
Es gibt wenige ihrer Art: Dr. med. Susanne Plank hat sich auf Schmerzbehandlung spezialisiert. In ihrer Praxis in Kitzingen verbindet sie traditionelle und komplementäre Therapiemethoden. Im Interview spricht die 49-Jährige über Selbsthilfe, Vertrauen und die Wirkung von Cannabis.
Susanne Plank: Bei Dauerschmerzen ist das sicher so, da spielt ganz viel mit rein. Aber grundsätzlich ist Schmerz überlebenswichtig. Wir brauchen Schmerz, um zu erkennen, was gefährlich ist und was uns nicht guttut. Akuter Schmerz hat eine wichtige Warnfunktion: "Achtung, da ist was nicht in Ordnung!"

Plank: Chronischer Schmerz hat seine Warnfunktion verloren. Er ist als eine eigene Krankheit anzusehen. Der Schmerz hat sich quasi verselbständigt, von körperlichen Ursachen entkoppelt.
Plank: Für Schmerz gibt es kein Messinstrument. Schmerz ist immer subjektiv und hängt von der Situation ab. Es gibt Menschen, die Schmerzen leichter aushalten als andere, aber objektiv vergleichen kann man das nicht. Fakt ist: Schmerz hängt immer auch mit dem Kopf zusammen. Den können wir nie ausschalten.
Plank: Ins Schmerzempfinden spielt alles mit rein, was man erlebt und gehört hat. Es ist schlimm, wenn man einen Schmerz nicht einordnen kann, also nicht gleich eine Ursache dafür findet. Der Kopf und auch die Psyche haben bei chronischen Schmerzen einen größeren Anteil als bei akuten Schmerzen.

Plank: Das wäre völlig falsch. Es geht genau ums Gegenteil: Wenn man den Kopf motivieren und auf seine Seite bringen kann, dann kann man damit arbeiten. Es gibt nun mal einen Zusammenhang zwischen Körper, Psyche und sozialer Situation. In der Fachsprache nennt man das Bio-Psycho-Soziales Schmerzmodell. Das hat nichts mit "auf die Psycho-Schiene schieben" zu tun.
Plank: Bei chronischen Schmerzen hilft nicht einfach eine Spritze oder Pille. So zu denken, ist typisch in unserem System, aber es ist ein grundsätzlicher Fehler. Die Haltung "Wenn du ein Problem hast, gehst du zum Arzt, der gibt dir was dagegen" ist falsch. Gerade bei Dauerschmerzen braucht es vor allem eins: Selbstwirksamkeit.
Plank: Doch, die auch. Infusionen, Tropfen und Tabletten sind das eine, Gespräche und komplementäre Methoden wie Akupunktur, Hypnose, Vitamin- oder Sauerstoff-Ozon-Therapie das andere. Chronische Krankheiten muss man auch chronisch therapieren. Dazu gehört vor allem, dass man den Patienten den Zusammenhang zwischen dem Schmerz-Erleben – also dem, was unser Kopf daraus macht – und erlerntem Verhalten sowie Gedankenmustern erklärt. Unser System hat die Menschen so "erzogen", dass nur der richtige Experte oder die richtige Tablette helfen kann. Aber diese Hilfe ist immer nur von außen. Für eine effektive Therapie braucht es die aktive Mitarbeit des Patienten.

Plank: Dazu gehört, dass wir hinderliche Glaubenssätze – "Bei mir hilft sowieso nichts" – herausfinden und mit Hypnose auflösen. Und dazu gehört auch, dass der Patient ein großes Stück Verantwortung für die Therapie übernimmt, zum Beispiel mit einem Achtsamkeitstagebuch oder der richtigen Ernährung.
Plank: Auch zu uns kommen immer mehr Patienten. Allein 20 bis 25 neue pro Quartal mit Post-Covid-Problematik wie chronischer Müdigkeit. Bei vielen anderen führt die moderne Lebensweise mit viel Stress zu Erkrankungen, die Schmerzen nach sich ziehen.
Plank: Auf jeden Fall mit mehr Achtsamkeit für sich selbst. Wenn man seine Art zu leben hinterfragt, auf den eigenen Körper hört, ein Bewusstsein für seine Funktionen entwickelt, ist schon viel gewonnen. Die richtige Ernährung und unser Immunsystem spielen eine wichtige Rolle, denn ungefähr 80 Prozent unserer immun-kompetenten Zellen sitzen im Darm. Dort vernetzen sich auch etwa 100 Billionen unterschiedliche Bakterien zu einem Mikrobiom. Ist dieses individuelle Ökosystem in Balance, geht es dem Menschen rundum gut. Mit einem starken Immunsystem reduzieren wir auch das Risiko, an chronischen Schmerzen zu erkranken.

Plank: Sehr besonders finde ich, dass ich mir immer noch genug Zeit für den Patienten nehmen kann, schon fürs Erstgespräch immer eine Stunde. So kann man nicht nur alle wichtigen Punkte besprechen, sondern auch eine Beziehung und Vertrauen aufbauen. Das ist sowieso die wichtigste Grundlage fürs Gelingen einer Therapie.
Plank: Viele unserer schmerzlindernden Leistungen sind Kassenleistungen. Im Bereich Prophylaxe, Vorsorge also, ist unser System allerdings leider nicht solidarisch. Wer ein paar Euro übrig hat, kann sich bessere Prophylaxe gönnen als diejenigen, die sehr aufs Geld schauen müssen.
Plank: Für 80 Prozent aller chronischen Schmerzpatienten ist das eine sehr gute Ergänzung, denn sie können ihre sonstige Medikation reduzieren. Ganz wenige konnten andere Mittel sogar schon ganz absetzen. Medizinisches Cannabis hat neben der Schmerzlinderung auch eine entzündungshemmende Wirkung und wirkt neuropathisch, ausgleichend, angstlösend – das ist für viele Schmerzpatienten ein sehr positiver Nebeneffekt. Wir verwenden meist Tropfen, denn da ist die Spiegelwirksamkeit im Blut höher als bei inhalierten Blüten. Blüten schneiden in medizinischen Studien deutlich schlechter ab. Deswegen bin ich auch sehr sicher, dass die Legalisierung von Cannabis für den Eigengebrauch eher den Freizeitkonsum betrifft, kaum die medizinische Therapie.