
Erneuerbare Energien sind schwierig im Altort? Und Individualität in der Gestaltung geht gar nicht? Viele Vorurteile ranken sich rund um Sanierungen im Altort. Aber was ist dran? Kitzingens Kreisbaumeister Joachim Gattenlöhner und Sachgebietsleiter Bauen und Planungsrecht Michael Goller klären Fragen und haben Tipps, wie die Sanierung reibungsloser laufen könnte.
Vorurteil 1: Gestaltungssatzungen sind voller Verbote und verhindern Baugenehmigungen.
"Die Gemeinden, die in Förderprogrammen wie der Städtebauförderung sind, brauchen eine Satzung", sagt Joachim Gattenlöhner, Kreisbaumeister am Landratsamt Kitzingen. Die Satzung habe Gattenlöhner zufolge mehrere Vorteile: "Eine Dachgaube, die normalerweise mit Bauantrag genehmigungspflichtig ist, ist genehmigungsfrei, wenn sie in der Satzung geregelt ist und gemäß der Satzung gebaut wird. Das spart Genehmigungsgebühren." Nötig sei dann nur ein Erlaubnisantrag und womöglich gebe es sogar Fördergelder dafür.
Vorurteil 2: Im Chaos der Regeln läuft garantiert etwas falsch muss wieder umgebaut werden.
Grundsätzlich seien die ersten Ansprechpartner für Fragen zur Gestaltungssatzung immer die Gemeinden selbst. "Wer will, bekommt bei uns im Landratsamt eine vollumfängliche Beratung", sagt Gattenlöhner – und zwar kostenlos. Für Gebäude im Ensemble, in Denkmalnähe und Einzeldenkmäler bietet der Gebietsreferent des Landesamts für Denkmalpflege (Lfd) einmal im Monat einen Sprechtag an.
"Viele haben Angst vor der Behörde, aber eher je früher desto besser einfach fragen", so der Kreisbaumeister. Werde falsch saniert, müsse schlimmstenfalls der Umbau wieder rückgängig gemacht werden. "Wobei es auf der anderen Seite, wenn es richtig gemacht worden wäre, auch Förderung gegeben hätte", sagt Gattenlöhner.
Die vielen ungenutzten Nebengebäude in den Altorten sind laut Michael Goller tatsächlich viel schwieriger zu bebauen. "Die Regeln der Grenzbebauung sind relativ streng. Jeder soll genug Luft und Licht bekommen und der Schutz der Privatsphäre der Nachbarn soll gewährleistet sein", so der Sachgebietsleiter Bauen und Planungsrecht des Landratsamts Kitzingen.
In der Bayerischen Bauordnung sei nur die offene Bauweise in der Siedlung und die geschlossene Bauweise in der Stadt geregelt. "Im Dorf aber haben wir so ein Gemisch – das ist im Gesetz nicht richtig geregelt", sagt Goller. Daher seien Umwandlungen solcher Nebengebäude immer ein Kompromiss mit den Nachbarn.

Vorurteil 3: Beratungsangebote und Untersuchungen sind teuer.
Gestaltungssatzungen lassen sich für einen ersten Überblick oft sogar im Internet finden. Beratungen gibt es in Orten mit Dorferneuerung beim Amt für ländliche Entwicklung; in Bereichen der Städtebauförderung von freiberuflichen Ortsplanern. Diese sind jeweils kostenlos. Die individuelle Planung und die Beschäftigung mit der Bausubstanz verursacht Goller zufolge allerdings viel mehr Aufwand als ein Neubau. Bei Gebäuden unter Denkmalschutz kann das Landesamt für Denkmalpflege allerdings einen Teil der Kosten der Voruntersuchungen als denkmalpflegerischen Mehraufwand fördern.
Und auch bei anderen Altbauten können sich die Voruntersuchungen rechnen: "Voruntersuchungen sind nichts Negatives", sagt Gattenlöhner. Ein Beispiel wäre, dass ein Dachstuhl aufgrund des Untersuchungsergebnisses nicht komplett ausgetauscht werden müsse, sondern nur teilweise. Einen extra Spar-Tipp hat der Kreisbaumeister außerdem: Für Gebäude im Ensemble oder Einzeldenkmäler seien die Abschreibungsmöglichkeiten nicht zu unterschätzen.
Vorurteil 4: Ein Abriss ist die günstigere Variante.
"Die Kosten für die Bauschuttentsorgung haben sich fast verdreifacht in den letzten vier Jahren", sagt Gattenlöhner. Dazu müsse der Bauschutt untersucht werden. Und für den Neubau gelte wieder nicht der Bestandsschutz, sondern das neue bayerische Baurecht, beispielsweise bei Fragen zur Grenzbebauung. Gelder der Denkmalförderung fallen ebenfalls weg - Goller zufolge könnten lediglich Mittel aus der Dorferneuerung für einen Neubau innerorts abgegriffen werden, und das auch nur unter Umständen.
Vorurteil 5: Im Altort gibt es keinen Raum für Kreativität.
Ein Neubau ist nicht unbedingt gleichzusetzen mit kreativem Planen. Denn den gibt es mittlerweile schon fertig vorgeplant aus dem Katalog. "Wenn Sie aber sanieren, brauchen Sie einen Planer, der sich darum kümmert – und der hat tausend Fragen an Sie", sagt Goller.
Gemeinderäte könnten auch Abweichungen von der Gestaltungssatzung zulassen, sollten das nach Ansicht Gollers aber nicht willkürlich machen. Auch ein Flachdach innerorts habe er schon genehmigt, auf eine Gefahr hin: "So ein Dorf ist ja auch eine Gemeinschaft. Wenn man jetzt etwas ganz anderes macht, fällt man ein bisschen auf", sagt er.
"Es muss planerisch, architektonisch und handwerklich sehr gut gemacht sein, dann wird es auch in der Gemeinde akzeptiert", sagt Gattenlöhner. Sein Tipp: sich an der Gegend orientieren. "Wenn Sie im Altort sind und sehen ein schönes Haus, das Ihnen gefällt: Klingeln Sie! Die Leute sind stolz auf Ihre Häuser und freuen sich, wenn jemand die Häuser schön findet. Und ich glaube, dass die meisten auch gern Auskunft geben."
Vorurteil 6: Mit Photovoltaik und anderen Technologien wird es im Altort schwierig.
"Bei Einzeldenkmälern ist das Haus an sich ein Denkmal; da war es bisher sehr schwierig bis unmöglich. Jetzt nach Beginn der Gaskrise ist das im Werden", sagt Goller. Nach Informationen des Landesamts für Denkmalpflege (Lfd) braucht es für Erneuerbare-Energien-Anlagen eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis.
Kreisbaumeister Gattenlöhner rät zur Energieberatung, da denkmalgeschützte Anwesen oft Nebengebäude hätten: "Eine Scheune, in die vielleicht viel besser eine Pellets- oder eine Hackschnitzelheizung reinpasst. Einen Keller, in dem Platz ist für eine Wasser- oder Luftwärmepumpe." Mit einer Solarthermie-Anlage könnte es auch eher funktionieren als mit Photovoltaik: Laut Lfd brauchen diese weniger Fläche, sodass die gestalterische Integration einfacher möglich ist.