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Volkach
Neuordnung der Notarzt-Standorte: Warum die Volkacher ihren Standort gerade nachts für unverzichtbar halten
Der großen Notarztstudie 2021 zufolge würde es ausreichen, den Volkacher Standort nur tagsüber zu besetzen. Diesem Vorschlag widersprechen drei Notärzte vehement.
Nikolai Kieleis von der Rettungswache in Volkach fährt Notärztin Stefanie Djalek zu einem Einsatz (gestelltes Bild). Der Rettungswagen fährt wie immer im Rendezvous-System extra.
Foto: Christoph Weiss | Nikolai Kieleis von der Rettungswache in Volkach fährt Notärztin Stefanie Djalek zu einem Einsatz (gestelltes Bild). Der Rettungswagen fährt wie immer im Rendezvous-System extra.
Barbara Herrmann
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:54 Uhr

Lange fackeln ist nicht ihr Ding, das zeigt sich beim Gespräch mit den drei Notärzten sofort. Schnell sprechen, schnell handeln lautet eher die Devise der Mediziner Dr. Wolfgang Otremba (56 Jahre), Sebastian Eibicht (41) und Julian Eibicht (37). Entsprechend schnell haben sie reagiert auf die "Notarztstudie 2021", die das Bayerische Innenministerium in Auftrag gegeben hatte. Darin ist die Rede von einem "Planungsszenario" – und in diesem ist die Besetzung des Notarzt-Standortes Volkach nur noch tagsüber vorgesehen.

Notärzte aus Leidenschaft: Zum Standort Volkach gehören die Mediziner (von links) Julian Eibicht, Notarzt-Obmann Wolfgang Otremba und Sebastian Eibicht.
Foto: Barbara Herrmann | Notärzte aus Leidenschaft: Zum Standort Volkach gehören die Mediziner (von links) Julian Eibicht, Notarzt-Obmann Wolfgang Otremba und Sebastian Eibicht.

Otremba ist als Obmann dafür zuständig, die Dienstzeiten von neun Notärzten und einer Notärztin am Volkacher Standort einzuteilen. Er nennt die Studie beziehungsweise deren Umsetzung "ein ungelegtes Ei", aber gerade darum ist es ihm und seinen beiden Kollegen so wichtig, schon jetzt auf die möglichen Auswirkungen hinzuweisen.

Notarzt-Studie hat angeblich keine konkreten Auswirkungen

Genau diese scheinen aktuell noch völlig unklar zu sein. Das Bayerische Innenministerium, das die Studie in Auftrag gegeben hatte, spricht von einer "wissenschaftlich fundierten Arbeitshilfe". Und der verantwortliche Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung (ZRF) Würzburg, zu dem der Landkreis Kitzingen gehört, plant nach Aussage seines Geschäftsführers Paul Justice keine Teilschließung des Volkacher Standortes.

Neuordnung der Notarzt-Standorte: Warum die Volkacher ihren Standort gerade nachts für unverzichtbar halten

Derart schwammige Aussagen verwundern Dr. Thomas Jarausch angesichts des bayerischen Wahljahres nicht. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der in Bayern tätigen Notärzte und Notärztinnen (AGBN) begrüßt aber die Notarztstudie und hält den Blick auf "das Gesamt-System Notarzt" für entscheidend. Die Studie könne ein Hilfsmittel sein, "um gerade in Regionen mit Besetzungsproblemen die Strukturen zu optimieren".

Genau der Punkt lässt die Volkacher Notärzte auf die Barrikaden gehen. Denn dieses Problem hat der Standort Volkach nicht, das zeigt der Blick in die detaillierte Studie. Nur 39 unbesetzte Stunden, sogenannte Fehlzeiten, hatte der Standort 2021. Demgegenüber stehen Standorte in Unterfranken mit über 2000 Fehlstunden.

Notarzt-Obmann: Besetzung nachts noch wichtiger als tagsüber

Wolfang Otremba und die beiden Brüder Sebastian und Julian Eibicht verstehen nicht, warum dieses Kriterium ebenso wie die Mindestauslastung für das Ergebnis der Studie nicht relevant waren. Die Standorte Wiesentheid und Gerolzhofen, die als Reserve für Volkach gelten, haben Otremba zufolge hohe Ausfallquoten. "Und gerade nachts ist die Besetzung noch wichtiger als tagsüber", ergänzt Otremba.

Denn zum einen fliege der Hubschrauber nachts nicht, zum anderen fahren die Mainfähren nur tagsüber. Und das, sagt der 56-Jährige aus Prosselsheim (Lkr. Würzburg), berechne die Studie nicht ausreichend. So sei die Strecke Gerolzhofen–Wipfeld (beides Lkr. Schweinfurt) ohne Fähre nicht machbar in 20 Minuten und das Notarzt-Gebiet erstrecke sich ohne Volkach dann nachts von Gerolzhofen bis Arnstein (Lkr. Main-Spessart).

BRK-Chef Felix Wallström vertraut der Notarzt-Studie

Felix Wallström ist als Kreisgeschäftsführer des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) sozusagen ein weiterer Mitspieler und Anbieter im System Notfallrettung. Für die Notärztinnen und Notärzte ist das BRK Dienstleister und stellt im Landkreis Kitzingen sämtliche Fahrerinnen und Fahrer der Notarzteinsatzfahrzeuge (NEF). Bei rund 20 Prozent der Einsätze werden diese entweder sofort oder später hinzualarmiert, fahren stets getrennt und treffen sich am Einsatzort: das Rendezvous-System.

"Nur weil der Notarzt nicht kommt, bedeutet das nicht, dass niemand kommt."
Felix Wallström, BRK-Kreisgeschäftsführer

Den Großteil der Einsätze erledigt die Besatzung der Rettungswagen (RTW) alleine. Im Landkreis Kitzingen kommen diese ebenfalls nur vom BRK und sind, so Wallström, immer mit einem Notfallsanitäter besetzt. Grundsätzlich, sagt der Kitzinger BRK-Chef, vertraue er den Ergebnissen der Studie, deren wissenschaftlicher Standard sehr hoch sei: "Ich würde das nicht in Frage stellen."

Felix Wallström ist Kreisgeschäftsführer des BRK und wohnt in Volkach.
Foto: Viktor Meshko | Felix Wallström ist Kreisgeschäftsführer des BRK und wohnt in Volkach.

Und er verweist darauf, dass in Bayern die gesetzliche Hilfsfrist von zwölf Minuten für die RTW gilt, nicht aber für Notärzte: "Nur weil der Notarzt nicht kommt, bedeutet das nicht, dass niemand kommt." Im Landkreis Kitzingen habe man ein "höchstmögliches Versorgungsniveau", ist Wallström überzeugt. Und der Stolz auf seine Mannschaft ist ihm durchaus anzuhören, als er sagt: "Es ist kompetentes Personal vorhanden, da kann ich nur Werbung machen für unsere Notfallsanitäter." 

Beurteilung des Telenotarztsystems fällt unterschiedlich aus

Auf die Frage, ob er das Weglassen von Notarzt- Standorten also für möglich hält, antwortet Wallström, der selbst in Volkach wohnt, mit einem vorsichtigen "scheint so". In dem Zusammenhang verweist er auf das künftige Telenotarztsystem, bei dem ein Arzt bei Bedarf per Computer zugeschaltet werden kann. Dieses werde auch in Bayern nach und nach eingeführt und sei andernorts gut angelaufen. "In dieser Gesamtschau scheint mir das Ergebnis plausibel", lautet seine Schlussfolgerung zu der Notarzt-Studie 2021.

In punkto Telenotarzt ist Julian Eibicht hingegen skeptisch. "Du musst den Patienten einfach sehen, den Puls fühlen", sagt der Jüngere der beiden Notarzt-Brüder. Das könne höchstens bei kleineren Entscheidungen oder einer Medikamentengabe funktionieren. Zudem verweist er darauf, dass die Klagebereitschaft der Patienten zunimmt.

Alle drei Mediziner vom Volkacher Notarzt-Standort loben die Arbeit der Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter, aber Otremba fragt sich auch, was man ihnen alles aufbürden wolle. Ärzte seien da auch besser versichert, sollten im Einsatz getroffene Entscheidungen kritisiert und angezweifelt werden.

"Mir geht es um Volkach und die Bevölkerung hier. Den Standort nachts zu schließen, wäre echt ein Rückschritt."
Sebastian Eibicht, Notarzt aus Volkach

Das Ärzte-Trio ist überzeugt, dass der Standort Volkach erhaltenswert ist. Obmann Wolfgang Otremba fragt: "Was droht den Bürgerinnen und Bürgern, wenn der Standort geschlossen wird?" Alle Drei betonen, dass es ihnen nicht um sich und die Zuverdienst-Möglichkeit gehe. 25 Euro bekommen Notärztinnen und Notärzte für eine Stunde Bereitschaft, gut 60 Euro sind es bei einem Einsatz. Da sagten viele, so Eibicht, "für das Geld steige ich nachts nicht aus dem Bett."

Warum die Eibichts und ihr Obmann es trotzdem tun? Aus Leidenschaft und der Überzeugung, wichtige Arbeit zu leisten. Otremba nennt den Notarztdienst "die letzte Rettungsinsel im System", wenn man immer schneller aus der Klinik heimgeschickt wird, Hausärzte überlastet sind und man beim ärztlichen Bereitschaftsdienst unter der Telefonnummer 116 117 nicht durchkommt.

"Wir Volkacher sind schon eine eingeschworene Truppe", findet Julian Eibicht. Und sein älterer Bruder Sebastian betont: "Mir geht es um Volkach und die Bevölkerung hier. Den Standort nachts zu schließen, wäre echt ein Rückschritt."

 
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