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Mönchsondheim
Pächter dringend gesucht: Stadt Iphofen steckt 2,5 Millionen Euro in ein Gasthaus und macht Rechnung ohne den Wirt
Das Traditionslokal Goldene Krone am Fuß der Kirchenburg Mönchsondheim war so verstaubt wie das benachbarte Museum. Jetzt ist es ein Schmuckstück mit Schönheitsfehler.
Sie suchen nach einem Wirt für die 'Goldene Krone' in Mönchsondheim: (von links) Iphofens Bauamtsleiter Matthias Kurth, Tourismuschefin Claudia Bellanti, Museumsleiter Robert Schäfer und Bürgermeister Dieter Lenzer.
Foto: Eike Lenz | Sie suchen nach einem Wirt für die "Goldene Krone" in Mönchsondheim: (von links) Iphofens Bauamtsleiter Matthias Kurth, Tourismuschefin Claudia Bellanti, Museumsleiter Robert Schäfer und Bürgermeister Dieter Lenzer.
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 25.10.2024 02:40 Uhr

Das markante Orange ist einem dezenten Cremeweiß gewichen. Mit seinem frischen Anstrich steht das Gebäude da, als wäre ein UFO gelandet, so fremd wirkt es noch, und wenn man pathetisch sein wollte, könnte man sagen: Im Herbst 2024 legt sich wieder ein goldener Schatten auf die "Krone" in Mönchsondheim.

Ein Sturm der Zeit, so scheint es, ist über das Gasthaus in der Ortsmitte hinweggefegt, das sich so lange dem Zeitgeist verwehrte. Und doch ist nicht alles Gold, was zu glänzen scheint – weil zum perfekten Märchen der Prinz fehlt. Der Prinz, der alles wachküsst und die stumme Szenerie zum Leben erweckt.

Jahrzehntelang waren Erich und Hildegard Rückert die guten Seelen des Hauses gewesen. Sie standen hier so rührig an der Theke und in der Küche, sie gehörten so selbstverständlich zu diesem Ort, dass man sie jetzt als Wachsfiguren nachempfinden möchte, besser noch: als zupackende Doppelgänger, womit man schon beim Thema dieser Geschichte wäre.

Nach mehr als drei Jahren ist der Umbau des Gasthauses Goldene Krone in Mönchsondheim vollendet. Jetzt fehlt der Stadt nur noch ein Pächter.
Foto: Eike Lenz | Nach mehr als drei Jahren ist der Umbau des Gasthauses Goldene Krone in Mönchsondheim vollendet. Jetzt fehlt der Stadt nur noch ein Pächter.

Mönchsondheim hat 156 Einwohner und als überregionale Attraktion die Kirchenburg, die seit Jahrzehnten ein Museum ist. Dieses Freilandmuseum lockt jedes Jahr während der Saison zwischen 10.000 und 15.000 Leute in den Ort. Mit dieser Zahl, sagt Museumsleiter Robert Schäfer, müsste sich doch was machen lassen, unten in der "Krone".

Ein halbes Jahrhundert lebte das Dorf vom Museum und das Museum von der "Krone" und die "Krone" vom Dorf, und alles war gut und hätte immer so weitergehen können. Dann starb (im Jahr 2013) erst Erich Rückert und im Sommer 2023 (mit bald 90) Hildegard Rückert, der die Wirtschaft und das dazugehörige Anwesen da schon längst über den Kopf gewachsen waren. Einen Nachfolger gab es nicht. Der Sohn, der die Landwirtschaft hätte übernehmen sollen, war in den 1970er-Jahren tödlich verunglückt, die Tochter weggezogen.

Der Gastraum im Erdgeschoss empfängt heute mit viel Licht und hellem Holz.
Foto: Eike Lenz | Der Gastraum im Erdgeschoss empfängt heute mit viel Licht und hellem Holz.
Der untere Gastraum vor dem Umbau.
Foto: Julia Dillamar, archicult Würzburg | Der untere Gastraum vor dem Umbau.

Früher feierte die Feuerwehr im Saal ihre Bälle und das ganze Dorf Fasching, später traf man sich hier zu Bürger- und Vereinsversammlungen, und immer war es, als würde man eine Postkarte aus den Fünfzigern betreten.

Man öffnete die Tür, und aus ihrem Knarzen sprachen Jahrzehnte. Man stand in den Räumen, und es roch nach Vergangenheit. Als habe man das Museum von gegenüber mal schnell bis über die Straße verlängert. Eine Wirtschaft wie aus einem alten Volkslied.

An diesem Ort verschmelzen Zukunft und Vergangenheit

In den Sechzigern hatten die Rückerts hier das letzte Mal richtig renoviert. Als andere Wirtshäuser längst den Sprung in die Moderne geschafft hatten, schwelgte man in der "Krone" noch immer im Geist der guten alten Zeit. Und irgendwie passte das ja auch zu einem Ort, der sich selbst und nicht ohne Stolz Museumsdorf nennt. Ein Ort, wo Alt und Neu verschmelzen, wo sich Zukunft auch immer aus Vergangenheit speist und wo die Zeit in Teilen stehen geblieben ist – besser gesagt: angehalten wurde.

Vieles ist neu im Saal des Obergeschosses, nur die Stühle und der Boden sind noch original.
Foto: Eike Lenz | Vieles ist neu im Saal des Obergeschosses, nur die Stühle und der Boden sind noch original.
Der obere Saal vor der Sanierung.
Foto: Julia Dillamar, archicult Würzburg | Der obere Saal vor der Sanierung.

Als sich das Ende abzeichnete, als die Lichter in der Wirtschaft auszugehen drohten, als sich keiner um ein Gebäude riss, dessen Putz und Mörtel den Geist von 200 Jahren atmen, kam die Stadt Iphofen ins Spiel. Sie kaufte die Traditionswirtschaft – samt Risiken und Nebengebäuden. Die Küche zu klein, die Treppe ins Obergeschoss zu steil und der Saal ohne zweiten Fluchtweg. Von Barrierefreiheit ganz zu schweigen.

"Ein Wirt setzt sich hier ins gemachte Nest."
Robert Schäfer, Leiter des Kirchenburgmuseums

Zweieinhalb Millionen Euro steckte die Stadt in die Sanierung des Wirtshauses und noch einmal rund anderthalb Millionen in einen modernen Holzanbau, der sich Museumspädagogik nennt und zu einer Art Selbsterfahrungslabor für kleine und große Gäste werden soll. Die einst dumpfen Räume der "Krone" explodieren heute vor Licht, der große Saal ist ein Raum wie klares Wasser: warmes Holz, weiße Wände, große Fenster; nur der Parkettboden und die Brauereistühle sind noch original. Das Ziel, eine "klare Hierarchie zu schaffen und das Gasthaus wieder in Szene zu setzen", hat das Team des Würzburger Planungsbüros archicult in dreieinhalb Jahren Bauzeit am Ende mühelos erreicht.

Anstelle der großen Scheune steht heute ein moderner Holzbau, in dem sich die Räume der Museumspädagogik befinden.
Foto: Eike Lenz | Anstelle der großen Scheune steht heute ein moderner Holzbau, in dem sich die Räume der Museumspädagogik befinden.

Doch der eine, der entscheidende Punkt, den es zu einer glücklichen Pointe braucht, ist weiterhin ungeklärt: Die Stadt, die weit in Vorleistung gegangen ist, hat die Rechnung ohne Wirt gemacht. Ihr fehlt jemand, der den neuen Laden schmeißt. Dabei könnte ein Pächter oder eine Pächterin jederzeit loslegen, alles ist vorhanden: eine modern und bestens ausgestattete Edelstahlküche, taghelle, freundliche Räume mit Platz für eine Busladung von 60 Gästen unten und bis zu 140 Leuten oben, dazu ein Aufzug, der beide Ebenen verbindet, und ein gemütlicher Biergarten für laue fränkische Sommerabende.

Die Kirchenburg lockt jedes Jahr bis zu 15.000 Gäste

An die 15.000 Menschen fluten jedes Jahr das kleine Dorf, strömen von März bis Oktober ins Museum, um dem Bauern- und Handwerkerleben von einst nachzuspüren, und nicht wenige kehren danach noch ein. "Ein Wirt", sagt Museumsleiter Schäfer, "setzt sich hier ins gemachte Nest." Und Claudia Bellanti, die Tourismus- und Wirtschaftsförderin der Stadt Iphofen, spricht von einem eingeführten Lokal, das auf ein verlässliches Publikum, aus dem Dorf und aus der ganzen Region, zählen könne.

Wer steht hier künftig in der Küche? Bürgermeister Dieter Lenzer hat sich mit seinem Team schon einmal umgeschaut.
Foto: Eike Lenz | Wer steht hier künftig in der Küche? Bürgermeister Dieter Lenzer hat sich mit seinem Team schon einmal umgeschaut.

Im Frühjahr hatte es schon so ausgesehen, als fügten sich die Dinge wie gewünscht. Dem Stadtrat stellte sich hinter verschlossenen Türen ein Mann vor, ein Handwerksmeister aus der Nachbarschaft mit eigener Jagd, und bekundete Interesse an der "Krone". Wenige Tage später ging die Absage im Rathaus ein, und die Suche begann von Neuem. Dass sich der oder die Richtige noch nicht gemeldet hat, könnte auch an den neu geschaffenen Dimensionen hier draußen liegen. "Manche trauen sich die Größenordnung nicht zu", sagt Claudia Bellanti.

Wenn ein Job frei ist, den sonst keiner will, kann YouTube helfen. Mit dem Aufruf "Mach uns den Wirt!" und einem witzigen Internet-Video fand sich vor Jahren im niederbayerischen Geratskirchen, 834 Einwohner, ein Betreiber für die Dorfwirtschaft. Robert Schäfer, der Museumsleiter von Mönchsondheim, 156 Einwohner, blickt sich, noch etwas unsicher, in der neuen Welt der Goldenen Krone um und sagt dann: "Es wäre ein Segen für das Dorf und das Museum, wenn hier wieder ein Pächter drauf wäre."

 
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  • H.J. Schmidt
    Die Stadt hat eindeutig zu viel Geld und zu wenig Politiker mit Sachverstand.
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  • Friedrich Angene
    In Iphofen wurde in den letzten Jahren anstatt nach Ökomenie, ommer mehr nach dem Motto "wir sind wir" oder "was kostet Welt" entschieden - wir haben es ja.
    Bisher wurden rd. 4.000.000 EUR, ohne den Ankauf der Gebäude mit den Landwirtschaftlichen Liegenschaften und der noch nicht vorliegenden Schlußabrechnung investiert. Auch ohne den zugesicherten Zuschüssen vom Bezirk, dem Landkreis etc., bleibt nur ein Millionengrab übrig und der nächste Eintrag der Stadt Iphofen in das Schwarzbuch der Steuerzahler ist gesichert. Eine Gaststätte zu betreiben wo im Jahr 5 Monate Winterruhe des Museums herscht, die paar Touristen die sich vielleicht nach Mönchsondheim verirren und dann noch ohne Betreiber-wohnung auf dem Arreal - wo soll man da einen Pächeter finden!
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  • Marc Stürmer
    Da der Ort zu wenig Einwohner hat, ist solch ein Objekt von externer Laufkundschaft abhängig.

    10000 Museumsbesucher im Jahr ist für den wirtschaftlichen Betrieb eines solchen Ladens viel zu wenig, das sind vielleicht 10-12 Teller pro Tag, davon kann keiner leben.

    Es ist absolut kein Wunder, dass sich da niemand bewirbt. Man müsste sich schon sehr stark über den Ort hinaus einen Namen machen, so dass man ständig von Gästen angefahren wird. Und dafür fehlt dann wiederum ein genügend großer Parkplatz.
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  • Peter Koch
    Die Rechnung wurde nicht nur ohne den Wirt sondern auch ohne Verstand gemacht. Wie sollen bestenfalls 15000 Museumsbesucher und 156 Einwohner so eine Witschaft am Leben halten?
    Das Freilandmuseum Fladungen hat etwa 55000 Besucher im Jahr und sucht verzweifelt einen Pächter für das Museumswirtshaus. Der langjährige Wirt hat ich vor paar Jahren in die Stadtmitte zu den 2200 Einwohnern von Fladungen abgesetzt, als einziger Wirt in der Kernstadt.
    Und noch eins, der Eintrittspreis für das Museum ist mit € 7.- zu hoch. So viel zahlt man im Freilandmuseum Bad Windsheim und da ist wesentlich mehr zu sehen.
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