Wenn Bernhard Seißinger auf seinen letzten Tag als Leiter des Franken-Landschulheims (FLSH) Schloss Gaibach blickt, schlagen drei Herzen in seiner Brust: der Stolz, die Herausforderungen der Vergangenheit gemeistert zu haben, die Sorge um die Demokratie in der Gesellschaft und die Vorfreude auf mehr Zeit für Familie und Hobbys. Am Freitag, 23. Februar, tritt Seißinger in den Ruhestand.
Sechs Jahre lang hat er die Geschicke des FLSH als Schulleiter erfolgreich gelenkt. "Ich mag am Ende ein 'Primus' sein, vor allem aber bin ich 'inter pares'", erzählt der elfte Schulleiter in 75 Jahren Gaibacher Schulgeschichte und der erste, der als "Eigengewächs" diese Funktion ausübte. "Insofern war es mir eine Ehre, für meine ehemalige Schule tätig sein zu dürfen."
In Würzburg studierte er Anglistik und Theologie auf Lehramt
Seine persönliche Schulhistorie begann 1979, als er am Landschulheim Gaibach das Abitur ablegte. 1985 schloss er sein Studium in katholischer Theologie und Anglistik an der Uni Würzburg mit dem ersten Staatsexamen ab. Drei Jahre später beendete er sein Referendariat in Bamberg mit dem zweiten Staatsexamen. Noch im selben Jahr begann er seine fast 36-jährige Lehrertätigkeit in Gaibach. 2014 wurde er zum stellvertretenden Schulleiter ernannt, vier Jahre später nahm er auf dem Chefsessel der Schule Platz.
Rückblickend schildert Seißinger, dass ihn seine Lehrer in der eigenen Gymnasialzeit zu einem Lehramtsstudium animiert hätten. Im Sommer 1988 machte ihm unerwartet der damalige Gaibacher Schulleiter Hubert Gahr ein Stellenangebot – "obwohl ich bereits unterwegs in den bayerischen Süden war". Der "Geist von Gaibach" habe ihn gefangen genommen. Gaibach sei ein Ort der Demokratie in Bayern, Werte wie Freiheit und Gleichheit und damit Respekt, Toleranz und Weltoffenheit hätten am Franken-Landschulheim einen besonders hohen Stellenwert.
Gymnasium und Realschule sind in Gaibach unter einem Dach
Begeistert haben ihn in den Jahrzehnten als Pädagoge herausragende Leistungen von Schülerinnen und Schülern sowie ein höchst engagiertes und kooperatives Kollegium. Dabei begleiteten ihn inzwischen mehr als ein Dutzend Kolleginnen und Kollegen, die früher selbst an der Schule in Gaibach unterrichtet wurden. Gefordert wurde der Schulleiter durch die Komplexität der Bildungseinrichtung mit zwei Schularten unter einem Dach (Gymnasium und Realschule), mit zwei Schulorten (Gaibach und Gerolzhofen), mit Internat, Tagesheim, der offenen Ganztagsschule und gut 160 Mitarbeitern.
Außerhalb des Schulalltags sind ihm in der Vergangenheit mehrere Vorfälle in Erinnerung geblieben, die das Schulleben beeinflussten: europaweite Seuchen wie Rinderwahnsinn, Vogel- und Schweinegrippe sowie Wetterereignisse wie Stürme und Schneechaos. Sterbefälle in der Schulfamilie trafen ihn besonders. Dann die Corona-Pandemie mit monatelangem Wegfall des Präsenzunterrichts. Und zu guter Letzt Bahnstreik, Bauernproteste und Blitzeis mit Beeinträchtigung des Unterrichts.
Denkt Seißinger an die Zukunft, macht er sich Gedanken um die Demokratie. "Es treibt mich die Sorge um, dass wir aus Gründen der Bequemlichkeit und der Einfachheit dem demokratischen Ringen um die beste Lösung ausweichen, populistischen Parolen auf den Leim gehen und uns langfristig in die Abhängigkeit von autoritären Strukturen begeben könnten."
