
Die Sache klang dramatisch. Von "gravierenden Schäden" war die Rede, von "heftigem Druck auf die Außenwände" und mangelndem Brandschutz, sogar von Schadstoffen im Gebäude. Im November 2020 beschieden Experten der Friedrich-Bernbeck-Wirtschaftsschule im Herzen Kitzingens "dringlichen Sanierungsbedarf". Renovierung nicht aufschiebbar, hieß es. Im Grunde gilt das noch immer. Doch die Alarmstimmung ist gewichen. Oliver Graumann, der Leiter des Kitzinger Bauamts, sagt: "Wir müssen nicht morgen handeln." Und schiebt den Nebensatz nach: "Übermorgen mit Sicherheit."
Was ist in den gut zwei Jahren passiert, dass sich ein akuter Sanierungsfall quasi über Nacht erledigt hat? Oder, wie Schulleiter Frank Delißen sagt, "momentan ad acta gelegt ist". Betrachtet man den Baufortschritt, müsste die Antwort lauten: wenig bis gar nichts, denn die angekündigte Generalsanierung ist nie in Gang gekommen und in nächster Zeit auch nicht geplant. Man begnügt sich offenbar weiterhin mit kleinen Schritten. Also muss man sich der Antwort politisch nähern.
Die Wirtschaftsschule ist eine bayerische Besonderheit: Als einzige berufliche Schule kann sie schon von Kindern ab der sechsten Klasse besucht werden. Wie Mittel- und Realschule führt sie zum mittleren Bildungsabschluss, ist aber deutlich praxisorientierter und bereitet vor allem auf kaufmännische Ausbildungen und Berufsfachschulen vor. Nach Jahren sinkender Schülerzahlen ist die Friedrich-Bernbeck-Schule gerade dabei, sich von der Vergangenheit zu erholen. 182 Kinder und Jugendliche besuchen dort aktuell den Unterricht – nach 159 vor einem Jahr. "Es geht wieder aufwärts", sagt Frank Delißen.
Bis vor zwei Jahren rissen die Hiobsbotschaften um den etwas zurückgesetzten Bau zwischen Kitzinger Landratsamt und Stadtkirche nicht ab, und von Mal zu Mal klangen sie beunruhigender. Was sich durch all die Nachrichten zog, war die Sorge um den historischen Dachstuhl, um dessen Stabilität es nicht zum Besten bestellt ist. Ein Eindruck, der sich auch bei Stadtrat Klaus Sanzenbacher (Grüne) eingegraben hat. Er sagt: "Die Lage wurde uns beschrieben, als würde der Dachstuhl einstürzen." Dass die komplette Sanierungssumme im aktuellen städtischen Haushalt deshalb nur als Restposten auftaucht und auf kein konkretes Jahr gebucht ist, wundert Sanzenbacher. "Man tut so, als sei alles in bester Ordnung."

Ist es das? Von Sanzenbacher auf das vermeintliche "Verschieben auf den Sankt-Nimmerleinstag" angesprochen, räumte Bauamtschef Graumann in der jüngsten Sitzung rasch mit dem Verdacht auf, dass an dem Gebäude nichts passiere. Man sei ständig dabei, die Schäden zu begutachten. Dafür, so bestätigt Schulleiter Delißen, sei im oberen Stockwerk sogar ein "Holzverschlag" aufgestellt, durch den Statiker und Bauarbeiter auf kürzestem Weg unter die Dachhaut schlüpfen und zu den Schäden vordringen können. Der Schulbetrieb sei von der ganzen Sache ohnehin nicht beeinträchtigt. Die Zusammenarbeit mit der Stadt laufe gut, sagt Delißen und lächelt: "Die Schule ist gut ausgestattet und warm."
Graumann will das Ganze nicht schönreden, aber auch nicht dramatisieren. Ja, der Dachstuhl sei gefährdet, sagt er. Das Wörtchen "akut" meidet er. Delißen kennt die Debatte um die Generalsanierung, seitdem er vor zehn Jahren als Leiter an die Friedrich-Bernbeck-Schule gekommen ist. Immer wenn etwas kaputt ging, habe es geheißen, das werde mit der Generalsanierung erledigt. Nicht immer ließ er sich vertrösten, so wie bei den Toiletten, die anfangs noch nicht einmal Klobrillen hatten. Heute verfügt die Schule über alles, was sie braucht. Hört man Delißen zu, hat man nicht den Eindruck, als fehle ihr etwas Fundamentales. Auch die Digitalisierung ist inzwischen in jedem Klassenzimmer angekommen.
Neben der Sanierung geht es auch um einen modernen Neubau
Und doch sieht es so aus, als hätten alle an dem Sanierungsprojekt Beteiligten eine Vollbremsung hingelegt. Fragt man in der Stadtkämmerei nach, dann heißt es: "Die Maßnahme wurde aufgrund der hohen Kosten vorerst auf Eis gelegt." Neben einer grundlegenden Renovierung war geplant, im Innenhof der Schule einen maximal dreigeschossigen modernen Neubau hinzustellen, der Treppe, Toiletten und Bibliothek tragen sollte. Dieser neue Gebäudeteil mit schräg gestellter Fassade sollte sich wie ein Keil durch den alten Trakt ziehen – eine Symbiose aus Tradition und Moderne. Doch das alles hat seinen Preis. Von 18 bis 20 Millionen Euro und einem "Kostenschock" war zuletzt die Rede.

Schon bei den Haushaltsberatungen vor einem Jahr erstaunte die augenscheinliche Passivität der Stadt bei diesem einst so brisanten Thema. Was nur heißen kann, dass von politischer Seite Alternativen geprüft werden oder sogar bereits gefunden sind. Der Versuch, die Schule und damit die Baulast dem Landkreis zuzuschieben, ist gescheitert; die Landrätin hat, obwohl sie die Einrichtung in der Nachbarschaft schätzt, dankend abgelehnt. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass sich Oberbürgermeister Stefan Güntner (CSU) durchaus einen Neubau an anderer Stelle vorstellen kann. Sollten Aldi und Rewe in absehbarer Zeit von der Dagmar-Voßkühler-Straße in die geplante Einkaufsgalerie Marshall Heights ziehen, könnte auf dem freiwerdenden Gelände ein Bildungscampus entstehen, in den sich auch die Wirtschaftsschule integrieren ließe.
Die Last, das denkmalgeschützte Gebäude der Friedrich-Bernbeck-Schule zu sanieren, würde der Stadt damit aber nicht genommen. Durch eine schulische Nutzung, so ließ der OB einst anklingen, gebe es immerhin die höchsten Fördergelder.