zurück
Kitzingen
Traum vom autonomen Shuttle geplatzt: In Kitzingen und Dettelbach ist die Enttäuschung über den Ausstieg von ZF groß
In Dettelbach hoffte man auf eine bessere Bahnhofs-Anbindung, in Kitzingen träumte man von einem Stadtbus. Beides hat sich jetzt erledigt. Die Geschichte eines Scheiterns.
Da war die Welt noch voller Hoffnung: Im Mai 2022 zeigten sich (von links) Kitzingens Bauamtsleiter Oliver Graumann, OB Stefan Güntner, Stadtrat Klaus Sanzenbacher und Tiefbauleiter Hilmar Hein beeindruckt von der neuen Technik des autonom fahrenden Shuttles.
Foto: Ralf Dieter, Stadt Kitzingen | Da war die Welt noch voller Hoffnung: Im Mai 2022 zeigten sich (von links) Kitzingens Bauamtsleiter Oliver Graumann, OB Stefan Güntner, Stadtrat Klaus Sanzenbacher und Tiefbauleiter Hilmar Hein beeindruckt von der ...
Frank Weichhan
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:08 Uhr

Mancher musste den Satz vermutlich zweimal lesen, um zu glauben, was da steht: "Autozulieferer ZF gibt den Traum vom autonomen Shuttle auf." Als die Nachricht kurz vor Weihnachten durchsickerte, war die Enttäuschung in zwei Orten des Landkreises Kitzingen besonders groß: In Kitzingen und Dettelbach hatte man sich Hoffnungen gemacht, bei autonomen Shuttles zu den Vorreitern gehören zu können. Jetzt kam die Vollbremsung. Aus dem Nichts.

Dabei hatte sich ZF Friedrichshafen – mit einem Werk in Schweinfurt – doch zum Vorreiter aufgeschwungen und viel Geld in die Entwicklung der autonomen Shuttles gesteckt. Auf der Suche nach Teststrecken war man in Unterfranken gelandet, hier sollte die selbstfahrende und computergesteuerte Zukunft beginnen und in Serienreife gehen. Vorbei.

Dettelbach galt als "seriöser und euphorischer Partner"

In Kitzingen und Dettelbach blühten entsprechende Träume, der Fantasie waren keine Grenzen gesetzt. Um so härter der Aufschlag: In Dettelbach erfuhr man in einer Mail von ZF, dass es eine strategische Neuausrichtung gab – weg vom autonomen Fahren. "Sehr enttäuscht" sei er gewesen, sagt Bürgermeister Matthias Bielek auf Anfrage. Man sei "als Kommune ein seriöser, zuverlässiger und euphorischer Partner zur Prüfung und möglichen Entwicklung dieser futuristischen Zukunftsvision autonom fahrender Shuttles". Die Entscheidung des Unternehmens müsse man nun "akzeptieren und respektieren".

ZF hat ein selbstfahrendes System für Shuttles entwickelt – steigt nun aber überraschend aus.
Foto: ZF | ZF hat ein selbstfahrendes System für Shuttles entwickelt – steigt nun aber überraschend aus.

Dabei war Dettelbach dem Traum vom selbstfahrenden Shuttle schon sehr nahe gekommen. Fast zum Greifen, zumindest der Starttermin stand schon: 2028 sollte es losgehen. Zweimal war ein Vertreter der Firma ZF Mobility Solution im Stadtrat gewesen – und es hatte gut ausgesehen.

Zuletzt, in der Oktobersitzung, wurde das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie vorgelegt. Mit viel grünem Licht. Und einer Überraschung: War es ein Jahr zuvor noch darum gegangen, dass die Shuttles auf der ehemaligen Bahnstrecke des "Schnefterle" zwischen Dettelbach-Bahnhof und dem städtischen Bahnhof hätten fahren sollen, war man jetzt einen Schritt weiter: Die Shuttles sollten sich im ganz normalen Verkehr bewegen und vor allem das Industriegebiet Nord anbinden.

Eine Kleinstadt auf der Suche nach elf Millionen Euro

Die errechneten Kosten für das Pilotprojekt: einmalig elf Millionen Euro, dazu jährliche Kosten von um die 470.000 Euro. Ohne staatliche Förderung ein Ding der Unmöglichkeit. Aber auch hier lautete die frohe Botschaft des Fachmanns: Es gibt Fördertöpfe – einer davon würde bestimmt auch für Dettelbach passen.

Ganz so weit war man in Kitzingen zwar noch nicht. Und es hatte zuletzt auch klare Signale gegeben, dass in der Kreisstadt vor allem technisch einiges komplizierter und deshalb finanziell kaum darstellbar sein würde. Trotzdem hielt OB Stefan Güntner die Fahnen hoch, wollte sich das Projekt nicht ausreden lassen. Entsprechend habe er "mit Bedauern" auf die Absage reagiert. Und er betont noch einmal die Vorreiterrolle der Stadt: "Kitzingen war die erste Kommune, die sich sehr euphorisch für dieses zukunftsweisende Projekt einsetzte. Es ist wirklich sehr schade, dass wir dies nun leider nicht weiter verfolgen können."

Probefahrt im Shuttle vermittelt ein Gefühl von Zukunft

Ein Teil der Euphorie hatte wohl auch mit einem Besuch der Versuchsstrecke in Schweinfurt zu tun. Probefahrt im autonomen Shuttle-Bus inklusive. Es war ein Blick in die Zukunft, wie attraktiv – und sicher – autonomes Fahren sein kann. Samt einer Technik, die begeisterte: Auf der Strecke orientieren sich Sensoren an Magneten, die im Abstand von zwei bis vier Metern im Straßenbelag eingelassen sind, um zu jedem Zeitpunkt das Fahrzeug zu lokalisieren.

Mit Hilfe von Kameras, Radar- und Lidar-Sensoren kann das Shuttle alle Objekte auf der Straße erkennen und in potenzielle Gefahrenstufen einordnen. Eine der eindrucksvollen Zahlen, die die Kitzinger Delegation damals mitbrachte: In einer Sekunde werden 60 bis 70 Gigabyte an Daten und Informationen verarbeitet.

Für Güntner stand damals fest: Er möchte möglichst schnell einen nachhaltigen und attraktiven öffentlichen Nahverkehr im Stadtgebiet etablieren, etwa eine Hauptstrecke von der Siedlung bis in die Marshall Heights mit Anbindung an den Bahnhof, die Klinik Kitzinger Land und den Innopark. Oder vom Bahnhof bis zum Industriepark ConneKT, dazu die Einbindung der Ortsteile. Das Shuttle sollte für Kitzingen langfristig die gleiche Funktion erfüllen wie eine Straßenbahn für eine Großstadt.

"Kitzingen war die erste Kommune, die sich sehr euphorisch für dieses zukunftsweisende Projekt einsetzte."
OB Stefan Güntner über die geplante Vorreiterrolle der Stadt

Einen Dämpfer hatte es dann spätestens vergangenen Oktober gegeben, als bei der Sitzung im Dettelbacher Stadtrat der ZF-Vertreter erstmals andeutete, dass das Kitzinger Projekt aktuell finanziell nicht darstellbar sei. Man sei dort letztlich an dem Problem der Ampeln gescheitert. Zu viele Lichtanlagen hätten umgebaut werden müssen. Ergo: "Das ist gegenwärtig nicht finanzierbar!" Der Satz war noch nicht verklungen, da reagierte Kitzingen: Man halte sehr wohl am autonomen Fahren fest, man sehe hier trotz allem Möglichkeiten.

Am Ende half alles nichts. ZF ist aus dem Spiel, der Traum vom autonomen Shuttle in Kitzingen und Dettelbach ausgeträumt. Damit ist Umdenken angesagt: Sowohl die bessere Anbindung des Dettelbacher Bahnhofs als auch eine Stadtverbindung in Kitzingen bleiben für beide Städte auf der Dringlichkeitsliste ganz oben. 

ZF zieht sich zurück

Dass sich ZF von der Entwicklung von Shuttle-Komplettsystemen zurückzieht, kam völlig überraschend. In einer Info aus dem Unternehmen heißt es, man wolle sich auf Engineering Services für automatisierte (ADAS) und autonome (AD) Systeme fokussieren. Dies schließe die Entwicklung von Komponenten ein, die für autonomes Fahren benötigt werden. Weiter heißt es, dass sich der Markt langsamer entwickelt habe als erwartet. Weitere Gründe seien die anhaltende, mehrdimensionale Krise sowie der fortschreitende Wandel zur E-Mobilität.
Mit dem Rückzug von ZF dürfte auch die Idee hinfällig sein, auf der Strecke der ehemaligen Steigerwaldbahn eine Teststrecke einzurichten. Hier hatte der Verkehrs- und ÖPNV-Ausschuss des Kitzinger Kreistags erst kürzlich – nicht zuletzt auf Drängen der CSU – beschlossen, eine Machbarkeitsstudie für einen autonomen Verkehr auf der Steigerwaldbahn-Trasse in Auftrag zu geben. Dies dürfte sich erledigt haben.
Quelle: ZF, MP
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Kitzingen
Dettelbach
Frank Weichhan
Ampeln Kitzingen
CSU Würzburg
E-Fahrzeuge und E-Mobilität
Gigabyte
Innopark Kitzingen
Klinik Kitzinger Land
Markt Höchberg
Matthias Bielek
Stadt Kitzingen
Stefan Güntner
Straßenbahnen
Verkehr im Landkreis Kitzingen
ZF Friedrichshafen AG
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Peter Koch
    Hat man es bei ZF endlich eingesehen, dass die Investition in 2getthere B.V. in 2019 Geldverbrennung war. Na ja, den Verlust kann man leicht ausgleichen indem man paar tausend Mitarbeiter weltweit entlässt. Dass jetzt dafür doch keine Steuergelder mehr verprasst werden ist die positive Seite der Geschichte.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten