Das Geschäft mit dem Tod war für Städte und Gemeinden hierzulande noch nie sonderlich wirtschaftlich. Verkürzt gesagt: Sie zahlen bei jeder Beerdigung, bei jedem Grab drauf, weil die Friedhofsgebühren immer bloß einen Teil der Kosten decken. Würden Kommunen hier gemäß dem Verursacherprinzip alle Kosten auf die jeweiligen Nutzer umlegen, könnte das Angehörige schnell finanziell überfordern. Lange haben Gemeinden ihre Friedhofsgebühren deshalb ohne entsprechende Grundlage kalkuliert und eher nach Gutdünken geschätzt – meist zu ihrem Nachteil. Damit ist nun vielerorts Schluss. In Iphofen sind die Gebühren gerade drastisch gestiegen, teils um mehr als das Fünffache.
Wie kann das sein? Und warum kostet Sterben in Iphofen so viel mehr als in anderen, vergleichbaren Gemeinden im Landkreis?
Das Dilemma ist in vielen Rathäusern bekannt: Laut Kommunalem Abgabengesetz (KAG) zählt das Bestattungswesen in Bayern zu den Einrichtungen, die grundsätzlich voll kostendeckend zu betreiben sind. Eine Eigenbeteiligung der Gemeinden sieht das Gesetz nicht vor. Allerdings können Kommunen von der Regel abweichen – etwa wenn der Friedhof nicht allein Bestattungszwecken dient, sondern auch als öffentliche Grünanlage. In diesem Fall können Investitionen und Unterhalt für Wege und Bepflanzung zum Teil auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Das Problem: Dieser Kostenanteil lässt sich nur schwer beziffern. Den Gemeinden bleibt zwar ein Ermessensspielraum, den sie jedoch „eher zurückhaltend“ nutzen sollen, wie es beim Kommunalen Prüfungsverband in München heißt.
Der Stadtrat nimmt die Erhöhung beiläufig zur Kenntnis
Schon im Jahr 2005 hat der Kommunale Prüfungsverband in einem umfangreichen Dossier auf diese Problematik hingewiesen und versucht, Lösungen aufzuzeigen. Doch viele Gemeinden sind sich nach wie vor unsicher, wie sie damit umgehen sollen. Im Iphöfer Rathaus hat man sich zu dem Thema auswärtige Expertise geholt: von der Kubus Kommunalberatung und Service GmbH, einem Unternehmen kommunaler Spitzenverbände mit Sitz in Schwerin und Filialen in Kiel und München. Über das Ergebnis hat vor zwei Wochen der Stadtrat abgestimmt, eher beiläufig und ohne Diskussion, was verwundert angesichts der Bedeutung des Themas. Bürgermeister Dieter Lenzer teilte in wenigen Sätzen mit, dass man bei den Gebühren von einem „sehr geringen Niveau“ komme und mit der neuen Satzung nur eine Kostendeckung von 60 Prozent anstrebe. Das mag manchen im Gremium und unter den Bürgern beruhigt haben.
Doch wer auf die absoluten Zahlen blickt, erschaudert: So steigt die Gebühr für ein einzelnes Tiefgrab mit 25 Jahren Ruhezeit von 500 auf 1409 Euro und für ein Doppelgrab von 1000 auf 1965 Euro. Noch drastischer ist der Anstieg bei einem Einfachgrab in den Stadtteilen Dornheim und Mönchsondheim. Dort erhöht sich die Gebühr von 250 auf 1224 Euro. Selbst der Bürgermeister spricht auf Nachfrage von einem „satten Sprung“. Erst vor sechs Jahren hatte die Stadt die Gebühren deutlich angehoben: für ein einzelnes Tiefgrab von 200 auf 500 Euro und für ein Doppelgrab von 400 auf 1000 Euro.
Die neuen Kosten basieren erstmals auf einer Kalkulation
Lenzer verweist darauf, dass die Kosten der Stadt für den Friedhof jetzt erstmals kalkulatorisch erfasst wurden. In diese Berechnung floss nicht nur die rund 1,2 Millionen Euro teure Erweiterung des Friedhofs im vorigen Jahr ein, sondern auch vorherige Baumaßnahmen, wie die Sanierung des Leichenhauses und der Bau eines Atriums. Außerdem sind jetzt auch neue Arten bisher nicht angebotener Urnengräber von der Satzung erfasst. Lenzer sagt: „Nicht umsonst haben wir da draußen jetzt einen tollen Friedhof.“
Er verweist auf all den Komfort in den städtischen Friedhöfen – die Pflege von Grünanlagen und Wegen, die regelmäßige Entsorgung des Grünguts, immer fließend Wasser – und fragt: „Was kann eine Kommune da mit 20 Euro pro Grab im Jahr vernünftigerweise anfangen?“ Immer wieder hatten die Iphöfer in den jährlichen Bürgerversammlungen um ihren neuen Friedhof gekämpft. Aber waren sie sich bewusst, was sie die Erweiterung kosten würde? Bei der bislang letzten Bürgerversammlung im Februar 2020 sprach der damalige Bürgermeister Josef Mend lediglich davon, dass die Grabgebühren „neu kalkuliert“ und dann dem Stadtrat vorgelegt würden.
Blickt man in die Gebührensatzungen anderer Gemeinden im Landkreis, stößt man auf Erstaunliches. Sie sind im Internet abrufbar und öffentlich einsehbar. Eine Ruhefrist von 25 Jahren wie in Iphofen zugrunde gelegt, kostet das Einzelgrab in Dettelbach 650 Euro, in Schwarzach 990 Euro und in Kitzingen 1475 Euro. Dettelbach hat angekündigt, die Gebühren demnächst anzupassen. In Kitzingen ist das im Dezember 2020 bereits geschehen – zum Teil mit ähnlich drastischen Erhöhungen wie nun in Iphofen, allerdings nach zuvor 13 Jahren Stillstand. Volkach verlangt für ein Einzelgrab 1000 Euro, für das Doppelgrab 1500 Euro. Und das Urnen-Erdgrab, das in Iphofen 1300 Euro für 20 Jahre kostet, kostet in Volkach nur 680 Euro. Wie kann das sein?
In Volkach orientiert man sich an anderen Gemeinden
Gerhard Wagenhäuser, Geschäftsstellenleiter der Verwaltungsgemeinschaft Volkach, sagt auf Anfrage: „Das wird alle paar Jahre mal geprüft und erhöht.“ Nach welchem Prinzip die Stadt dabei vorgeht? „Wir vergleichen uns mit anderen Gemeinden. Eine echte Kalkulation haben wir noch nie gemacht – und es gab dabei noch nie Schwierigkeiten.“ Ein Insider berichtet, auf welcher Grundlage solche Kalkulationen in der Regel basieren. „Die städtischen Friedhofsmitarbeiter bekommen einen Zettel hingelegt, auf dem sie eintragen sollen, wie viel Mann und wie lange sie für ein Grab brauchen. Da trägt man dann aber eher fünf Stunden statt drei ein und lieber drei statt zwei Mann, um nicht unter Zeitdruck zu geraten.“
Vielleicht braucht es bei dem Thema eine ganz neue Sicht. Eine Sicht, wie sie Tobias Volk hat. Der 31-Jährige ist in Kitzingen nicht nur Bestattungsunternehmer, sondern seit Mai 2020 auch Stadtrat. Er weiß: Weil junge Menschen keine Zeit mehr haben, sich um die Gräber zu kümmern, weil sie alternative Bestattungsformen suchen, weil Friedhöfe mit klassischen Erdgräbern zunehmend leerer werden und die eher steigenden Kosten dadurch auf immer weniger Nutzer verteilt werden, fordert er ein „Umdenken“ und neue, frische Konzepte. Warum nicht Konzerte in der Friedhofshalle anbieten, wieso nicht Spielplätze mitten im Friedhof bauen? „Damit die Enkel Lust haben, das Grab ihres Opas zu besuchen.“ Vielleicht braucht es tatsächlich ungewöhnliche Ideen, damit Friedhöfe nicht einen langsamen Tod sterben.
Was sind verglichen damit € 56,36 pro Jahr für die Hinerbliebenen?
Drei Kasten Bier, zehn Schoppen guter Wein beim Wirt oder sieben Packl Zigaretten sind das.
Das kann man sich doch vom Mund absparen.