Mittelschule Wiesentheid

Die Mittelschule in Wiesentheid.
Foto: Andreas Stöckinger | Die Mittelschule in Wiesentheid.
  • Schüler: 264, 118 Mädchen und 146 Jungen
  • Lehrer: 33, davon 24 weiblich und 9 männlich
  • Besonderheiten: Mittlere-Reife-Zug, Deutschklasse, Praxisklasse
  • Betreuung: Ganztagsklassen von der 5. bis zur 9. Klasse, kostenlos
  • Kosten Mittagessen: 3,40 Euro
  • kein Verbund

Was ist eine Praxisklasse?

Profil: Seit zwölf Jahren gibt es die Praxisklasse an der Mittelschule Wiesentheid. In dieser Klasse werden Jugendliche aus dem gesamten Landkreis im letzten Schuljahr unterrichtet, die keine Aussicht auf einen Schulabschluss oder Ausbildungsplatz haben. Die Teilnehmer haben Defizite beim Lesen, Schreiben und Rechnen. Durch die kleine Klassengröße (max. 14 Kinder) und die zusätzliche Betreuung durch eine Sozialpädagogin werden die Schülerinnen und Schüler individuell gefördert. Die Praxisklasse wird vom Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert.
Unterricht: Im Unterricht geht es neben der Vermittlung der Kulturtechniken auch um Schlüsselqualifikationen wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Ausdauer, Leistungsbereitschaft, Sorgfalt, Durchhaltevermögen, Verantwortungsbewusstsein, Teamfähigkeit und Kritikfähigkeit.
Zugang: Nach einem Gespräch zwischen Eltern, Schüler und Lehrer wird ein Vertrag abgeschlossen, in dem die Rechte und Pflichten festgeschrieben sind. Der Besuch der Praxisklasse ist freiwillig und kann jederzeit bei Vertragsbruch beendet werden.
Vermittlungsquote: Nicht alle Schüler und Schülerinnen schaffen die Anforderungen in der Praxisklasse. Durchschnittlich müssen zwischen 20 und 30 Prozent die Klasse wieder verlassen. Wer durchhält, dem winkt ein Ausbildungsvertrag oder die Übernahme in eine Berufsvorbereitende Maßnahme.
Quelle: Mittelschule Wiesentheid
 
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