Auch fast vier Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine führt der unterfränkische Baustoffkonzern Knauf seine Geschäfte in Russland unverändert fort. Das teilte das Unternehmen in Iphofen (Lkr. Kitzingen) am Freitag auf Anfrage dieser Redaktion mit. Aus dem wegen des Kriegs international geächteten Russland haben sich mittlerweile Dutzende internationale Großunternehmen ganz oder teilweise zurückgezogen.
Nicht so Knauf: Änderungen am Russland-Geschäft seien nicht geplant, so Konzernsprecher Jörg Schanow. Das Unternehmen beschäftige nach wie vor etwa 4000 Menschen in russischen Betrieben.
Warum sich Knauf nicht aus Russland verabschiedet
Geschäftsführender Gesellschafter Uwe Knotzer hatte im April gegenüber dieser Redaktion betont, dass Knauf sich vor allem aus Verantwortung gegenüber dieser Belegschaft nicht aus Russland zurückziehen wolle. Allerdings werde der Konzern "bis auf Weiteres" dort keine Investitionen tätigen. Auch daran habe sich nichts geändert, ergänzte am Freitag Sprecher Schanow.
Indes gehen Fachkreise davon aus, dass Russlands Bruttoinlandsprodukt wegen der internationalen Sanktionen in diesem Jahr um bis zu zwölf Prozent zurückgehen wird. Die Bevölkerung verarme allmählich, ist in Medienberichten zu lesen.
Knauf rechnet mit einer sinkenden Nachfrage nach Baustoffen in Russland
Die sinkende Kaufkraft vieler Russinnen und Russen wird wohl auch Knauf zu spüren bekommen: In Russland rechne des Unternehmen "mit einem Rückgang der Nachfrage nach Baustoffen im Laufe des Jahres", teilte Schanow mit – ohne Zahlen zu nennen.
Jörg Schanow geht davon aus, dass der Konzernumsatz in Russland heuer ebenfalls geringer ausfallen wird als in der Vergangenheit. "Genaue Zahlen für 2022 lassen sich gegenwärtig jedoch noch nicht absehen."
Problemen bei den Lieferketten in Russland
Über derlei Beträge schwieg Knauf auch bislang, wenngleich das Russland-Geschäft einen wichtigen Anteil am Gesamtergebnis hat. Manager Knotzer hatte im April durchblicken lassen, dass dieser Anteil bei etwa zehn Prozent von zuletzt ungefähr 12 Milliarden Euro Konzernumsatz liege.
Schwierig geworden ist die Lage für Knauf in Russland offenbar auch, was die Lieferketten angeht. Weil diverse Lieferanten außerhalb des Landes keine Ware mehr schicken dürfen oder wollen, müsse Knauf Alternativen in Russland oder außerhalb der EU finden, sagt Schanow. Mitunter müssten auch Rezepturen der eigenen Produkte geändert werden, "um lieferfähig bleiben zu können". Der Konzern halte sich dabei aber "an alle geltenden Sanktionen, die Russland betreffen".
Wie es um das Knauf-Werk in der Ukraine steht
Heikel und unübersichtlich ist die Lage rund um das Knauf-Gipsplattenwerk in der Ukraine, das im heftig umkämpften Donbass liegt. In das Werk war Mitte Mai eine Rakete eingeschlagen. Am Freitag teilte Sprecher Schanow mit, dass der vorübergehend stillgelegte Betrieb mittlerweile "mehrfach von Raketen und Granaten" getroffen worden sei. Wie hoch der Schaden ist, lasse sich derzeit nicht ermitteln.
Knauf hatte die etwa 590 Beschäftigten des Werks schon zu Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine sicherheitshalber nach Hause geschickt. Etwa 80 von ihnen "arbeiten jetzt in unserem Werk in Kiew, das letzte Woche wieder in Betrieb genommen worden ist", sagt Schanow.