Wenn von "abwickeln" die Rede ist, hat Klaus Reder Bilder der Treuhandanstalt vor Augen – jener Industrieholding, die in den 1990er-Jahren vor der Aufgabe stand, eine ehemals sozialistische Planwirtschaft in eine demokratische Marktwirtschaft umzuwandeln. Die meisten der rund 8000 volkseigenen Unternehmen der ehemaligen DDR blieben dabei auf der Strecke, wurden plattgemacht, weil sie nicht produktiv oder rentabel genug waren.
"Abwicklung", sagt Reder, "hat so einen negativen Beigeschmack." Der Begriff, über den der unterfränkische Bezirksheimatpfleger an diesem Abend stolpert, schwebt über dem Städtischen Museum in Kitzingen, seit es im Herbst 2018 von der Stadt geschlossen wurde. Oberbürgermeister Stefan Güntner (CSU) sagte damals, man habe die Formulierung bewusst "sehr scharf" gewählt.
Güntner und einer Mehrheit im Stadtrat ging es darum, ein Anhängsel loszuwerden, das der Stadt in ihrer Sicht wie ein Mühlstein um den Hals hing. Die Besucherzahlen niedrig, die Kosten hoch, dazu ein Sammlungskonzept, das Reder rückblickend als "eher zufällig" bezeichnete und das man im Kern der damaligen Museumsleiterin anlastete. Von ihr trennte sich die Stadt schließlich in einem langen Arbeitsgerichtsprozess. Verwundert nahm mancher deshalb zur Kenntnis, dass Reder nun im Stadtrat zu einem Vortrag ansetzte, den man als Bekenntnis zu einem "Museum light" deuten konnte.
Für Manfred Paul (SPD), der die Schließung des stadtgeschichtlichen Museums mit am schärfsten kritisiert hatte, hörten sich Reders Worte "zwischen den Zeilen wie ein Loblied auf das Museum" an. "Ich dachte immer, wenn wir von Abwicklung sprechen, dann heißt das: Tür zu, das Zeug wegschließen, und die Öffentlichkeit bleibt außen vor." Was hat die Stadt nun mit dem Haus und seinen zahlreichen Exponaten vor, dass sogar Paul sagte, er sei von der Idee "fast begeistert"?
Reder und andere sahen sich zunächst zu einer Klarstellung veranlasst: dass es "kein Zurück" zum alten Konzept der Dauerausstellung geben werde. Sehr wohl aber werde die "museale Zukunft der Stadt auf neue Füße gestellt". Konkret bedeutet das: Nicht alles, was sich derzeit noch in dem langgestreckten Bau in der Landwehrstraße befindet, wird verscherbelt, die Sammlung soll sogar um neuzeitliche Stücke ergänzt werden.
Alle Objekte, die man für bedeutend genug hält, sollen im hochwertigen Depot im ersten Stock gelagert und konserviert werden. Aus diesem exklusiven Fundus werden dann Wander- oder Sonderausstellungen bestückt, die verteilt über die gesamte Stadt zu sehen sein werden. "Es ist alles da", sagte der eng in die Abwicklung eingebundene Bezirksheimatpfleger, "es muss nur aufgeräumt werden."
Die Vorgabe, um die sich eine vorerst für zwei Jahre angestellte Fachkraft bei der Stadt kümmern soll, nennt Reder "das kulturelle Gedächtnis der Stadt dokumentieren und zielgerecht ausbauen". Sichten, sortieren, Eigentumsverhältnisse klären, Platz schaffen für alles, was es wert ist – darum gehe es in einem ersten Schritt.
Dass diese Aufgabe einer Expertenrunde übertragen wird, bestehend aus Bezirks-, Stadt- und Kreisheimatpfleger sowie dem Hauptamtsleiter im Rathaus, stieß im Stadtrat vereinzelt auf Kritik. "Der Stadtrat macht sich dadurch politisch überflüssig", sagte Klaus Christof (KIK). "Wir fühlen uns nicht mitgenommen", sekundierte Andrea Schmidt (Grüne). Christof schlug vor, ein "alternatives Modell" für ein Sammlungsdepot zu erarbeiten, doch sein Antrag fiel bei der großen Mehrheit durch.
Timo Markert (CSU) fühlte sich, was die Auswahl der Exponate angeht, nicht dazu berufen, sich "hinzustellen und zu sagen: das ins Töpfchen und das ins Kröpfchen". Das, so sagte Alt-OB Siegfried Müller (UsW), könnten die genannten Experten viel besser. "Sie zeigen uns Wege auf, die wir dann gemeinsam gehen können." Auch für OB Güntner war Christofs Kritik nicht nachvollziehbar. Zunächst müsse doch von fachlicher Seite geklärt werden, was die Stadt behalten wolle, danach könne der Stadtrat in einer politischen Entscheidung festlegen, was mit den noch vorhandenen Dingen geschehen solle.
Obwohl noch gar nicht feststeht, was das alles kostet, hat Reder finanzielle Unterstützung durch den Bezirk zugesagt. Er wünschte sich, dass die Stelle der geplanten Fachkraft möglichst schnell ausgeschrieben und besetzt werde. Mit breiter Mehrheit (22:4) stellte sich der Stadtrat hinter das von der Verwaltung noch einmal überarbeitete Konzept.
Mindestens ein Jahr soll laut Reder das große Ausmisten, Entrümpeln und Neuordnen dauern. Danach, so der Plan, wird die Kultur zu den Menschen kommen, nicht mehr umgekehrt, wie es in der Vergangenheit, in der guten alten Museumszeit, der Fall war. Genau der richtige Weg, wie auch Jens Pauluhn (ÖDP) fand. "Man muss versuchen, die vielen kleinen Museen aus ihren Löchern, äh, Räumlichkeiten herauszubringen", sagte er.
Wo die Exponate künftig ausgestellt werden, ist noch nicht klar. Aber dass man Objekte unterschiedlicher Art zeige, eine Zeitlang stehen lasse und dann Platz für Neues schaffe, hält Pauluhn für einen schlüssigen und modernen Ansatz. Auch Manfred Paul, der lange Zeit um eine Neuausrichtung des Museumskonzepts gekämpft hatte, sagt: "Das ist die Richtung, in die wir wollten."