
Wenn eines sicher ist, dann, dass bei Melina Hildmann nichts so läuft wie bei anderen. Die junge Frau aus Kirchschönbach leitet seit zehn Jahren den eigenen Maler- und Verputzerbetrieb. "Was hätte ich denn machen sollen?", fragt sie. Nach dem Tod des Vaters übernahm die Zweitälteste von sechs Geschwistern den Betrieb. "Ich probier's. Ich lass mich darauf ein", habe sie sich damals Mut gemacht. Heute wird ein Fünftel der deutschen Handwerksbetriebe laut Zentralverband des Deutschen Handwerks von einer Frau geleitet, damals waren es noch weniger.
Acht Mitarbeiter beschäftigt die 35-Jährige mittlerweile, ihren Maler- und Verputzermeister hat sie abends gemacht. "Das war ganz schön anstrengend", erinnert sich ihr Mann Fonda Tzinelis an die Zeit. Seit ihrer Jugend kennen sie sich, seit 18 Jahren sind sie zusammen und wissen, was sie aneinander haben. Dass sie Kinder wollen, war ihnen schnell klar. Doch anfangs stand für Melina Hildmann der Betrieb an erster Stelle. Ihr Mann lernte Koch, arbeitet als Anlagenführer im Drei-Schicht-Betrieb bei einem Lebensmittelhersteller. Das ist die Ausgangslage dafür, dass es mal wieder anders ist als bei den anderen. Denn: Melina Hildmann und Fonda Tzinelis haben die Rollen getauscht. Er bleibt zu Hause, sie ist die Alleinverdienerin.

Damit sind sie in Deutschland eine absolute Ausnahme. Laut dem Väterreport 2021, herausgegeben vom Bundesfamilienministerium, arbeitet in nur drei Prozent der Paarfamilien die Mütter allein für den Unterhalt.
Sohn Arno ist mittlerweile ein Jahr alt und der Sonnenschein der Familie. "Er macht es uns leicht", sagt Hildmann. Schnell habe er durchgeschlafen. Arno quietscht dazu fröhlich auf dem Arm seines Vaters. Lange war sie nach der Geburt nicht zu Hause. Von Freitag bis Montag war sie im Krankenhaus, dann schon wieder auf den Baustellen unterwegs. Schweren Herzens, wie sie zugibt. "Das hat mich gewurmt. Ich wäre gerne länger daheim geblieben", sagt sie, "Aber was soll ich machen?", fragt sie.
Gerade der Anfang sei hart gewesen. Sie erzählt, dass es besser wurde, als sie mit dem Stillen aufhörte. "Anders hätte es auch gar nicht funktioniert", sagt sie, und: "Es zerreißt einen." Wie sehr, ist immer noch in ihren Augen zu sehen. Sie ist die Chefin und auch wenn ihre Mitarbeiter sehr selbstständig arbeiten, muss sie doch anwesend sein. Dieser Zwiespalt, eine gute Chefin und eine gute Mutter zu sein, der beschäftigt sie mehr, als sie zugeben möchte.

Das ungute Gefühl bleibt
Sie weiß, dass Arno mit seinem Vater den besten aller Betreuer hat, sie weiß, dass sie keine schlechte Mutter ist, nur weil sie Vollzeit arbeitet. Aber trotzdem. Das ungute Gefühl bleibt. Auch deshalb, weil es eben immer noch eine Seltenheit ist, wenn der Mann sich um Kinder und Haushalt kümmert, besonders auf dem Land.
Arno ist das egal. Er quengelt, ist müde. Da hilft es auch nicht, wenn der Papa mit ihm durch die Küche hopst. Melina Hildmann nimmt den kleinen Mann und legt ihn ins Bett.
"Bei Melina schläft er schneller ein", sagt Fonda Tzinelis. Das ist ihr Ritual, ihre Zeit mit Arno. Und die Zeit, in der der 41-Jährige zur Ruhe kommt. "Es ist der schwerste Job, den ich bisher gemacht habe", gibt er zu. Trotzdem hat er den Beschluss, zu Hause zu bleiben, nie bereut. "Es ist ja nicht nur ein bisschen Haushalt", sagt er. "Ich hätte nie gedacht, dass es so anstrengend ist, auf ein Kind aufzupassen."
Er erzählt davon, dass er nicht mehr alleine aufs Klo gehen kann, davon, dass er sich manchmal allein fühlt und von dem Frust, dass er nur daheim ist. "Manchmal fällt mir die Decke auf dem Kopf", gesteht er. Dass Arno und nicht mehr er selbst seinen Tagesrhythmus bestimmt, fiel ihm am Anfang am schwersten. "Doch da geht es mir nicht anders als einer Mutter", sagt er. Jetzt, nach einem Jahr, fehlen ihm die Kollegen am meisten, besonders die Gespräche mit ihnen.

Die Selbständigkeit hat bei der Entscheidung eine große Rolle gespielt
Locker kann er mit Reaktionen aus dem Umfeld umgehen. Familie und Freunde sahen in seiner Entscheidung nie ein Problem. Auch in Kirchschönbach wird Tzinelis nicht seltsam angeschaut, wenn er alleine mit Arno unterwegs ist. "Wer weiß schon, was hintenrum geredet wird", sagt er. Für beide "war eigentlich klar", dass er daheim bleibt. Er sagt: "Den Betrieb gibt es seit 95 Jahren und Melina hat Verantwortung für ihre Mitarbeiter." Sicherlich, die Selbstständigkeit seiner Frau hatte ein großes Gewicht bei der Entscheidung, aber er wäre auch Zuhause geblieben, wenn sie angestellt gewesen wäre. "Er ist ein sozialer Typ", sagt seine Frau und schaut ihn stolz von der Seite an.
Der genau weiß, was er will. Im Haushalt führt er das Regiment. "Da bin ich sehr genau", sagt er. Besonders wenn es um Arno geht. Seine Frau lacht: "Bei der Flasche war er wirklich sehr diszipliniert." Nicht immer fällt es ihr leicht, sich zurückzuhalten, schüttelt nur den Kopf, wenn Arno Kleider anhat, die sie nie so kombiniert hätte. Er lacht. Wie Arno, der nach einem wirklich kurzen Schläfchen schon wieder wach ist. In ein paar Jahren, so der Plan, möchte Tzinelis Teile der Büroarbeit in der Firma seiner Frau übernehmen.
Geht es nach dem Papa, soll Arno nicht lange ein Einzelkind bleiben. Mama Melina ist etwas zurückhaltender. Noch, denn dass es daheim läuft, weiß sie ja. Vielleicht machen sie es bei der Familiengestaltung ausnahmsweise mal so wie knapp die Hälfte der Familien in Deutschland: Mama, Papa und zwei Kinder.
1976 nach der Geburt unserer Zwillinge und 3 Monate Mutterschutz ( Elternzeit gab's noch nicht) bin ich weiter voll berufstätig gewesen. Unser Sohn war 3.
Mein Mann übernahm gerne die Betreuung der Kinder, die Hausarbeit wurde aufgeteilt.
Vorteil war, ich arbeitete als Krankenschwester lange Jahre im Dauernachtdienst 10 Nächte Dienst je 10 Std. und 10 Tage frei.
Damals war das üblich.
Ich hatte ausreichend Schlaf und stand bei Bedarf tagsüber zur Verfügung.
Selten musste mich mein Mann nachts im Krankenhaus anrufen, weil es Zuhause Fragen gab.
Des öfteren ging mein Mann mit den Kids alleine zu Familienfeiern , Schul- und Kindergartenterminen. Ich musste schlafen um nachts wieder über 40 Patienten sicher betreuen und pflegen zu können.
Nebenbei bemerkt: Schon damals gab es den Pflegepersonalmangel in Deutschland.
Gesellschaft u. Familie hat von unserem sog. "RollenTausch" profitiert.
Die Zahl der alleinverdienenden Frauen ist laut Väterreport sogar gesunken.
Als Kind einer Krankenschwester, die neben der Erziehung von fünf Kindern über 40 Jahre Vollzeit im Nachtdienst gearbeitet hat, weiß ich wovon Sie reden, ich kann mir aber vorstellen, dass es teilweise einfacher war früher als Frau Alleinverdiener zu sein als heute.