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Würzburg
Streit um Parkplatz eskalierte: 24 Messerstiche in Albertshofen
Eine Frau griff ihre Nachbarin mit einem Messer an. Dabei war das Verhältnis jahrelang sehr gut. Am Ende entschied sich das Gericht nicht fürs Gefängnis.
Mit einem Küchenmesser griff eine Frau aus Albertshofen ihre Nachbarin an. Jetzt stand die vor Gericht.
Foto: Christin Klose (Symbolbild) | Mit einem Küchenmesser griff eine Frau aus Albertshofen ihre Nachbarin an. Jetzt stand die vor Gericht.
Franz Barthel
 |  aktualisiert: 09.07.2024 02:37 Uhr

Tatort: eine Hofeinfahrt in Albertshofen, an einem Sonntag im November 2023 gegen 11 Uhr.  Tatwaffe: ein nicht mehr allzu scharfes Küchenmesser mit 8,5 Zentimeter langer Klinge. Tat: Da ging die Staatsanwaltschaft von einem versuchten Tötungsdelikt mit 24 Messerstichen aus. Angeklagt: eine 55-Jährige, die unter paranoider Schizophrenie leidet.

Mit Entlassung kann die Frau, wenn überhaupt, dann erst nach erfolgreicher Behandlung rechnen, derzeit gilt sie als gefährlich. Ihr Realitätsverlust war deutlich geworden, als sie enttäuscht das Plädoyer des Oberstaatsanwalts Thorsten Seebach kommentierte: Sie habe fest mit einem Freispruch gerechnet, sie wolle endlich nach Hause und ihre Ruhe haben. Sie sei nicht aggressiv, aber die Mieterin unter ihr habe sie genervt. Die Messerstiche hat sie bei einer Vernehmung nach der Tat mal als "piksen" bezeichnet, aber sich auch danach erkundigt, ob ihr Opfer überlebt hat.

Die Angeklagte hat fest mit einem Freispruch gerechnet

Was war der Anlass fürs Ausrasten? Die Mieterin aus dem Erdgeschoss (78) wollte ihr Auto an der Steckdose an der Hauswand, unter ihrem Schlafzimmerfenster laden, öffnete dazu das Tor, um in den Hof zu fahren. Deswegen hatte es schon wiederholt Zoff gegeben, die Beschuldigte war der Meinung, dass sie als Miteigentümerin des Hauses im Hof parken kann, während die Mieterin auf der Straße bleiben müsse. Am Tattag packte die Beschuldigte die Mieterin am linken Arm und rief "Du fährst hier nicht mehr!" oder "Nie mehr rein!" und zerrte sie in eine Ecke. Das Opfer schlug der Beschuldigten eine Flasche Wasser aus der Hand, die zu Boden fiel und zerbrach.

Und dann hatte die Mieterin aus der Erdgeschoss-Wohnung sagenhaftes Glück: Das Messer, das die Beschuldigte aus einer Schürzentasche holte, war stellenweise bereits leicht stumpf. Deswegen kam es zwar zu 24 Messerstichen, aber "nur" zu vielen oberflächlichen Schnittverletzungen am gesamten Oberkörper, im Kopf und Nackenbereich sowie zu Abwehrverletzungen an den beiden Händen. Aber, es habe "wenig bis fast gar nicht geblutet", sagte die Zeugin vor Gericht. Ein Nachbar bekam den Zwischenfall mit, eilte an den Tatort und "kümmerte" sich um die Beschuldigte, die wegfahren wollte. Da war das Opfer bereits in ihrer Wohnung und hat selbst die Polizei verständigt.

Die Angeklagte fühlte sich verfolgt

Über viele Jahre hinweg sei das Verhältnis zur "Frau in der Wohnung über ihr" mehr als nur freundlich gewesen, sagte das Opfer. Sie habe die alleinlebende Frau wie eine große Tochter behandelt und die habe darauf freundlich reagiert. Erst in den vergangenen Monaten habe sich ihr Verhalten deutlich verändert: Sie fühlte sich beobachtet und verfolgt, behauptete, ihre Stromleitung sei angezapft, ihr Briefkasten sei angebohrt und die Treppe zu ihrer Wohnung beschädigt worden - diese Beispiele wurden aus den Akten gelesen.

Medikamente lehnte die 55-Jährige ab, zum Arzt ging sie nicht. Ihre Begründung: Weil sie nicht krank sei. In der Untersuchungshaft schüttete sie aus Angst, vergiftet zu werden, das Essen aus dem Napf. In Albertshofen war ihr Ziel, die Mieter aus dem Erdgeschoss zu vergraulen und herauszuekeln. Sie hatte mit einer Schwester das Haus geerbt.

Die Angeklagte hatte Angst, vergiftet zu werden 

Mitunter habe sie über längere Zeit nachts im Freien auf dem Grundstück geschlafen oder im Wagen.  Immer wieder wurde nach merkwürdigen Zwischenfällen die Polizei gerufen, aber die dafür zuständigen Stellen hielten offensichtlich eine Unterbringung nicht für erforderlich. Mit "es muss erst was passieren" reagierte man wiederholt in der Umgebung.

Das Gericht ging im Urteil von gefährlicher Körperverletzung aus. Die Frau war bereits vorläufig in der Psychiatrie untergebracht und wird dort nach dem Urteil der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Würzburg auch bleiben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

 
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