"Nonchalance und Höflichkeit sind mehr geworden in Marktbreit", sagt Maria Luise Thein. Sie muss es wissen. Seit elf Jahren ist sie Präsidentin des Partnerschaftskomitees Marktbreit-Fléac, seit 1986 hat die Gemeinde einen Partner im Department Charente in Westfrankreich. Auch bei der Gastfreundschaft hätten sich die Franken mittlerweile einiges von den Franzosen abgeschaut.
Bürgermeister reiste inkognito nach Frankreich
Die überwältigende Gastfreundschaft war wohl auch ein Grund, weshalb im Jahr 1986 die Partnerschaft besiegelt wurde. Im Jahr zuvor brach der damalige Marktbreiter Bürgermeister Karl Schubert inkognito auf, um sich den möglichen Partner anzuschauen. "Auf Fléac sind wir durch Wiesentheid gekommen, das eine Partnerschaft mit Rouillac hat", erinnert sich Werner Heermann, Komitee-Vizepräsident. "Da gab es einen Cousin in Fléac, und der Rest ist Geschichte." Aus Wiesentheid kam dann auch der entsprechende Tipp und Schuberts geheime Reise flog auf. Mit einem 80 Jahre alten Cognac – die Stadt liegt nicht weit von der gleichnamigen Stadt entfernt – und einem Besuch am Atlantik überzeugten die Franzosen Schubert endgültig von der Partnerschaft.
"Der Funken ist sofort übergesprungen und diesem Erbe fühlen wir uns verpflichtet", erklärt Thein. Über 30 Jahre ist das jetzt her und viel hat sich seitdem geändert. Fuhren anfangs viele Marktbreiter im Bus nach Frankreich, sind es jetzt deutlich weniger. 1151 Kilometer trennen die Gemeinden und "mal schnell nach Frankreich fahren", gehe laut Thein eben nicht. "Ich würde ja mal mit in deinen Fleck, aber der ist so weit weg", höre Thein oft. "Und dann fliegen sie nach Thailand", empört sich Thein.
Vieles ist selbstverständlich geworden
Genauso regen sie die vielen falschen Informationen über die EU auf. Heermann pflichtet ihr bei: "Keiner spricht darüber das, was Europa gut macht. Vieles wird für selbstverständlich genommen." Der Verwaltungsrichter a. D. zählt auf: Natur- und Umweltschutz, Verbraucherschutz, Freiheit, Arbeitnehmerfreizügigkeit, keine Grenzkontrollen und eine gemeinsame Währung. "Und Frieden. Es ist nicht eben nicht normal, dass man sich mit seinen Nachbarn versteht", erklärt der überzeugte Europäer. "Uns muss bewusst werden, was wir an Europa haben. Und wir müssen diese Fake News widerlegen." Außerdem müsse den Menschen deutlich gemacht werden, welche wichtige Rolle mittlerweile das Parlament spielt. Thein nickt.
Regelmäßig geht die Englisch- und Französisch-Lehrerin auf Werbetour für Europa und die deutsch-französische Freundschaft: mit Aktionen in den Marktbreiter Schulen, mit Crêpes-Backen mit den Ferienpasskindern, bei Bouleturnieren oder mit Infoständen zum Europatag (immer am 9. Mai). Europa-Projekttage an allen Schulen oder auch ein europäisches Jahr fänden Heermann und Thein toll. "Es sind Ängste, die wir abbauen müssen", erklären sie. Wie schön, dass Karl Schubert 1985 ohne Angst nach Frankreich gefahren ist.
Das Partnerschaftskomitee trifft sich jeden 1. Freitag im Monat um 17 Uhr (Winter) oder 18 Uhr (Sommer) an der Boulebahn am Mainufer. Am Europa-Tag, Donnerstag 9. Mai, klärt Maria Luise Thein von 15 bis 18 Uhr vor dem Marktbreiter Rathaus über Halbwahrheiten über Europa auf.
Vor der Europawahl am 26. Mai beleuchtet die Redaktion in einer Serie von Artikeln, wie sich die EU auf den Landkreis Kitzingen auswirkt und welche Bedeutung sie für die Menschen und Unternehmen dort hat.