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Großlangheim
Moderne Technik und Engagement: So spüren fleißige Tierretter Rehkitze in Kitzinger Wiesen auf
Mit einer Drohne retten Ehrenamtliche Jungtiere vor dem Mähwerk. Jäger und Landwirte sind begeistert von der Technik – für Spaziergänger gibt es allerdings eine Warnung.
Doppelter Fund in Martinsheim: Bevor die Mähwerke anrückten, durchsuchten Freiwillige die Wiesen im Kitzinger Landkreis nach Rehnachwuchs.
Foto: Manuel Meyer | Doppelter Fund in Martinsheim: Bevor die Mähwerke anrückten, durchsuchten Freiwillige die Wiesen im Kitzinger Landkreis nach Rehnachwuchs.
Tabea Goppelt
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:53 Uhr

Ein sechsarmiges Fluggerät steigt in den dämmrigen Morgenhimmel bei Großlangheim auf, grellbunte Lichter leuchten an allen Seiten des fußballgroßen Gehäuses. Spaziergänger und Spaziergängerinnen würden sich wahrscheinlich verwundert danach umsehen – nur sind so früh am Morgen noch keine unterwegs.

Aber kein Grund zur Sorge, eine Erklärung für das Himmelsphänomen gibt es: Mit den neu angeschafften Drohnen der Kreisgruppe Kitzingen des Bayerischen Jagdverbands (BJV) suchen Ehrenamtliche die Wiesen im Landkreis nach Rehkitzen ab, um sie vor dem Abmähen in Sicherheit zu bringen. Eine Technologie, die schon in mehreren Teilen Unterfrankens im Einsatz ist und nun auch in Kitzingen erste Erfolge erzielt.

Vier Drohnen zur Rettung von Rehkitzen im Landkreis

Mittwochmorgen, 4.30 Uhr am Sportplatz Großlangheim: Das ist der Treffpunkt für die drei Jäger Martin Kraft (27), Matthias Hofmann (58) und Frieder Nagler (70), um auf etwa 15 Hektar Fläche nach Rehkitzen zu suchen. Bereits zehn Tage lang sind sie und zwei andere Drohnenteams frühmorgens im Landkreis unterwegs. Statt alle Wiesen nur mit den Jagdhunden abzugehen, fliegen nun vier Drohnen mit Wärmebildkameras den Landkreis Kitzingen ab. Zwei der Drohnen gehören der Kreisgruppe des BJV, zwei andere sind in privater Hand und ebenfalls im Einsatz zur Rehkitzrettung.

Drohnenpilot Martin Kraft startet die Drohne. Beim ersten Abheben ist es noch duster, bei der letzten Landung des Tages steht die Sonne schon am Himmel. 
Foto: Tabea Goppelt | Drohnenpilot Martin Kraft startet die Drohne. Beim ersten Abheben ist es noch duster, bei der letzten Landung des Tages steht die Sonne schon am Himmel. 

Das macht die Suche nach Aussagen der Jäger nicht nur angenehmer, sondern vor allem effizienter: "Der Hund kann die Kitze nicht finden, weil sie keine Witterung abgeben", sagt Jäger Frieder Nagler. An einem Rettungskorb habe Hofmann die Hunde sogar schon riechen lassen. Auf den Geruch des Kitzes, das davor darin gelegen hatte, sprang selbst der Jagdhund nicht an. Ein Kniff der Natur, um die Jungtiere vor Fressfeinden zu schützen. Schlecht ist das allerdings, wenn die Kitze eigentlich vor den Mähgeräten gerettet werden sollen.

Auch unvorteilhaft ist, dass die ganz jungen Kitze nicht vor Gefahr fliehen, sondern sich noch tiefer ins Gras drücken. "Du kannst sie manchmal nicht sehen, auch wenn du daneben stehst", sagt Hofmann. 

Jäger Matthias Hofmann mit geretteten Kitzen in Effeldorf.
Foto: Martin Kraft | Jäger Matthias Hofmann mit geretteten Kitzen in Effeldorf.

Anders ist das mit der Wärmebildkamera: Die entdeckt jedes warme Pünktchen aus 50 Metern Höhe. Martin Kraft steuert die Drohne und weist die anderen an, wo sie im Feld suchen können. Ein heller Punkt huscht über den Bildschirm der Fernsteuerung, dann noch einer. Fehlalarm: Zwei Rebhühner wurden durch das Surren der Drohne aufgeschreckt.

Jäger holen auch junge Häschen aus den Wiesen

Auch Hasen spürten die Jäger schon auf. Die größeren hoppeln davon, kleine Hasenjunge holen die Jäger ebenfalls aus den Wiesen. Eine große Rolle beim Fund spielt der Temperaturunterschied zwischen Tier und Boden. Das ist der Grund, warum die Jäger so früh mit der Suche beginnen. Bis etwa sieben oder acht Uhr morgens ist der Kontrast hoch genug, um die Tiere zuverlässig zu erkennen. 

Mit geübtem Auge kann Martin Kraft die Lichtpunkte auf dem Bildschirm der Fernsteuerung bereits unterscheiden. Hier liegt kein Kitz, sondern ein Hase sitzt in der Wiese. 
Foto: Tabea Goppelt | Mit geübtem Auge kann Martin Kraft die Lichtpunkte auf dem Bildschirm der Fernsteuerung bereits unterscheiden. Hier liegt kein Kitz, sondern ein Hase sitzt in der Wiese. 

Ein kleines Zeitfenster, morgens vor der Grasernte, an den Tagen von Mitte Mai bis Anfang Juni. "Das sind zwei heiße Wochen", sagt Jäger Matthias Hofmann. Mit den vorhandenen Drohnen könnten sie in der Erntezeit nicht den ganzen Landkreis abdecken. Die Abstimmung mit den Landwirten ist dabei essentiell: "Manche Landwirte geben eine Woche vorher Bescheid, andere kurzfristig", sagt Kraft. 

Junge Wildtiere bitte nicht anfassen

Aktuell liegt es vor allem an Martin Kraft, die Teams mit den verschiedenen Drohnen zu organisieren und zur richtigen Zeit an die richtigen Orte zu schicken. Für die nächste Saison hofft das zehnköpfige Team auf mehr Helfer, vor allem Drohnenpiloten oder -pilotinnen.

"Ich möchte die Drohne nicht als die beste Methode herausstellen", sagt Kraft. Allerdings schätzt er: "Wir werden sicherlich ein paar Kitze erwischt haben, die man mit Vergrämen nicht erreicht hätte." Als "Vergrämen" bezeichnen Jäger das Verscheuchen der Tiere aus den abzumähenden Wiesen, mit raschelnden Müllsäcken oder sogar lauten Rauchmeldern in der Nacht vor der Mahd. 

Immer wieder ein Thema: Junge Wildtiere dürfen nicht in Kontakt mit menschlichem Geruch kommen. Matthias Hofmann hält ein eigens vorbereitetes Warnschild in die Kamera.
Foto: Tabea Goppelt | Immer wieder ein Thema: Junge Wildtiere dürfen nicht in Kontakt mit menschlichem Geruch kommen. Matthias Hofmann hält ein eigens vorbereitetes Warnschild in die Kamera.

Berühren dürfen die Jäger die Kitze nicht, wenn sie die Tiere aus der Wiese tragen. Menschlicher Geruch würde später die Mutter abschrecken. So tragen die drei auch heute Handschuhe und sind mit einem Wäschekorb ausgestattet, den sie bei einem Fund mit Gras füllen. Der Korb mit Kitz steht dann am Feldrand, bis die Wiese gemäht ist. Eine Bitte hat Hofmann daher an Spaziergänger: Die Rehe weder anfassen noch "frei lassen". Sogar ein Schild mit dieser Warnung legen die Jäger der Vorsicht halber zu den Tieren. 

"Die meisten – auch alteingesessene Landwirte – sind total fasziniert von der Technik", sagt Rehkitzretter Kraft über die Drohnen des Jagdverbands. Zwar hätten auch moderne Mähwerke bereits Sensoren, um Kitze zu erkennen. Die Jäger finden allerdings: Um sich darauf zu verlassen, gehe das Mähen viel zu schnell.

Das Rettungsteam nach getanem Einsatz von links: Die Jäger der Kreisgruppe Kitzingen Frieder Nagler (70), Martin Kraft (27), Horst Kuffner (58) und Matthias Hofmann (44).
Foto: Tabea Goppelt | Das Rettungsteam nach getanem Einsatz von links: Die Jäger der Kreisgruppe Kitzingen Frieder Nagler (70), Martin Kraft (27), Horst Kuffner (58) und Matthias Hofmann (44).

Der Bauernverband sieht die Suchaktion positiv

Wilfried Distler, Geschäftsführer des Bauernverbands im Landkreis Kitzingen, begrüßt das Drohnenangebot. Der Bauernverband habe den Drohneneinsatz schon bei seinen Mitgliedern beworben. Entsprechend zu handeln, liege in der Eigenverantwortung des jeweiligen Landwirts. Ein Kitz beim Mähen zu erwischen, daran sei Distler zufolge mit Sicherheit kein Landwirt interessiert. 

Einige unterfränkische Gebiete setzen schon länger auf die Drohnentechnologie. In Kitzingen schlug vergangenes Jahr der Chipmangel durch und die Drohne wurde nicht rechtzeitig geliefert. Zwei Kitze Ende Mai sei das Ergebnis der sehr kurzen Saison 2021 gewesen. Dieses Jahr konnte die Kreisgruppe voll durchstarten und die Jäger sind mit ihrer bisherigen Bilanz von 36 Kitzen und vier Häschen sehr zufrieden.

Jäger Matthias Hofmann mit zwei geretteten Hasenjungen in Kitzingen.
Foto: Martin Kraft | Jäger Matthias Hofmann mit zwei geretteten Hasenjungen in Kitzingen.

"Es ist ein schönes Gefühl, wenn man ein Kitz rausträgt", sagt Hofmann und seine Augen leuchten, als die Drohne über dem letzten Feld schwebt – obwohl es an diesem Tag nach keiner Rettung aussieht. "Auch ohne ein Kitz zu finden, ist man beruhigter", sagt Jagdpächter Horst Kuffner, der zum Ende des Einsatzes zur Gruppe stößt.

Die frühmorgendliche Runde gibt Gewissheit, etwas getan zu haben, bevor die Mahd beginnt. Um sechs Uhr endet die Suche für die vier Jäger, die großteils schnell zur Arbeit weiter müssen. Prompt klingelt auch schon Martin Krafts Handy: Der Wecker für "normale" Tage, ohne Rettungseinsatz.

 
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