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KITZINGEN/REPPERNDORF
Traubenverarbeitung 2.0: GWF hat modernste Kelterhalle Europas
Moderner Arbeitsplatz in luftiger Höhe: Vom Kommandostand aus steuern und überwachen die Mitarbeiter der GWF die Prozesse in der größten Kelterstation Frankens in Repperndorf.
Foto: Ralf Dieter | Moderner Arbeitsplatz in luftiger Höhe: Vom Kommandostand aus steuern und überwachen die Mitarbeiter der GWF die Prozesse in der größten Kelterstation Frankens in Repperndorf.
Ralf Dieter
 |  aktualisiert: 20.10.2021 03:12 Uhr

Kaum hat er den Telefonhörer aufgelegt, klingelt das Handy. Sebastian Knott kommt in diesen Tagen nicht zur Ruhe. Seinen Kollegen geht es nicht anders.

Herbstzeit ist in Mainfranken gleichbedeutend mit Lesezeit. Die Ernte der rund 6000 Hektar Weinbergsfläche will eingebracht werden. Etwa ein Viertel aller fränkischen Trauben landen seit diesem Jahr in Repperndorf. In einer Kelterhalle, die der Vorstandsvorsitzende der GWF, Andreas Oehm, als die modernste in ganz Europa bezeichnet.

Kosten: 16 Millionen Euro

Im Februar 2018 wurde der Neubau beschlossen, im Herbst 2020 brachten die ersten Winzer ihre Trauben. Statt elf dezentralen Kelterstationen gibt es seither nur noch eine einzige. Für Oehm die absolut richtige Entscheidung, auch wenn die Kosten von ursprünglich veranschlagten 14 Millionen Euro auf 16 Millionen Euro stiegen. Waren die Arbeiten an dem 5000 Quadratmeter großen Gebäude im letzten Herbst noch gar nicht abgeschlossen, ist mittlerweile alles fertig. Die Anlage wird in diesen Wochen auf Herz und Nieren geprüft. „Ein paar kleine Anpassungsschwierigkeiten gibt es“, sagt der Leiter der Produktion und Technik, Markus Troll. „Aber grundsätzlich funktioniert es prima.“ Troll steht in der Kommandozentrale, dem Herzstück der Kelterhalle, und lässt seinen Blick schweifen. Von hier aus hat man einen Überblick über die gesamte Halle, von hier aus werden die technischen Abläufe koordiniert und überwacht. Neun Bildschirme sind parallel zu beachten, Sebastian Knott hat alleine vier im Blick. Er sieht, ob die zwölf Pressen ordnungsgemäß befüllt werden, ob die Fahrwagen unter der richtigen Abladestation geparkt sind und ob alle komplexen technischen Abläufe ineinandergreifen. Georg Krämer kriegt von alledem nichts mit. Der Nebenerwerbswinzer aus Iphofen parkt seinen Traktor mit Anhänger vor der Halle und registriert sich im Büro. Währenddessen wird seine Ladung gewogen und der Oechslegrad der angelieferten Trauben gemessen. Mit einem Joystick bedient Hilmar Streng einen mechanischen Greifarm, an dessen Ende ein sensibles Messgerät angebracht ist. Der Apparat greift sich ein paar Trauben aus dem Hänger, die zerkleinert an dem Messgerät vorbeilaufen. Ein paar Sekunden dauert es, dann ist der Oechslegrad bestimmt und Georg Krämer weiß, welche der vier Abladestationen er anfahren muss.

„Klappt alles wunderbar hier oben“, sagt der Winzer, der seit Jahrzehnten GWF-Mitglied ist und bis vor zwei Jahren seine Trauben noch in Iphofen angeliefert hat. Jetzt nimmt er die längere Anfahrt gern in Kauf. „In Iphofen gab es fast immer eine Wartezeit“, sagt er. „Hier geht es schneller.“ Die GWF überlässt es ihren Winzern, ob sie die zumeist längere Fahrt nach Repperndorf in Kauf nehmen oder nicht. Als Alternative stehen insgesamt 2000 Boxen parat, die per Spedition in die weiter entlegenen Winzerorte gebracht, befüllt und zurück nach Repperndorf gefahren werden. „In jede Box passen 600 Kilo Trauben“, erklärt Markus Troll. Dank eines Computerchips in der Außenwand kann nachverfolgt werden, welcher Winzer wie viele Trauben und welche Rebsorte in die Box geladen hat. Die Nachverfolgung und lückenlose Dokumentation der Fracht ist damit gesichert. „Das wird vom Lebensmitteleinzelhandel ja auch so gefordert“, betont Troll. Georg Krämer ist währenddessen an seiner Abladestation angekommen. Er scannt den Code am Terminal, die Ladung Silvaner saust in eine der vier beweglichen Wannen im Keller des Gebäudes und wird zu einer der zwölf Pressen weitergeleitet. 15 Meter höher, im Kommandostand, hat Sebastian Knott die Daten längst auf dem Bildschirm. Ein paar Wochen vor der Ernte schauen sich die Mitarbeiter der GWF die Trauben ihrer Mitglieder in den Weinbergen an, entscheiden angesichts der Qualität und Menge, für welche Weinlinie sie nach der Ernte verarbeitet werden.

Weniger Pumpvorgänge

Georg Krämers Silvaner vom Hüttenheimer Tannenberg ist bereits in einer der zwölf Pressen gelandet. 25.000 Kilo Trauben passen in jede Einzelne. Dort werden Trester und Traubensaft separiert. Letzterer wird direkt in einen der Gärtanks weitergeleitet. Dank der neuen Technik gibt es weniger Pumpvorgänge, weniger Reibung, weniger mechanische Belastungen für das Traubengut. Die GWF verspricht sich davon eine höhere Qualität. „Das wird man schon an diesem Jahrgang merken“, ist Sebastian Knott überzeugt. Während Georg Krämer seinen Traktor für die Heimfahrt startet, steht schon der nächste Winzer an der Abladestation bereit. Rund 1000 Tonnen Traubengut sind alleine am letzten Samstag angeliefert worden, Rebsorten wie Müller-Thurgau, Bacchus oder Regent sind schon so gut wie vollständig geerntet. Jetzt kommt die Zeit des Silvaners und des Weißburgunders. Die Sonnenstrahlen des Spätsommers werden ausgereizt, so lange es nur geht, der Regen an diesem Montag hält die Winzer nur bedingt von der Lese ab. In rund drei Wochen sollte „das Gröbste rum sein“, wie es Sebastian Knott ausdrückt.

Bis dahin werden er und die rund 40 Kollegen, die in der modernsten Kelterhalle Europas im Einsatz sind, kaum zur Ruhe kommen. In zwei Schichten ist die Belegschaft eingeteilt, rund um die Uhr läuft der Betrieb. 24/7, wie es so schön heißt. Bis Ende Oktober geht das so. Dann verwaist die moderne Kelterhalle – und erwacht erst im Herbst 2022 wieder zum Leben.

Mit einem Joystick dirigiert Hilmar Streng den Greifarm. In dessen Inneren befinden sich sensible Messdaten für die Bestimmung der Oechslegrade.  Fotos: Ralf Dieter
Foto: Ralf Dieter | Mit einem Joystick dirigiert Hilmar Streng den Greifarm. In dessen Inneren befinden sich sensible Messdaten für die Bestimmung der Oechslegrade. Fotos: Ralf Dieter
Sebastian Knott hat mit seinem Kollegen insgesamt sechs Bildschirme gleichzeitig im Blick. Im Kommandostand kommt während der Ernte keine Langeweile auf.
Foto: Ralf Dieter | Sebastian Knott hat mit seinem Kollegen insgesamt sechs Bildschirme gleichzeitig im Blick. Im Kommandostand kommt während der Ernte keine Langeweile auf.
Ein bisschen Handarbeit ist auch noch: Ein Mitarbeiter schleppt ein paar Schläuche durch die Gassen der Gärtanks.
Foto: Ralf Dieter | Ein bisschen Handarbeit ist auch noch: Ein Mitarbeiter schleppt ein paar Schläuche durch die Gassen der Gärtanks.
 
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