Schon seit Tagen läuft am Nordheimer Bundeswehr-Wasserübungsplatz ein reger Fahrzeug- und Personenverkehr. Weit mehr als sonst in einem ganzen Monat. Einheimische reiben sich erstaunt die Augen. Etliche Container werden aufgestellt und Rot-Kreuz-Helfer bauen große Unterkunftszelte auf. "So viele Fahrzeuge habe ich schon lange nicht mehr rein- und rausfahren gesehen", sagt ein Nordheimer erstaunt.
Er hat schon viel mitgemacht – der Bundeswehr-Wasserübungsplatz bei Nordheim. Vor Jahrzehnten übten hier Panzer und Pioniere den Dienst "am Wasser". Dann wurde er stillgelegt und bei der ersten Flüchtlingswelle 2015 als Flüchtlingsunterkunft reaktiviert. Jetzt ist er wieder militärisches Sperrgebiet und wird von den Volkacher Soldaten eher sporadisch als Übungs- und Lagerplatz genutzt.
Hilfe leisten, aber wenn's sein muss aus sicherer Entfernung
Dass jetzt gerade so viel los ist, hat seinen Grund: Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und das World Food Programm (WFP), eines der größten Welternährungsprogramme der Vereinten Nationen, stellt in einer ganztägigen Veranstaltung Technik und Fähigkeiten ferngesteuerter und fahrerloser Transportfahrzeuge vor. Und das vor internationalen Publikum. Im Mittelpunkt steht der "Sherp", ein futuristisch anmutendes Fahrzeug. Mit vier überdimensionalen, grobstolligen Reifen und einem Fahrerhaus, das eher einem Ei gleicht.
Das DLR arbeitet am internationalen Forschungsprojekt A.H.E.A.D, Autonomous Humanitarian Emergency Aid Devices (Autonome Notfallhilfe-Geräte für humanitäre Einsätze), mit und übt zusammen mit dem BRK am Wasserübungsplatz der Bundeswehr. Bei einer Live-Demo geht es um Hilfe bei Hochwassereinsätzen.
Spezialfahrzeug Sherp ist ein "Allesüberwinder"
"Ein Allesüberwinder, der keine Limits im Gelände hat", schwärmen die Ingenieure bei der Vorstellung. Er erinnert mehr an ein Mond- oder Raumfahrzeug, was in weiterer Zukunft seine Bestimmung werden könnte. "Nicht unbedingt schön, aber unendlich praktisch", meint ein Operator, wie der Fahrer dieses Gerätes bezeichnet wird.
Doch heute ist der Sherp erst mal ein Transportfahrzeug für den Bereich "humanitäre Hilfe" und Katastrophenschutzeinsätze. Und mit einer ganz außergewöhnlichen Technik. Ein Prototyp, in dem das DLR im Zusammenwirken mit dem WFP und weiteren internationalen Unternehmen sein ganzes technisches Wissen hineingesteckt hat.
So kann das Fahrzeug auch ohne Fahrer betrieben werden. Und es kann nicht nur im ungesicherten und gefährlichen Landbereich eingesetzt werden, sondern auch im Wasser. Verantwortlich dafür ist besagter Operator, der weitab der Einsatzstelle in einem "Operation Center" sitzt. Vor sich hat er mehrere Bildschirme, die ihm den Fahrweg des Sherp zeigen.
In allen Richtungen hat das Fahrzeug deshalb Videokameras, die auf dem Dach und an den Seitenflächen festgemacht sind. Somit hat der Operator ein ähnliches Blickfeld wie im Fahrzeug sowie baugleiche Steuereinheiten. "Für uns ist es wichtig, dass wir bei einem gefährlichen Einsatz nicht die Gesundheit eines Menschen gefährden müssen. Im ungünstigsten Fall verlieren wir ein Fahrzeug, aber keinen Menschen", erklärt ein Ingenieur des DLR.
Am Nachmittag kommt eine Armada von Wasserrettungsfahrzeugen von Einheiten der Wasserwacht aus ganz Unterfranken. Mit dabei ist auch ein Bergwachtfahrzeug. Das Übungsszenario: Nach tagelangen Regenfällen waren Häuser auf einer Insel überschwemmt und nicht mehr erreichbar. Es hat einen Erdrutsch gegeben. Erkundungstrupps mit Booten, Fahrzeugen und Drohnen stellen fest, dass Menschen so nicht gerettet werden können. Der Sherp übernimmt die Personenrettung.
Der Altmain als ideales Hochwasser-Übungsgebiet
Kommt das Gefährt auch im unwegsamen Flussgelände des Altmains zurecht? Unter den Augen der Gäste fährt das Fahrzeug zum Ufer und mit Schwung ins Wasser. Das grobe Profil der Ballonreifen dient dem verlässlichen Vorwärtskommen. Am anderen Ufer fährt der Sherp wieder an Land. Nach zwei, drei Versuchen klappt es. Die "Menschen in Not" können gerettet werden, was von großem Applaus der Zaungäste begleitet wird.
Oberstleutnant Matthias Kampf, der als Hausherr die Demonstration beobachtet, zeigt sich interessiert: "In unseren internationalen Einsatzgebieten arbeiten wir viel mit ähnlichen Systemen mit den UN zusammen." Sollten sich hier bessere Lösungsmöglichkeiten anbieten, könnte er sich für dieses System durchaus auch eine militärische Nutzung vorstellen.