Der Verkehrsfunk brachte es jede halbe Stunde: Ab 18 Uhr Totalsperre der Autobahn zwischen Höchstadt und Wiesentheid. Gut 35 Kilometer A3 einfach zu, bis Sonntagabend. Fast 24 Stunden. Der gesamte Verkehr wird in beiden Richtungen aus- und umgeleitet. Was der Moderator nüchtern mit "Grund sind Bauarbeiten" ankündigt, ist ein hochkomplexes Projekt im hiesigen Autobahnausbau. Zum ersten Mal wird dabei eine so lange Strecke komplett gesperrt. Bis 2025 soll die gesamte Autobahn zwischen Fürth und Biebelried sechsspurig ausgebaut sein, dazu sind auch Premieren nötig.
Sieben Einzelbaustellen auf 35 Kilometern
"Auf solch einer lange Strecke haben wir bislang nicht gearbeitet", sagt Herbert Hegmann, Projektleiter bei der A3 Nordbayern GmbH. "Heute ist für uns Großkampftag." Zwei Überführungsbauwerke für neue Brücken werden Bereich eingesetzt und zwei weitere Brücken abgerissen. Außerdem werden die Fahrbahnen saniert. Insgesamt sind es sieben Einzelbaustellen. Die wichtigste Aufgabe hat dabei Marcel Müller. Er ist der Verkehrskoordinator bei der Autobahngesellschaft.
In seiner Verantwortung liegt es, dass sich tatsächlich kein Fahrzeug mehr in diesem Streckenabschnitt bewegt. Bereits ab dem späten Nachmittag wurden die Sperren an den Autobahnanschlussstellen vorbereitet. "Das Ableiten des Autobahnverkehrs ist immer etwas spannend", sagt Müller. Als alle Straßen gesperrt sind, macht Müller eine letzte Kontrollfahrt: Parkplätze leer? Keine Fahrzeuge mehr auf der Bahn? Ist alles sicher? Auf der Gegenseite kontrolliert sein Kollege. Auch bei ihm ist alles leer. Müller informiert alle verantwortlichen Bauleiter: "Alles in Ordnung! Ihr könnt anfangen."
Ein heilloses Durcheinander als ausgeklügeltes System
An der Brückenbaustelle Geiselwind/Hohnsberg beginnen Arbeitstrupps, die Leitplanken abzumontieren. Sie brauchen Platz. Dann wird unter der gesamten Brücke ein sogenanntes Fallbett errichtet. Dazu werden große Flächen mit einer Spezialplane ausgelegt, auf die eine Schicht Erde und Kies kommt. "Wenn wir die Brücke zerstören, fallen große Steinbrocken auf die Fahrbahn. Damit die nicht beschädigt werden kann, wird ein Schutz darübergelegt", erklärt Bauingenieur Gregor Gawlak, der den Abbruch betreut. Die Baustelle ist hell erleuchtet.
Fast gleichzeitig zwickt ein Bagger auf der Brücke das komplette Geländer ab und entfernt Teile des Gehsteiges. Überall blinken gelbe Warnlichter. Arbeiter reflektierender Schutzkleidung laufen zwischen Lastwagen und Kipperfahrzeugen umher. Was sich für den Laien als heilloses Durcheinander darstellt, ist ein bautechnisch ausgeklügeltes System. Der Zeitdruck ist gewaltig. Die Baustelle muss bis Sonntagnachmittag komplett aufgeräumt sein – und bis Mitternacht ist noch nichts angebohrt worden.
Das ändert sich schlagartig, als die Arbeiten auf der Brücke abgeschlossen sind. Zwei riesige Kettenbagger mit einem Einsatzgewicht von bis zu 75 Tonnen bringen sich vor der Brücke in Stellung. An ihrem Ausleger: eine mächtige hydraulische Abbruchzange. Fast sieben Tonnen schwer und in alle Richtungen drehbar, schaut sie aus wie der Kopf einer Riesenechse aus. Die Zange schnappt in den Brückenaußenrand, zermalmt das Gestein und zerrt an dem Gewirr aus Stahl und Beton. Mannshohe Gesteinsbrocken werden so herausgezogen.
Zeitplan wurde eingehalten
Beeindruckend wie die Fahrer ihr Gerät beherrschen. Zentimetergenau setzen sie die Zangenspitzen an. Dichter Staub nimmt ihnen die Sicht. Weiter geht es mit dem hydraulischen Abbruchhammer. Mit wuchtigen Stößen hämmert er Löcher in das Bauwerk. Bei jedem Schlag erzittert sie, stürzt aber nicht ein. Erst weit nach Mitternacht bricht sie zusammen – aber nicht komplett. Weitere Schläge sind nötig bis die Arbeiter zufrieden sind.
"Die Aufräumarbeiten werden sich noch lange hinziehen", sagt Ingenieur Gawlak. Die Überreste der Brücke türmen sich wie kleine Berge auf der Straße. Die Bagger haben Hammer und Zange gegen Schaufeln getauscht. Mit donnerndem Lärm knallen die Gesteinsbrocken in die Muldenkipper. Erstmal wird alles auf einer Ausweichdeponie neben der Fahrbahn gesammelt. Gegen 6 Uhr ist Schichtwechsel. Die kritische Phase ist überstanden und am Sonntagabend ist sicher: Der Zeitplan wurde eingehalten.