Holzberndorf ist ein Weiler mit knapp 50 Einwohnern, einem Dorfweiher, einigen Gehöften – und drei Brücken. Um diese drei Brückenbauwerke ist nun ein Streit entbrannt. Eigentlich geht es gar nicht um die Brücken des Geiselwinder Ortsteils Holzberndorf. Es ist eher ein Stellvertreterkonflikt, den der Verkehrsausschuss des Kitzinger Kreistags gerade geführt hat.
Aber plötzlich steht das kleine Holzberndorf für eines der großen Probleme, das Gemeinden, Landkreise, Staat und Bund gleichermaßen trifft. Und für ein "Zeichen", das der Landkreis doch bitteschön in dieser Sache senden solle. Wie also kam es, dass das kleine Holzberndorf auf die große Karte des Landkreises gerückt ist und plötzlich die Landkreispolitik bestimmt?
Auf die Ausschreibung kam nur ein einziges, teures Angebot
Man muss, um sich der Sache zu nähern, einen Abzweig in das Straßenausbauprogramm des Landkreises nehmen. Für 2022 steht dort der "Ersatzneubau" dreier Brückenbauwerke entlang der Kreisstraße 49. Das Landratsamt hat das Projekt wie üblich öffentlich ausgeschrieben, berechnet war es auf 2,15 Millionen Euro. Doch dann geschah etwas Unverhofftes: Es kam bloß ein einziges Angebot. Die Firma verlangt für den Ausbau rund 2,8 Millionen Euro, 34 Prozent mehr als kalkuliert, und beruft sich auf die allgemeinen Kostensteigerungen.
Einzelne Positionen klaffen in den Preisvorstellungen beider Seiten so weit auseinander, dass dem zuständigen Sachbearbeiter im Landratsamt die Augen übergingen. Sicher, die Berechnung stammt vom Oktober 2021, vier Monate vor Russlands Überfall auf die Ukraine. Aber eine solche Preisexplosion? "Das kann nicht alles energiebedingt sein", mutmaßt Landrätin Tamara Bischof.
Das Projekt zu stoppen ist rechtlich nicht so einfach
Was also tun? Wie die Finanzierungslücke von 650.000 Euro überbrücken? Der Landkreis, so die Ansage, hat das Geld nicht und kann es schwerlich auftreiben. Also bleibt nur, das Projekt zu stoppen, was rechtlich nicht so einfach ist, wie es klingt. Denn in gewissen Fällen steht dem Anbieter – auch wenn er der einzige ist und mehr verlangt als gemeinhin erwartet – ein Recht zu, den Auftrag auszuführen.
Erfahrene Kreispolitiker wie der frühere Iphöfer Bürgermeister Josef Mend wollen den Fall nun zum Anlass nehmen, ein Moratorium über das komplette Straßenausbauprogramm des Landkreises zu verhängen – solange, bis sich der Markt beruhigt habe. "Wir sollten antizyklisch vorgehen, wie es früher klassische Haushaltspolitik der Kommunen war", sagte Mend. Also in konjunkturellen Hoch-phasen Verzicht üben und bei abflauender Konjunktur Anschubhilfe leisten. "Anders bekommen wir die Sache nicht in den Griff."
Tatsächlich haben die explodierenden Preise längst auch auf den Straßenbau durchgeschlagen. Laut Statistischem Bundesamt liegen sie um durchschnittlich 17,4 Prozent höher als im zweiten Quartal 2021, im Brückenbau sogar um 21,5 Prozent. Für den Leiter des Kreisbauhofs, Andreas Schneider, ein beunruhigender Trend. Die Sanierung von Fahrbahnoberdecken sei noch im Rahmen, teilte er dem Ausschuss mit. Aber beim klassischen Ausbau "wissen wir nicht mehr, wie wir zurechtkommen sollen".
Das, so Mend, sei der Zeitpunkt, ein "Zeichen an die Wirtschaft" zu senden mit der Botschaft: "Eure Preise machen wir nicht länger mit." Mend sieht die Preise derzeit auf breiter Front steigen und die öffentlichen Kassen in akuter Gefahr. "Es kann nicht sein, dass wir sinnlos Steuergelder ausgeben. Wir schaffen immer weniger Maßnahmen und Kilometer und brauchen immer mehr Geld. Wo soll denn das Geld auf Dauer herkommen?"
Für die Landrätin steht die Verkehrssicherheit im Fokus
Für die Landrätin kann die Antwort darauf jedenfalls nicht sein, das komplette Ausbauprogramm herunterzufahren. Erstens sei unklar, wann wieder die Preise wieder "normal" seien, zweitens gehe es bei den Brücken in Holzberndorf darum, die Verkehrssicherheit wiederherzustellen. Die Brücken seien in desolatem Zustand, eine musste vor Jahren schon mal gesperrt werden. Sie werde "nicht dafür geradestehen", die Sache auf die lange Bank zu schieben. Die Maßnahme steht nun für 2023 im Ausbauprogramm – als einzige im nächsten Jahr.
2024 soll es mit der Sanierung der maroden Kreisstraße hoch zum Schwanberg losgehen. Will der Landkreis die vor fünf Jahren beschlossene Maßnahme anpacken, braucht es spätestens bis Mitte 2023 einen Kreistagsbeschluss. Dreieinhalb Millionen Euro stehen für den ersten, zweieinhalb Kilometer langen Bauabschnitt ab der Staatstraße zur Verfügung, auch das ist eisern angespartes Geld. Der zweite Abschnitt, ebenfalls dreieinhalb Millionen Euro teuer, soll 2027 folgen. Aber wird das Geld dann noch reichen? Und wäre es nicht klüger, auch dieses Projekt in den Planungen nach hinten zu schieben?
Viele Baufirmen verlangen einen "gigantischen Sicherheitszuschlag"
Im Verkehrsausschuss gab es dazu kein einheitliches Bild. Biebelrieds Bürgermeister Roland Hoh hat aus Gesprächen mit größeren Baufirmen mitgenommen, dass deren Auftragsbücher für nächstes und übernächstes Jahr noch nicht voll sind. Die aktuell hohen Preise sieht Hoh auch als Versuch der Unternehmen, sich einen "finanziellen Puffer" zu schaffen. Wer weiß, was noch alles kommt! Von "gigantischen Sicherheitszuschlägen" berichtete auch Volkachs Altbürgermeister Peter Kornell. Wie Mend empfahl er, besser zu warten. "Wir als Bauherr wollen nicht mit uns Schlitten fahren lassen."
Dieter Haag kommt aus der Branche, auch wenn sein Unternehmen in Marktsteft eher Häuser als Straßen baut. Als Kreisrat riet er der öffentlichen Hand, "Kontinuität zu wahren" und weiter zu investieren, gerade wenn angesichts horrender Energiepreise eine Rezession drohe. Die Bauwirtschaft habe gar nicht die Kapazität, Aufträge, die jetzt überall verschoben würden, später abzuarbeiten.
Für den Landkreis bleibt es in diesem Jahr beim Bau einer Querungshilfe in Markt Einersheim. Sie soll Fußgängern, besonders Kindern und älteren Menschen, spätestens Ende des Jahres beim sicheren Überqueren der Kreisstraße 1 im Ort helfen und kostet 240.000 Euro. Kostensteigerung auch hier: 20 Prozent.
In Zeiten von Tagespreisen bei Rohstoffen aller Art und extremen Preissteigerungen auf allen Ebenen ist ein Angebot schwierig. Was heute als überteuert angesehen werden könnte kann zum Zeitpunkt der Leistungserbringung für den Leistungserbringer ruinös sein.