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Repperndorf
Neue Führung mit neuer Strategie: Wie die Winzergenossenschaft GWF ihre schwere Krise überwinden will
Schwächelnder Weinmarkt, schwankende Ernteerträge, hausgemachte Probleme: Die GWF hat fünf schwierige Jahre hinter sich und zieht Konsequenzen. Das plant der neue Vorstand.
Der Blick richtet sich nach vorn: Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Winzergemeinschaft Franken (GWF), Steffen Zink, und der Vorstandsvorsitzende Martin Geißler (rechts) wollen die Genossenschaft aus der Krise führen.
Foto: Andreas Brachs | Der Blick richtet sich nach vorn: Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Winzergemeinschaft Franken (GWF), Steffen Zink, und der Vorstandsvorsitzende Martin Geißler (rechts) wollen die Genossenschaft aus der ...
Andreas Brachs
 |  aktualisiert: 19.10.2024 02:33 Uhr

Die Warnung ist deutlich. Der Genossenschaftsverband Bayern mahnt die Winzergemeinschaft Franken (GWF) nach fünf wirtschaftlich schwachen Jahren mit den Worten: "Die Zukunft steht auf dem Spiel." Die größte Genossenschaft Frankens und eine der großen Winzervereinigungen in Deutschland steckt in einer schweren Krise.

Auslöser für die wirtschaftliche Schieflage sind externe und interne Faktoren, erklären der neue Vorstandsvorsitzende Martin Geißler (Eibelstadt, Lkr. Würzburg) und sein Stellvertreter Steffen Zink (Stetten, Lkr. Main-Spessart). Geißler (50) und Zink (36) stehen an der ehrenamtlichen Spitze der GWF, seit der Geschäftsführer und der ehemalige Vorstandsvorsitzende gegangen sind. Die beiden Neuen sind selbst Winzer und erfahrene GWF-Genossen. Geißler saß schon im Aufsichtsrat und im Vorstand.

Internationale und nationale Krisen beeinflussen den Weinverkauf

Infolge der internationalen und nationalen Krisen schwächelt der Weinmarkt, berichtet Geißler. Die Konsumenten halten sich bei Konsum- und Luxusgütern zurück. Dazu gehört auch der Wein. Oder wie Geißlers Stellvertreter Zink sagt: "Die Menschen kaufen lieber Brot als Wein."

Der Ausgangspunkt der Weinproduktion: die Traubenpressen in der Kelterstation der GWF.
Foto: Andreas Brachs | Der Ausgangspunkt der Weinproduktion: die Traubenpressen in der Kelterstation der GWF.

Dazu kommt eine internationale Konkurrenz, die der GWF, die große Mengen Frankenwein erzeugt, den Absatz im Lebensmittelhandel vermiest. Ausländische Lieferanten können günstiger produzieren, wegen niedrigerer Lohnniveaus und dem verstärkten Einsatz von Maschinen. Beides ist in fränkischen Steillagen nicht möglich. 

In diese Zeit fiel auch der Bau der neuen, zentralen Kelteranlage. Sie zählt zu den modernsten Europas. Allerdings kostet sie 17 Millionen Euro. Ein Betrag, den man in anderen Zeiten leichter hätte finanzieren können. Beispielsweise war die Traubenernte heuer wegen der Fröste um etwa 25 Prozent geringer als in normalen Jahren.

Vorstandsvorsitzender Geißler: "Es wurden auch intern Fehler gemacht"

Aber Geißler will nicht lange drum herumreden: "Es wurden auch intern Fehler gemacht." Die alte GWF-Führung habe, so sieht es der Vorstandsvorsitzende, den Vertrieb und das Marketing vernachlässigt. Man habe Stellen nicht nachbesetzt, Personal sei zu Mitbewerbern gewechselt und habe Kundschaft mitgenommen. Und zugleich habe sich die GWF beim Direktverkauf aus der Fläche zurückgezogen. Ein Drittel des Weins verkauft die Genossenschaft in eigenen Vinotheken und Bistros zwischen Stetten und Iphofen, Reicholzheim (im Taubertal) und Volkach. 

Moderne Anlage – große Investition: Für 17 Millionen Euro hat die GWF eine zentrale Kelterstation gebaut. 
Foto: Andreas Brachs | Moderne Anlage – große Investition: Für 17 Millionen Euro hat die GWF eine zentrale Kelterstation gebaut. 

Zwei Drittel der Menge gehen an den Lebensmitteleinzelhandel und an die Discounter, erklärt der Vorstandsvorsitzende. Dort sieht Geißler deutschlandweit noch viel Vermarktungspotenzial, das bisher nicht genutzt wurde.

Genossenschaftswinzer bekamen sehr niedrige Auszahlungen

Unterm Strich also verdient die GWF nun schon einige Jahre in Folge zu wenig Geld. Und das bekommen die Genossenschaftswinzer deutlich zu spüren: Die Auszahlungen, die mehrmals im Jahr stattfinden und ein Produkt aus Voraus- und Nachzahlungen sind, werden geringer. "Es gab nie nichts", erklärt Geißler, "aber zuletzt nur sehr wenig".

Das erzürnt die Winzer, von denen viele noch aus Idealismus ihre Weinberge bewirtschaften und dabei nicht auf die Uhr schauen. Aber ihr Handwerk wird durch die knappen Überweisungen nicht lukrativer und der Nachwuchs wendet sich immer häufiger ab: Viel Arbeit, wenig Geld – dazu sind immer weniger junge Leute bereit. 

"Wir sind stark darin, große Mengen in guter Qualität zu liefern."
Martin Geißler, Vorstandsvorsitzender der GWF in Repperndorf

Schließlich kam der Schnitt – "in beidseitigem Einvernehmen", wie Geißler sagt: Im Juni trennte sich die GWF vom bisherigen Geschäftsführer, Cornelius Lauter. Mit ihm verließ der Vorstandsvorsitzende Andreas Oehm die Führungsetage. Der Aufsichtsrat bestimmte daraufhin Geißler zum neuen, ehrenamtlichen Vorstandsvorsitzenden und Zink zu seinem Stellvertreter. Die Stelle des hauptamtlichen Geschäftsführers ist noch vakant, soll aber möglichst schnell besetzt werden. Übergangsweise hilft der ehemalige Geschäftsführer Paul Ritter aus. Inzwischen ist ein neuer Vertriebsleiter an Bord.

In großen Edelstahltanks findet die Traubensaft-Gärung statt. Das Endprodukt testen (von links) Martin Geißler und Steffen Zink.
Foto: Andreas Brachs | In großen Edelstahltanks findet die Traubensaft-Gärung statt. Das Endprodukt testen (von links) Martin Geißler und Steffen Zink.

Geißler und Zink wollen nun an allen Ecken und Enden anpacken und reformieren. "Die Marke GWF muss wieder mehr bespielt werden", erklärt Geißler. Er sieht darin gute Chancen: "Wir sind stark darin, große Mengen in guter Qualität zu liefern", sagt der Vorstandsvorsitzende. "Das kann so keiner in Franken und in Deutschland", behauptet Geißler.

Auch wenn Frankenwein als hochpreisig gelte, sei er bekannt und beliebt. "Jetzt braucht es Menschen, die für die GWF und den Frankenwein mit Begeisterung vorangehen und erfolgreiches Marketing betreiben. Guten Wein konnten wir schon immer machen", ist Geißler überzeugt. Beim Verkauf will die GWF wie bisher den Lebensmittelhandel und die Direktvertriebsschiene bedienen. Sogar der Aufbau neuer Vinotheken ist denkbar.

GWF-Vorstände sehen optimistisch nach vorn

Auch die neue zentrale Kelteranlage soll helfen. Sie spart das Personal für dezentrale Anlagen, verarbeitet die Trauben schonender als vorher und soll für höhere Qualität sorgen, argumentieren die beiden Vorstände.

Alkoholfreier Wein: Die GWF betritt Neuland.
Foto: Andreas Brachs | Alkoholfreier Wein: Die GWF betritt Neuland.

Überdies will man dem Trend gemäß neue Produkte anbieten: Im Kommen sind Bag-in-Box-Weine, also Weine in wiederverschließbaren Kartons oder Beuteln. Auch experimentiert die GWF mit pilzresistenten Weinsorten und Wein-Mischgetränken, was neue Kreationen ermöglicht. Ebenfalls im Trend: alkoholfreie Weine und Seccos, auch wenn die noch am Anfang der Entwicklung stehen.

"Die Traubengelder für die Winzer müssen wieder nach oben."
Martin Geißler, Vorstandsvorsitzender der GWF in Repperndorf

Glaubt man Geißler und Zink, hat die GWF die Talsohle erreicht und die richtigen Schritte eingeleitet, um wieder erfolgreich auf dem Weinmarkt zu agieren. Mit dem kommenden Geschäftsführer soll die Strategie verfeinert und umgesetzt werden. Für die beiden Vorstände, die selbst Winzer sind und deren Familien teils schon Jahrzehnte zur GWF gehören, steht im Fokus: "Die Traubengelder für die Winzer müssen wieder nach oben", erklärt Geißler. Eine Steigerung sei kurz- bis mittelfristig realistisch, prophezeit der Vorstandsvorsitzende. Und die GWF müsse sich wieder mehr bei den Winzern sehen lassen, dezentrale Treffen organisieren.

Was ihn auch optimistisch stimmt: Die rund 140 GWF-Mitarbeiter, die sogar noch mehr werden sollen, seien seit dem Neubeginn erkennbar motiviert. Es sei, als habe man den Fuß von der Bremse genommen, sagt Geißler und ist überzeugt: "Die dürfen, die wollen, die können."

GWF

Die Winzergemeinschaft Franken (GWF) bewirtschaftet rund 1200 Hektar Fläche zwischen Untermain und Steigerwald, Tauberfranken und Saaletal. Ihre Trauben wachsen von Großostheim bis Zeil am Main und von Reicholzheim bis Hammelburg.
Das Weinsortiment umfasst neben dem typischen Silvaner alle gängigen fränkischen Rebsorten.  Im Erntejahr 2023 hat die GWF rund 10,5 Millionen Liter Wein erzeugt, eine normale Erntemenge. 2024 waren es frostbedingt nur rund acht Millionen Liter.
1959 gegründet, gehört die GWF zu den sechs größten Winzergenossenschaften Deutschlands. Von den rund 2100 Mitgliedern sind etwa 890 aktive Winzer, Tendenz abnehmend.
Quelle: GWF
 
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  • Peter Koch
    Hier ein übler Marketing Fehler.
    Aktuell gibt es bei Norma den Junge Frank'n Silvaner QbA 2023 im Bocksbeutel für € 3,99. UVP laut Norma € 4,99.
    In der Vinothek der GWF soll man für exakt diesen Wein € 6.00 bezahlen.
    Wer sich, durch den Pakt mit dem Teufel Discounter so den Preis verdirbt muss den Bach runter gehen.
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  • Jochen Freihold
    "Der Frankenwein ist bekannt und beliebt" - diese Aussage gilt Derfür Weinfranken. Nicht einmal mehr für Mittelfranken um Nürnberg, Fürth, Erlangen. Ganz zu schweigen von München, Oberbayern und Schwaben. Der Frankenwein leidet massivJahrzehnten unter einem massiv zunehmenden Image-, Ansehensverlust. In Berlin, Nordrhein-Westfale n, den neuen Bundesländern ist er kein Thema. Das war früher noch anders.
    Den Nachteil haben viele fränkische Winzer, nicht nur der GWF.

    Und auch die allgemeine Konjunktur ist schuld. Noble Konsumgüter verkaufen sich über das im Artikel zitierte Brot hinaus nach wie vor sehr gut zu stolzen Preisen. Auch beim Wein. Der fränkische Bocksbeutel als Marken- und Erkennungszeichen hoher Qualität wurde dagegen inzwischen weitgehend aufgegeben.

    Weinbauverbände und Gebietsweinwerbungen müssen sich endlich besinnen. Überregional wirksame Öffentlichkeitsarbeit und Verkaufsförderung, Präsenz, persönliches Engament, neue Ideen und Kontakte sind längst gefragt.
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  • Jochen Freihold
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  • Jochen Freihold
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  • Johannes Metzger
    Wein gibt es weltweit im Überfluss. Da ist es für die GWF schwierig die eigene Position im Markt zu halten oder sogar noch auszubauen. Keine einfache Aufgabe.
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  • Hiltrud Erhard
    Es ist doch richtig, dass man nach vorne schaut. Aber es muss dringend etwas in Sachen Marketing für den fränkischen Wein getan werden!
    Wenn man südlich von Nürnberg oder in Oberbayern in ein Gasthaus geht, findet man keinen fränkischen Wein auf der Karte. Man findet Pfälzer Wein, Rheinhessen, Österreicher, Italiener, Portugiese, aber keinen Bocksbeutel oder sonstigen Franken Wein.
    Hier gilt es, deutlich mehr, Präsenz zu zeigen und das Produkt, welches Zweifels ohne seine Berechtigung hat, im eigenen Bundesland nach vorne zu bringen.
    Aber hier versagt nicht nur die GWF, sondern der gesamte fränkische Weinbau.
    Wir trinken brav bayerische Biere, aber wir schaffen es nicht, unseren Franken Wein im Süden zu platzieren.
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  • Peter Koch
    Stimmt doch gar nicht was Sie da schreiben.

    https://www.augustiner-restaurant.com/fileadmin/user_upload/PDF/Getraenke_06.08.2024_-_Restaurant.pdf
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  • Marco Kohlhepp
    Ausnahmen bestätigen, .... ;-)
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  • Peter Koch
    Hofbräuhaus München, Brauereigasthof Aying, Klostergasthof Andechs. Noch mehr Ausnahmen gefällig?
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  • Jochen Freihold
    Das sind tatsächlich leider nur Ausnahmen, wie auch die Gaststätte des Bayerischen Landtags oder der Münchner Ratskeller, wo Frankenwein rühmlich, wenn auch bescheiden vertreten ist. Insbsonders wenn der Freistaat Bayern Eigentümer ist. Italien und Österreich dominieren.
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  • Hiltrud Erhard
    Murphy hat gesprochen; aber es ist mit einem Schoppen (der Stein ist ein ganzer Bicksbeutel) (der im übrigen im Augustiner nur auf der Karte ist, weil der Koch aus Bad Kissingen kommt und missioniert hat). Schon klar, einer ist ab und an auf der Karte aber das kann und muss sich ändern
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  • Stefanie Träger
    Auf dem Bild strahlen die beiden Chefs ja nicht gerade Zuversicht und Aufbruchsstimmung aus…🫢

    Achim Träger
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  • Gerlinde Conrad
    Den Mienen nach zu urteilen ist scheinbar der gute Frankenwein etwas sauer? K.-H. Conrad
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  • Jochen Freihold
    Offenbar dem Ernst der Lage geschuldet, die Mienen der beiden Vorstände auf dem Foto. Istn doch gut, wenn sie ihre Aufgabe verantwortungsbewusst angehen.
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