Ihr Votum wäre klar: eindeutig für Europa. Nur dürfen die Jugendlichen am 26. Mai nicht das Europaparlament wählen. Die Jugendlichen sind Jungen und Mädchen vom Gymnasium Steigerwald-Landschulheim Wiesentheid und dem Gymnázium F.X. Šaldy in Liberec in der Tschechischen Republik.
Als die Partnerschaft zwischen den Schulen in Wiesentheid und Liberec Anfang der 1990er Jahre begründet wurde, waren die Schüler, die in Franken zu Gast sind, noch nicht auf der Welt. Den Kalten Krieg, Grenzkontrollen oder den abgeschirmten Ostblock kennen sie nur aus Erzählungen. Und doch haben sie verstanden, was Europa – und damit ist mehr die Europäische Union (EU) als der Kontinent gemeint – für 512,6 Millionen EU-Bürger (Stand: Anfang 2018) bedeutet: Frieden!
Unterschiede als Stärke sehen
"Wenn man die Leute kennt, kann man nicht auf sie schießen", beschreibt Gereon Heuter den großen Trumpf von Europa. Und deswegen findet er Austauschbesuche so sinnvoll. Wie die tschechischen Gäste sehen die deutschen Jugendlichen die vielfältigen Möglichkeiten, die ihnen die EU bietet. "Freiheit, Frieden, Freizügigkeit", steht auf einem Plakat in dem Klassenzimmer, in dem 45 Jungen und Mädchen über Jugendkultur und Demokratie diskutiert haben. "Reisen und keine Grenzkontrollen" wurde auf ein anderes geschrieben.
Diese Freiheit fasziniert auch Lucie Loumová an Europa. "Wir können über die Grenzen fahren und reisen", erklärt die 14-Jährige, die sich auch ein Studium in Deutschland oder einem anderen EU-Land vorstellen kann. "Neue Freunde, Kulturen und Sprachen kennen lernen, auch das ist für uns Europa." Die vielen kulturellen Unterschiede sehen die Jugendlichen ebenfalls als Stärke von Europa. "Und trotzdem sind wir ein großer Verbund." Der 15-jährige Gereon träumt sogar von Europa als einem einigen Land, wie die Vereinigten Staaten von Amerika. Er ist aber Realist genug, um zu wissen, dass Europa im Moment davon weit entfernt ist.
Den Horizont erweitern
Gerade in stürmischen Zeiten ist es Lehrer und Austausch-Koordinator Harald Godron wichtig, für den Austausch und für Europa, vor allem auch Osteuropa, zu werben. "Der Osten ist vielen fremd", sagt der Lehrer. "Die Schüler wundern sich, dass auch die Menschen dort europäisch denken und fühlen."
Kommt aus Liberec die gesamte neunte Jahrgangsstufe des deutschsprachigen Zweiges, sind in Wiesentheid deutlich weniger Schüler der neunten Klassen, dieses Jahr 18 Schüler, am Austausch beteiligt. Das liegt auch an der Sprache. "Tschechisch wird hier eben nicht gelernt", sagt Godron. Aber darum gehe es bei so einem Austausch auch nicht. Besuchen die Wiesentheider die Stadt in Nordböhmen, werde oft Englisch geredet. Grenzen sollen fallen und (Berührungs-)Ängste abgebaut werden. "Die Austauschwoche verändert die Schüler. Es tut ihnen gut", beschreibt Godron seine Erfahrungen. Seine tschechische Kollegin Renata Šípová nickt. "Und durch die Kinder öffnet sich auch der Horizont der Eltern."
Verständigung in unruhigen Zeiten
So leisten Schüler, Lehrer und Eltern im Kleinen einen wichtigen Beitrag zur besseren Verständigung in einem vereinten Europa. Im Großen hapert es zur Zeit auf der europäischen Ebene. "Wir müssen etwas für Europa tun", sagt Godron in die Klasse. Einstimmiges Nicken in der Runde. Oder wie es ein Schüler auf einer Karte formulierte: "Europa ist wie Wasser. Wir müssen es sauber halten."
Beide Schulen versuchen die Kosten für den Austausch so gering wie möglich zu halten, damit alle Schüler teilnehmen können. Möglich ist das durch die finanzielle Unterstützung des Bayerischen Jugendrings in München und des Pädagogischen Austauschdienstes in Bonn.
Vor der Europawahl am 26. Mai beleuchtet die Redaktion in einer Serie von Artikeln, wie sich die EU auf den Landkreis Kitzingen auswirkt und welche Bedeutung sie für die Menschen und Unternehmen dort hat.
Diese Projekte profitieren von Förderungen der Europäischen Union ...