Das Modeunternehmen René Lezard trennt sich erneut von einem gewichtigen Teil seiner Belegschaft: 47 Mitarbeiter müssen den Stammsitz Schwarzach (Lkr. Kitzingen) verlassen. Sie werden über einen Sozialplan abgefunden. Damit wird sich die Mitarbeiterzahl in der Zentrale im ersten Halbjahr 2019 von 107 auf 60 Köpfe reduzieren.
Aus des Standorts Schwarzach drohte
In einer zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat abgestimmten Presseerklärung wird der jahrelange Rückgang beim Gewinn als Hauptgrund für die neuerliche Entlassungswelle genannt. René Lezard kämpft seit einem Jahrzehnt immer wieder mit einer finanziellen Schieflage. Das erklärte die Geschäftsführung der Belegschaft am Mittwochnachmittag in einer Betriebsversammlung.
Nach Worten des Unternehmens seien „komplexe und kostenintensive Prozesse“ daran schuld. Deswegen habe das operative Geschäft schnellstmöglich und kurzfristig umgestellt werden müssen, um weitere Verluste zu vermeiden, die auch „das Aus des Standorts Schwarzach“ hätten bedeuten können.
Vom Abbau betroffene Abteilungen
Was ist geplant? Anstelle der bisherigen Arbeitsteilung zwischen dem Standort Schwarzach und externen Zulieferern stellt René Lezard nun auf einen kompletten Einkauf von Waren und Dienstleistungen um, wenn auch nach Vorgabe der Zentrale. An die Stelle der „Lohnveredlung“ trete der „Vollkauf“, so formuliert es das Unternehmen. Folglich würden die Produktentwicklung, Produktion und Lieferung der Kollektionen nicht mehr in Schwarzach vorgenommen, sondern extern vergeben. Unberührt davon seien die Verkaufsläden. Die Umstellung betreffe allein die Hauptverwaltung und dort vor allem die Bereiche Produktion/Logistik, Retoure/Zoll, CAD/Lagebild und Einkauf.
Der Stellenabbau werde im ersten Halbjahr 2019 umgesetzt. Alle 47 betroffenen Mitarbeiter des Standorts Schwarzach seien über einen mit dem Betriebsrat ausgehandelten Sozialplan und Interessensausgleich abgesichert, heißt es in der Pressemitteilung. Die Vorstandsvorsitzende Isabella Hierl erklärte: „Obwohl uns die über mehrere Jahre rückläufige wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft in unserer unternehmerischen Handlungsfreiheit massiv eingeschränkt hat, ist es uns gemeinsam mit der Arbeitnehmervertretung gelungen, den Standort Schwarzach zu erhalten. So können auch zukünftig rund 200 Mitarbeiter für René Lezard tätig sein.“
So ist die Stimmung in der Belegschaft
Die Stimmung der Belegschaft in der Betriebsversammlung fasste der Betriebsratsvorsitzende Armin Weckert angesichts der Hiobsbotschaften der vergangenen Jahre so zusammen: „Die Leute waren auf vieles vorbereitet.“ Vom Sozialplan betroffen seien „querbeet alle Altersschichten“. Weckert hat angesichts der aktuellen Arbeitsmarktlage die Hoffnung, dass viele von ihnen wieder einen Arbeitsplatz finden. Vor den Werkstoren wollten sich am Mittwoch keine Beschäftigte äußern. „Wir müssen das Ganze erst sacken lassen“, lautete der Tenor.
Die wechselvolle Vorgeschichte
Der Modehersteller für Damen- und Herrenbekleidung hat in den vergangenen zehn Jahren eine wechselvolle Geschichte erlebt. Infolge der Finanzkrise in finanzielle Schieflage geraten, kappte das Unternehmen im Jahr 2009 40 Stellen am Stammsitz in Schwarzach. In guten Zeiten waren rund 400 Mitarbeiter, je etwa zur Hälfte in der Zentrale und in den Verkaufsläden in Deutschland beschäftigt. Es folgte eine Zeit der Restrukturierung. 2012 sah es nach einer gelungenen Trendwende aus. Die René Lezard GmbH legte eine Anleihe über 15 Millionen Euro auf, um frisches Kapital zu generieren. Firmengründer Thomas Schaefer kaufte zuvor verkaufte Unternehmensteile zurück. Der Umsatz stieg auf rund 50 Millionen Euro.
Doch das erwies sich als ein Strohfeuer: In den Folgejahren brach der Umsatz auf 44,6 Millionen Euro ein; René Lezard schrieb rote Zahlen. 2016 betrug der Verlust schon 3,8 Millionen Euro. Der Modehersteller nannte damals mehrere Gründe für die Negativentwicklung: die Insolvenz eines ehemaligen Gesellschafters, den Ausfall zahlungskräftiger Kunden aus Russland infolge der Ukraine-Krise, Kaufzurückhaltung der Kunden angesichts einer ungünstigen Wetterperiode und schließlich Probleme der Textilbranche insgesamt.
Gläubiger mehrmals gerupft
2016 eröffnete das Unternehmen den Gläubigern seiner Anleihe, dass sie auf 40 Prozent des Anleihewerts verzichten und langfristig keine Zinsen mehr erhalten sollten. Auch die Banken sollten einen Großteil ihrer Forderungen von insgesamt 8,8 Millionen Euro abschreiben. Das führte im Frühjahr 2017 zu einer Insolvenz in Eigenregie, die im Juni 2017 in eine reguläre Insolvenz mündete. Mithilfe eines Insolvenzverwalters verkaufte René Lezard seine Betriebsgebäude in Schwarzach, dem Vernehmen nach für 3,3 Millionen Euro, um Bankschulden zurückzuzahlen.
Die Anleihe-Gläubiger wurden Ende 2017 erneut gerupft: Der Modebetrieb wandelte sich zur AG und damit die Anleihe in Aktien – allerdings zu einem Bruchteil des ursprünglichen Wertes. Nach gut unterrichteten Kreisen soll der Aktienwert noch 1,7 Millionen Euro betragen haben. Die René Lezard GmbH wurde zur Abwicklung der Insolvenz aufrecht erhalten; somit konnte die AG ohne Altlasten an den Start gehen. In diesem Zuge stieg auch Unternehmensgründer Thomas Schaefer aus, dem zeitweise 75 Prozent des Unternehmens gehörten. Ihm folgte zum Jahreswechsel 2017/18 Geschäftsführer Heinz Hackl, der die restlichen 25 Prozent besaß. 30 Prozent der Aktien gingen an den ungenannten Investor, der die Betriebsgebäude gekauft hatte.
Hoffnungsvolle Botschaft vor Weihnachten
Vor vier Wochen machte dann die Nachricht die Runde, dass der türkische Modeproduzent Yasar Esgin, Chef von Cemsel Tekstil, einen „sicherlich bedeutenden“ Anteil an der René Lezard AG erwerben wolle. Darüber soll eine Hauptversammlung voraussichtlich Mitte Dezember entscheiden. Nicht unwahrscheinlich, dass die Braut vor dieser Übernahme noch aufgehübscht werden soll.