Museen, so hat es der Deutsche Museumsbund einmal beschrieben, „sind das sammelnde, speichernde und verarbeitende Gedächtnis des kulturellen Erbes unserer Gesellschaft“. Es handele sich dabei um „lehrende und lernende Institutionen, welche immer wieder der aktuellen Positionierung bedürfen“.
In Kitzingen hat man sich sehr früh darauf besonnen, der Stadt ein Gedächtnis zu geben. Der Stadtmagistrat mit Bürgermeister Ferdinand Sertorius entschied sich 1895, ein Städtisches Museum aufzubauen – und nahm dafür sogar einen Kredit auf. Damit gehört es zu den ältesten Stadtmuseen Frankens. Ein Heimatmuseum, das fast 1300 Jahre Stadtgeschichte dokumentiert und bis in die frühe Altsteinzeit zurückreicht.
Stadtrat wagt den großen Wurf
Was im Jahr 1895 voller Stolz begann, geriet gut 100 Jahre später erstmals ins Wanken: Um die Jahrtausendwende entbrannte eine Diskussion um die Zukunft des Museums. Vielleicht hätte die Geschichte damals schon zu Ende sein können – es kam anders. Der Stadtrat entschied sich für den großen Wurf: Das Gebäude in der Landwehrstraße wurde saniert und sollte danach sowohl Museum als auch Archiv beherbergen. Das Ganze durfte drei Millionen Euro kosten, Damit verbunden die klare Botschaft: Ja, wir leisten uns auch weiterhin ein Museum.
Dem wurde schließlich auch personell Rechnung getragen: Anfang 2002 wurde Stephanie Cleaton als Museums-Fachkraft angestellt. Als sie überraschend das Museum verließ, bekam die Archäologin Stephanie Nomayo den Zuschlag. Der Auftrag: die Schätze des Museums aufarbeiten, sichten und in einer übersichtlichen Inventarliste verewigen. Und, natürlich: Den anstehenden Umbau des Stadtmuseums begleiten.
Ein Sprung in den März 2007. Der Umbau ist nach drei Jahren vollbracht, die Stadtgeschichte wird nunmehr in der Landwehrstraße lebendig. Moderne Räume, alles neu aufbereitet. Neustart. Die Zukunft: rosig. "Wir erwarten nicht nur Zustimmung, wir erwarten Jubelstürme", sagte Professor Klaus Arnold kurz vor der Eröffnung. Der Historiker ist seinerzeit Chef des Fördervereins für das Museum. Von den ersten Spuren menschlicher Besiedlung bis zum Abzug der Amerikaner – Kitzingen hat viel erlebt und viel zu zeigen. Auf 650 Quadratmetern sind als permanente Ausstellung rund 2500 Exponate auf zwei Etagen aufgeteilt.
Die vom Stadtrat gesetzte Grenze für das Gesamtprojekt ist eingehalten worden. Rund 3,2 Millionen Euro hat das Sanierungs-Gesamtpaket des ehemaligen fürstlich-brandenburgischen Kastenhofs an der Südspitze der Kitzinger Altstadt gekostet. Es hatte sich gelohnt. Allgemeiner Tenor damals: Die Landwehrstraße 23 war zu einer guten Museums-Adresse geworden. Das Haus war sozusagen selbst Exponat.
Objekte haben einen langen Weg hinter sich
Der historische Kastenhof wurde 1526 erstmals erwähnt und diente unter anderem als Fabrik, Schule, Flüchtlingsheim und später auch als Archiv. So abwechslungsreich wie die Geschichte soll auch die Zukunft werden, da waren sich die Beteiligten sicher. Sonderausstellungen, Workshops, ein Besserwisser-Club für Kinder sowie zwangloser Plausch von Zeitzeugen beim Fünf-Uhr-Tee. Und zwar in der Schloss-Apotheke aus Rüdenhausen, die hier ihren Altersruhesitz gefunden hatte. Dazu ein Depot mit seinen 3000 Objekten auf 400 Quadratmetern: Was hier lagert, hat keinen langen Weg hinter sich, sondern stand dereinst tatsächlich in Kitzinger Wohnungen – weshalb es ein realistisches Bild der Lebensumstände vergangener Generationen zu entdecken gab.
Bei der Eröffnung betonte Klaus Arnold, dass mit dem neu gestalteten Haus in der Landwehrstraße nicht etwa ein "weiteres Heimatmuseum" entstanden sei. Vielmehr habe sich das bisherige "Schatzhaus" in eine "Wunderkammer" verwandelt. Kitzingens OB Bernd Moser sah dies ebenso und erinnerte zudem an die Verantwortung der Gegenwart für die Erinnerung an das Vergangene.
Museumsleitung hofft auf Befreiungsschlag
Keine drei Jahre später, Ende 2009. "Rote Zahlen im Stadtmuseum lösen Eklat aus" stand über einem Bericht aus dem Kitzinger Finanzauschuss. Das Thema Geld sollte ab jetzt die Diskussion bestimmen. Die Museumsleitung hofft auf einen Befreiungsschlag mit dem Vorschlag, das Museum eintrittsfrei zu machen. Schließlich übersteige der ideelle Wert des Museums den wirtschaftlichen.
Dann die Haushaltsberatungen im Februar 2016.Wieder stehen die Zahlen im Mittelpunkt. Das Minus liegt bei 255 000 Euro. Die Einnahmenseite: Bei zwei Euro Eintritt fanden im Jahr 2015 gerade mal um die 1100 Besucher den Weg ins Stadtmuseum.
Die ersten Rufe nach einer "anderen Präsentation" werden laut. Was zu prinzipiellen Fragen führte: Gibt es das, ein zeitgemäßes Stadtmuseum? Und was soll es überhaupt können? Soll es sich dem Zeitgeist öffnen? Was macht es attraktiv? Wieder andere sagen: Das Erbe so wie es ist – Sammeln, Speichern und Verarbeiten glitzert nun einmal nicht. Der damalige OB Siegfried Müller urteilt: "Wir werden die Masse an Besuchern nicht in das Heimatmuseum bringen."
Zur geplanten Neueröffnung kommt es nicht
Akzeptieren wollte der Stadtrat das so aber nicht. Weshalb der Rest der Geschichte schnell erzählt ist: Im September 2018 schließt das Museum "für fünf Monate". In dieser Zeit soll eine Neuausrichtung ausgearbeitet werden. Geplante Neueröffnung: Januar 2019. Leiterin Stephanie Nomayo, die nach ihrer Heirat jetzt Falkenstein heißt, soll ein Konzept erstellen.
Die Gräben sind nicht mehr zu übersehen. Auf der einen Seite die Forderung nach einem zeitgemäßen Museum – wie immer das aussehen soll. Auf der anderen Seite eine Leiterin, die einen ganz anderen Blick auf die Dinge hat: Für sie sei das Stadtmuseum nicht zur Unterhaltung gedacht, sondern verfolge einen "pädagogisch orientierten Bildungsansatz".
Eine verfahrene Situation, die erst zu einer ewig langen Hängepartie und dann zu dem bekannten Ergebnis führte: Das Museum blieb zu. Das endgültige Todesurteil folgt Ende Juni im Stadtrat: Mit 21:9 Stimmen beschließt der Stadtrat das endgültige Aus. Das Museum ist nach 125 Jahren damit selbst ein Fall fürs Museum. Kitzingen steht ohne Gedächtnis da.